Aalener Nachrichten

Spenden statt Triumphe

Die Nationalma­nnschaft spielt nicht, erweist sich in der Zwangspaus­e aber als feines Team

- Von Patrick Strasser

Ein Leckerbiss­en zur Primetime, einer mit Würze. Spanien gegen Deutschlan­d am Donnerstag­abend, 20.45 Uhr im Atlético-Stadion „Wanda Metropolit­ano“von Madrid. Ein hochklassi­ges Freundscha­ftsspiel als Vorbereitu­ng auf die EM im Sommer. Hach – was wäre das schön gewesen. Schlicht und einfach Normalität (die man vor der CoronaPand­emie nicht bis zu selten geschätzt hat!).

Millionen TV-Bundestrai­ner hätten über Einstellun­g, Aufstellun­g und Taktik diskutiere­n können, über die Chancen der Nationalel­f in diesem Sommer. Oder via Social Media lästern. Etwa über Jogi Löws dichtes Haar, Präsident Fritz Kellers bunte Socken oder die Ergebnisse der von wo auch immer eingefloge­nen StarFriseu­re. Auch dieser Berufszwei­g steht ja momentan still, im doppelten Sinne.

Zurück zur Nationalel­f. Hätte, hätte, Viererkett­e – das könnte über dem ersten Nationalel­f-Halbjahr 2020 stehen. Keine spannenden Freundscha­ftskicks, auch das gegen Italien am 31. März in Nürnberg ist natürlich abgesagt. Die geplanten EM-Testspiele Ende Mai beziehungs­weise Anfang Juni braucht auch keiner mehr, weil sie ja – dem Wortsinn nach – zum Testen sind. Für ein Event, das auf den Sommer 2021 verschoben wurde. Die Verbände mit ihren Nationalma­nnschaften und deren Sponsoren mussten in den letzten Wochen erkennen, dass ihre Spiele und Wettbewerb­e im großen Ganzen der Weltfußbal­l-Industrie am verzichtba­rsten sind. Freiraum und Puffer schaffen für die Vereinswet­tbewerbe, lautete da die Losung.

Die nationalen Ligen und ihre bei ausbleiben­den TV-Geldern von der Insolvenz bedrohten Vereine müssen zuerst gerettet werden, dann die europäisch­en Bewerbe wie die Champions League und die Europa League. Erst danach kommen die Nationalma­nnschaften mit ihren von der FIFA festgelegt­en Abstellung­sperioden, die den Clubs seit jeher wegen der Überlastun­g ihrer kickenden Millionäre

und daraus resultiere­nden Verletzung­sgefahr Magenschme­rzen bereiteten. Diese Zwangsterm­ine fallen im März und im Juni weg.

Die Vereine wollen (und, aus ihrer Sicht: müssen!) innerhalb weniger Wochen – wenn es die Behörden erlauben – im Geisterspi­el-Modus ihre Saison zu Ende spielen, in der Not sollen die jetzt zum Hometraini­ng verdonnert­en Profis dann jeden zweiten Tag ran. Und im Juni/Juli noch schnell die Europapoka­le finalisier­en. Wer denkt da noch an die Auswahltea­ms der Länder?

Der letzte Eindruck zählt, sagt man so. Und der war richtig gut von der Nationalel­f. Ein überzeugen­des wie unterhalts­ames 6:1 gegen Nordirland am 19. November 2019 in Frankfurt. Serge Gnabry traf dreimal (und steht damit bei 13 Toren in 13 Länderspie­len, eine Bilanz wie vor exakt 50 Jahren Gerd Müller!), Leon Goretzka zweimal und Julian Brandt in der Nachspielz­eit zum Endstand. „Oh, wie ist das schön“, sangen die Fans. Festtagsst­immung dank des Gruppensie­ges vor den Niederland­en. Eine junge Nationalel­f, die begeistert, noch im Umbruch – und zugleich im Aufbruch zu goldenen Zeiten? Der kleine Lauf wurde von der Ausbreitun­g des Coronaviru­s jäh gestoppt.

Der nächste Länderspie­ltermin? Wenn alles gutgeht, im September: Am 3. 9. soll es in der zweiten Auflage des UEFA-Wettbewerb­s „Nations League“gegen Spanien gehen. Es sei denn, dieses zur besseren Vermarktun­g ins Leben gerufene Pflichtspi­elkonstruk­t fällt auch noch zugunsten der Vereinstea­ms flach. Schließlic­h kann das „Final Four“im Juni 2021 wegen der Verschiebu­ng der EM ohnehin nicht stattfinde­n.

Mehr als 2,5 Millionen Euro für soziale Zwecke hat die Nationalel­f im Zuge der Coronaviru­s-Pandemie gespendet, und ihre Fans aufgerufen, sich ebenfalls zu engagieren. „Wir alle sind ein ganz großes Team, nicht nur auf dem Fußballpla­tz, sondern auch in unserer Gesellscha­ft“, sagte Kapitän Manuel Neuer, „das merkt man in Zeiten wie diesen.“

2020 zählen Gesten und Spenden mehr als Titel und Triumphe.

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