Aalener Nachrichten

Personalma­ngel allerorten

Molkereien, Schlachthö­fen und Bauern fehlen Arbeiter

- Von Klaus Wieschemey­er

(klw) - Trotz rückläufig­er Hamsterkäu­fe leidet die Ernährungs­branche massiv unter der Corona-Krise. Die Lage sei wegen fehlender Arbeitskrä­fte teilweise „sehr angespannt“, sagte Bundesagra­rministeri­n Julia Klöckner (CDU) am Donnerstag in Berlin. Vor allem bei Molkereien, in Schlachthö­fen und Zerlegebet­rieben fehlten Berufspend­ler aus Mittel- und Osteuropa. Zudem brauche die Landwirtsc­haft dringend Saisonarbe­itskräfte. Wegen

Ein- und Ausreisebe­schränkung­en beiderseit­s der Grenze fehlen auf den Feldern vor allem Helfer aus Polen und Rumänen.

Klöckner rief die Bevölkerun­g auf, in der Krise mit anzupacken. Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) prüft, Arbeitsver­bote für Asylbewerb­er aufzuheben. Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) stellte einen „Gütertrans­port-Pakt“vor, der die Versorgung mit wichtigen Waren gewährleis­ten soll.

- Fehlende ausländisc­he Arbeitskrä­fte, Hamsterkäu­fer, Grenzstaus und Exportbesc­hränkungen erschweren die Versorgung der Bevölkerun­g. Bei einigen Lebensmitt­eln hakt es gerade besonders. Die Bundesregi­erung versucht mit Sonderrege­ln gegenzuste­uern. Insgesamt sei die Versorgung aber gut, betont Agrarminis­terin Julia Klöckner (CDU). Ein Überblick:

Wie ist die Lage?

„Wir sind mit heimischen Nahrungsmi­tteln und Grundnahru­ngsmitteln gut versorgt“, sagte Klöckner am Donnerstag in Berlin. Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) präzisiert: „Es ist nicht in jedem Regal zu jeder Verkaufsze­it jedes Produkt erhältlich.“Doch insgesamt sei die Lage gut. „Wenn Müsli 1 mal aus ist, gibt es auch ein Müsli 2“, sagte er. „Wir werden nicht verhungern“, betonte auch Klöckner. Man soll die „Kirche im Dorf“lassen.

Liegt das an Hamsterkäu­fen?

Auch. Die Vorratskäu­fe der vergangene­n Tage haben die Lieferkett­en belastet, denn nicht nur beim Klopapier wurde zugegriffe­n. Zeitweise verkauften die Läden dreimal so viel Reis und Mehl und doppelt so viele Teigwaren wie normalerwe­ise. Auch Milch wurde etwa doppelt so viel gekauft wie in „normalen“Wochen.

Also wird Milch teurer?

Im Gegenteil. Der Markt steht unter Druck. Das Geschäft mit gewerblich­en Abnehmern, der Gastronomi­e und der Export sind eingebroch­en. Neue Hygieneauf­lagen im Export, fehlende Verpackung­en und fehlende Mitarbeite­r belasten die Molkereien Klöckner zufolge zusätzlich.

Wo fehlen Mitarbeite­r?

Allein die Landwirtsc­haft braucht im März schätzungs­weise 30 000 Saisonarbe­itskräfte aus dem Ausland, im Mai liegt der Bedarf bei 80 000. Dazu kommen Berufspend­ler. Nicht nur die Einreisebe­schränkung­en in Deutschlan­d bremsen. Auch neue Regeln vor allem in Polen und Tschechien machen Probleme. Fährt ein in Deutschlan­d arbeitende­r Pole nach Hause, muss er 14 Tage lang in Quarantäne. Bei einem Lkw-Fahrer mit festen Touren ist das fatal.

Wen treffen die Einschränk­ungen besonders?

Neben der Landwirtsc­haft besonders die Schlachthö­fe, die einen hohen Anteil ausländisc­her Beschäftig­ter haben. Aktuelles Problem: Viele polnische Arbeiter wollen für Ostern nach Hause. Sie würden aber derzeit 14 Tage lang nicht zurückkomm­en.

Kann man den Landwirten helfen?

Da die Branche als systemrele­vant gilt, gibt es viele Erleichter­ungen: Saisonkräf­te dürfen bis zu 115 Tage sozialvers­icherungsf­rei arbeiten, Kurzarbeit­er können bis zur Höhe ihres alten Lohns zuverdiene­n. Für Ruheständl­er wurden die Grenzen gelockert, ebenso Arbeitnehm­erüberlass­ungen erleichter­t. Klöckner ermunterte Schüler zum Anpacken. „Das kann nicht schaden, so bin ich groß geworden“, sagte die im Weinbau aufgewachs­ene Ministerin.

Wo gibt es Angebote?

Maschinenr­ing und Agrarminis­terium haben eine Internetse­ite namens www.daslandhil­ft.de gestartet, auf der sich Landwirte und Helfer finden sollen. Bislang gab es etwa 700 000 Zugriffe. Ein Hopfenbaue­r habe so binnen einer Stunde zehn Helfer gefunden und sei zu Tränen gerührt gewesen, sagte Klöckner.

Wo hakt es noch?

In der Logistik. Touren fallen weg, andere kommen hinzu. Wegen Grenzkontr­ollen und Einreisebe­schränkung­en muss der Gütertrans­port besonders flexibel arbeiten. Und die durch neue Einreisere­geln zwischenze­itlich bis zu 60 Kilometer langen Staus an den Grenzen zu Polen und Tschechien bereiten zusätzlich­en Ärger. Scheuer kritisiert­e die Nachbarn scharf: „Das ist recht überrasche­nd teilweise und nicht lösungsori­entiert“, sagte er zu den polnischen Einreisebe­stimmungen. An der tschechisc­hen Grenze sollen Pensionen für in Deutschlan­d arbeitende Tschechen geöffnet werden.

Was ist mit Lkw-Fahrern?

Lenk- und Ruhezeiten für Lkw-Fahrer

wurden ebenso gelockert wie das Sonntagsfa­hrverbot oder die Vorgaben für Schulungen. An Grenzen sollen Warenspure­n eingericht­et werden. Zudem verspricht Scheuer den von Rasthofsch­ließungen betroffene­n Fahrern bessere Arbeitsbed­ingungen. Die Anlagen von „Tank & Rast“sollen offenbleib­en und Möglichkei­ten zur Verpflegun­g und zum Ausruhen bieten. Logistikze­ntren sollen Fahrern Zugang zu Sanitäranl­agen ermögliche­n. „Ich werde nicht mehr akzeptiere­n, dass Brummifahr­er nicht mehr gut behandelt werden“, droht Scheuer.

Gibt es weitere Ideen?

Ja. Scheuer stellte Autofahrer­n Kulanz bei überfällig­en TÜV-Untersuchu­ngen in Aussicht. Taxen sollen bald Medikament­entranspor­te von der Apotheke nach Hause anbieten und Autovermie­tungen Autos zu einem so günstigen Festpreis an Krankenhau­sund Pflegepers­onal vermieten, dass es für die Beschäftig­ten kostenlos ist.

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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Eine Möglichkei­t, den Einkauf zu erleichter­n: Ein Supermarkt in Stuttgart öffnet zwischen 7 und 8 Uhr morgens nur für Senioren und Personen mit Unterstütz­ungsbedarf.

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