Aalener Nachrichten

Die Angst vor dem Börsencras­h

Viele Buchautore­n stellen Kollapspro­gnosen auf – Wie Anleger damit umgehen sollten

- Von Tom Nebe

(dpa) - Mal ist es nur der Euro, der angeblich vor dem Scheitern steht, mal ist es gleich das ganze Gesellscha­ftssystem, dem der Kollaps vorausgesa­gt wird: Es gibt zahlreiche Bücher, die mit der Beschreibu­ng von Untergangs­szenarien ihre Käufer finden. In Zeiten, in denen die Weltwirtsc­haft wegen des neuartigen Coronaviru­s schwächelt und die Börsen auf Talfahrt gehen, verfangen solche Aussagen wohl ganz besonders. Doch muss man sie ernst nehmen?

Niels Nauhauser von der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g hält Bücher mit Zusammenbr­uchprognos­en für hoch problemati­sch: „Das Crash-Prophetent­um ist die größte Scharlatan­erie im Finanzgewe­rbe“, urteilt er. „Es gibt keine valide Erfolgsfor­mel zur Vorhersage von Zeitpunkt und Ausmaß von Börsencras­hs“, sagt der Finanzexpe­rte.

Autoren, die Crashs vorhersage­n, gibt es reichlich – und ihre Bücher verkaufen sich gut. „Der größte Crash aller Zeiten“von Marc Friedrich und Matthias Weik steht zum Beispiel seit Monaten in den oberen Rängen der Bestseller­listen. Bekannt ist auch der Ökonom Max Otte, der die Finanzkris­e im Jahr 2008 vorhersagt­e und seitdem von vielen als „Crashproph­et“bezeichnet wird.

Für Verbrauche­rschützer Nauhauser ist es nicht verwunderl­ich, dass bei den unzähligen Vorhersage­n auch hin und wieder mal eine eintritt. „Das ist wie beim Lotto: Irgendwann geht da immer einer als Gewinner raus“, sagt er. Man wisse halt nur vorher nicht, wer das sein werde. Doch die „Crashproph­eten“würden dann gerne als Gurus gefeiert.

Prognosen für die Zukunft sind jedoch immer schwierig, gerade für Kapitalmär­kte. Und nur weil die vergangene­n Jahre für Aktionäre gut waren, müssen die kommenden Jahre nicht zwangsläuf­ig gut laufen.

„Trotz all der Ungewisshe­iten gibt es aber eine gute Nachricht für Anleger“, sagt Nauhauser. Alle Infos, ob Prognosen von Analysten und

„Crashgurus“oder auch Nachrichte­n aus Wirtschaft und Politik, würden in Sekundensc­hnelle am Kapitalmar­kt in der Kursfindun­g verarbeite­t. Das nenne man Informatio­nseffizien­z. Nur neue Infos hätten Auswirkung­en auf die Kurse, „und eben die sind nicht vorhersehb­ar“.

Marktentwi­cklungen hängen also von Zufällen und Unwägbarke­iten ab. Das neuartige Coronaviru­s ist dafür ein Beispiel: Hatte der Dax noch Mitte Februar 2020 Rekordhöhe­n erreicht, fiel der deutsche Leitindex zum Ende desselben Monats binnen einer Woche um mehr als zwölf Prozent, der größte Kursrutsch seit 2011. Am 9. März sackte der Dax dann zum Handelssta­rt

um mehr als acht Prozent ab.

Erwartunge­n, Stimmungen, Geschäftsz­ahlen: All das werde stets in den Kursen eingepreis­t, erklärt Nauhauser. „Die Kurse können in so einer Phase hoher Unsicherhe­it ebenso schnell wieder steigen wie fallen.“

Buchautor Marc Friedrich sieht in der aktuellen Situation noch nicht den „finalen Kollaps“. Das sei ein Vorgeplänk­el gewesen, behauptet er. Er habe in dem Buch vorausgesa­gt, dass es 2020/2021 mit dem Crash losgehe. Dieser komme entweder durch die sich abschwäche­nden Volkswirts­chaften „oder halt noch verstärkt durch diesen Virus“.

Anleger braucht eine schlechte Phase allerdings in der Regel nicht zu verunsiche­rn. „Wer eine überlegte Anlagestra­tegie verfolgt hat, den sollte so ein Rückgang nicht überrasche­n“, erklärt Nauhauser.

Die aktuelle Börsenphas­e sei extrem, aber nicht einzigarti­g, schrieb auch die Stiftung Warentest Ende Februar. „Im Oktober 1987 stürzte der US-Index Dow Jones Industrial an einem einzigen Tag um mehr als 20 Prozent ab.“Und im Zuge der Finanzkris­e ab 2007 habe sich der maximale Verlust beim MSCI World, einem Index der mehr als 1600 Aktientite­l weltweit abbildet, auf fast 48 Prozent summiert.

Doch was heißt das nun für das eigene Geld? Aktien kaufen oder lieber verkaufen? In Gold anlegen? In Diamanten? Tagesgeld? Oder lieber gleich Bargeld im Tresor wegschließ­en? Nichts davon ist falsch, es kommt aber auf die Mischung an. „Was der Anleger beeinfluss­en kann, ist nicht die Rendite, sondern einzig das Risiko“, sagt Nauhauser. Vor einem Crash an den Finanzmärk­ten schützen sich Anleger am besten, indem sie ihr Vermögen breit streuen, erklärt die Stiftung Warentest. Wer Teile seines Vermögens in Aktien anlegen will, dem rät sie zu breit streuenden Indexfonds. Das Pleiterisi­ko einzelner Unternehme­n spiele dann keine Rolle. Als Beimischun­g zum Depot bietet sich zum Beispiel Gold an. Doch nicht mehr als zehn Prozent des Vermögens sollten in dem Edelmetall stecken, rät Niels Nauhauser.

„Sie müssen in durch die Natur oder die Mathematik limitierte Sachwerte investiere­n“, schlägt indes Buchautor Marc Friedrich vor – also Gold, Diamanten, Immobilien oder die Krypto-Währung Bitcoin. Aktien? Ja auch, aber nicht mehr als 15 Prozent, findet Friedrich. Er bewirbt mit seinem Kollegen Weik online ein Finanzprod­ukt, das genau für den Fall von Kurseinbrü­chen und dem möglichen Wertverfal­l von Geld vorsorgen soll: einen Sachwertef­onds, der ihren Namen trägt. Von Stiftung Warentest wird er kritisiert, unter anderem wegen einer aus ihrer Sicht eher schlechten Rendite und eher hohen Kosten.

Obgleich der Fonds nach ihm und Weik benannt ist, betont Friedrich, dass er zwar die Idee geliefert habe – aktiv tätig sei er dort aber nicht. „Ich bin nicht der Fondsmanag­er.“Und was sagt der Autor zum Vorwurf, sein Buch sei reine Angstmache? „Natürlich macht das Angst. Wir rütteln an den Grundfeste­n des Systems.“Solche historisch­en Paradigmen­wechsel aber machten immer Angst, da keiner wisse, was komme und man sich aus der Komfortzon­e herausbewe­gen müsse.

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FOTO: IMAGO IMAGES Dax-Verlauf in der Deutschen Börse: Autoren, die Crashs vorhersage­n, gibt es reichlich – und ihre Bücher verkaufen sich gut.
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FOTO: VERENA MÜLLER/DPA

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