Personalmangel allerorten
Molkereien, Schlachthöfen und Bauern fehlen Arbeiter
(klw) - Trotz rückläufiger Hamsterkäufe leidet die Ernährungsbranche massiv unter der Corona-Krise. Die Lage sei wegen fehlender Arbeitskräfte teilweise „sehr angespannt“, sagte Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) am Donnerstag in Berlin. Vor allem bei Molkereien, in Schlachthöfen und Zerlegebetrieben fehlten Berufspendler aus Mittel- und Osteuropa. Zudem brauche die Landwirtschaft dringend Saisonarbeitskräfte. Wegen
Ein- und Ausreisebeschränkungen beiderseits der Grenze fehlen auf den Feldern vor allem Helfer aus Polen und Rumänen.
Klöckner rief die Bevölkerung auf, in der Krise mit anzupacken. Innenminister Horst Seehofer (CSU) prüft, Arbeitsverbote für Asylbewerber aufzuheben. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) stellte einen „Gütertransport-Pakt“vor, der die Versorgung mit wichtigen Waren gewährleisten soll.
- Fehlende ausländische Arbeitskräfte, Hamsterkäufer, Grenzstaus und Exportbeschränkungen erschweren die Versorgung der Bevölkerung. Bei einigen Lebensmitteln hakt es gerade besonders. Die Bundesregierung versucht mit Sonderregeln gegenzusteuern. Insgesamt sei die Versorgung aber gut, betont Agrarministerin Julia Klöckner (CDU). Ein Überblick:
Wie ist die Lage?
„Wir sind mit heimischen Nahrungsmitteln und Grundnahrungsmitteln gut versorgt“, sagte Klöckner am Donnerstag in Berlin. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) präzisiert: „Es ist nicht in jedem Regal zu jeder Verkaufszeit jedes Produkt erhältlich.“Doch insgesamt sei die Lage gut. „Wenn Müsli 1 mal aus ist, gibt es auch ein Müsli 2“, sagte er. „Wir werden nicht verhungern“, betonte auch Klöckner. Man soll die „Kirche im Dorf“lassen.
Liegt das an Hamsterkäufen?
Auch. Die Vorratskäufe der vergangenen Tage haben die Lieferketten belastet, denn nicht nur beim Klopapier wurde zugegriffen. Zeitweise verkauften die Läden dreimal so viel Reis und Mehl und doppelt so viele Teigwaren wie normalerweise. Auch Milch wurde etwa doppelt so viel gekauft wie in „normalen“Wochen.
Also wird Milch teurer?
Im Gegenteil. Der Markt steht unter Druck. Das Geschäft mit gewerblichen Abnehmern, der Gastronomie und der Export sind eingebrochen. Neue Hygieneauflagen im Export, fehlende Verpackungen und fehlende Mitarbeiter belasten die Molkereien Klöckner zufolge zusätzlich.
Wo fehlen Mitarbeiter?
Allein die Landwirtschaft braucht im März schätzungsweise 30 000 Saisonarbeitskräfte aus dem Ausland, im Mai liegt der Bedarf bei 80 000. Dazu kommen Berufspendler. Nicht nur die Einreisebeschränkungen in Deutschland bremsen. Auch neue Regeln vor allem in Polen und Tschechien machen Probleme. Fährt ein in Deutschland arbeitender Pole nach Hause, muss er 14 Tage lang in Quarantäne. Bei einem Lkw-Fahrer mit festen Touren ist das fatal.
Wen treffen die Einschränkungen besonders?
Neben der Landwirtschaft besonders die Schlachthöfe, die einen hohen Anteil ausländischer Beschäftigter haben. Aktuelles Problem: Viele polnische Arbeiter wollen für Ostern nach Hause. Sie würden aber derzeit 14 Tage lang nicht zurückkommen.
Kann man den Landwirten helfen?
Da die Branche als systemrelevant gilt, gibt es viele Erleichterungen: Saisonkräfte dürfen bis zu 115 Tage sozialversicherungsfrei arbeiten, Kurzarbeiter können bis zur Höhe ihres alten Lohns zuverdienen. Für Ruheständler wurden die Grenzen gelockert, ebenso Arbeitnehmerüberlassungen erleichtert. Klöckner ermunterte Schüler zum Anpacken. „Das kann nicht schaden, so bin ich groß geworden“, sagte die im Weinbau aufgewachsene Ministerin.
Wo gibt es Angebote?
Maschinenring und Agrarministerium haben eine Internetseite namens www.daslandhilft.de gestartet, auf der sich Landwirte und Helfer finden sollen. Bislang gab es etwa 700 000 Zugriffe. Ein Hopfenbauer habe so binnen einer Stunde zehn Helfer gefunden und sei zu Tränen gerührt gewesen, sagte Klöckner.
Wo hakt es noch?
In der Logistik. Touren fallen weg, andere kommen hinzu. Wegen Grenzkontrollen und Einreisebeschränkungen muss der Gütertransport besonders flexibel arbeiten. Und die durch neue Einreiseregeln zwischenzeitlich bis zu 60 Kilometer langen Staus an den Grenzen zu Polen und Tschechien bereiten zusätzlichen Ärger. Scheuer kritisierte die Nachbarn scharf: „Das ist recht überraschend teilweise und nicht lösungsorientiert“, sagte er zu den polnischen Einreisebestimmungen. An der tschechischen Grenze sollen Pensionen für in Deutschland arbeitende Tschechen geöffnet werden.
Was ist mit Lkw-Fahrern?
Lenk- und Ruhezeiten für Lkw-Fahrer
wurden ebenso gelockert wie das Sonntagsfahrverbot oder die Vorgaben für Schulungen. An Grenzen sollen Warenspuren eingerichtet werden. Zudem verspricht Scheuer den von Rasthofschließungen betroffenen Fahrern bessere Arbeitsbedingungen. Die Anlagen von „Tank & Rast“sollen offenbleiben und Möglichkeiten zur Verpflegung und zum Ausruhen bieten. Logistikzentren sollen Fahrern Zugang zu Sanitäranlagen ermöglichen. „Ich werde nicht mehr akzeptieren, dass Brummifahrer nicht mehr gut behandelt werden“, droht Scheuer.
Gibt es weitere Ideen?
Ja. Scheuer stellte Autofahrern Kulanz bei überfälligen TÜV-Untersuchungen in Aussicht. Taxen sollen bald Medikamententransporte von der Apotheke nach Hause anbieten und Autovermietungen Autos zu einem so günstigen Festpreis an Krankenhausund Pflegepersonal vermieten, dass es für die Beschäftigten kostenlos ist.