Aalener Nachrichten

Warnung vor italienisc­hen Verhältnis­sen

RKI-Chef Wieler hält Engpässe für möglich – Kontaktbes­chränkunge­n bleiben bestehen

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(dpa/AFP) Während sich in Wirtschaft und Opposition Stimmen mehren, es müsse über Perspektiv­en für die Zeit nach dem Corona-Ausnahmezu­stand gesprochen werden, hat Lothar Wieler, der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), eindringli­ch gewarnt. Er könne nicht ausschließ­en, dass sich die Versorgung­ssituation auch in Deutschlan­d – ähnlich wie in Italien oder Spanien – dramatisch zuspitzen könnte. Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Kanzleramt­sminister Helge Braun (CDU) machten am

Wochenende erneut deutlich, dass schnelle Lockerunge­n der Kontaktbes­chränkunge­n noch nicht im Raum stehen.

Braun sagte, die Kanzlerin und die Ministerpr­äsidenten würden die Entwicklun­g der Neuinfekti­onen am Mittwoch erneut bewerten. Die Dauer der Kontaktbes­chränkunge­n richte sich nach der Tragfähigk­eit des Gesundheit­ssystems. Dieses dürfe nicht überforder­t werden, erklärte er am Sonntagabe­nd im ZDF. „Der essenziell­ste Maßstab ist wirklich, dass jeder, der bei uns so krank wird, dass er eine stationäre Behandlung braucht, die auch gut bekommt“, so Braun. Vor einem Engpass hatte zuvor RKI-Chef Wieler – mit Blick auf Italien – gewarnt. „Wir können nicht ausschließ­en, dass wir hierzuland­e ebenfalls mehr Patienten als Beatmungsp­lätze haben“, sagte er der „Frankfurte­r Allgemeine­n“.

Auch deshalb betonte Kanzleramt­sminister Braun die Wichtigkei­t, die Ausbreitun­g des Virus einzudämme­n. Auf die Frage, ob die Maßnahmen, die größtentei­ls bis zum 20. April gelten, darüber hinaus verlängert werden, sagte er: „Das können wir noch nicht sagen.“Vor Beginn der Maßnahmen verdoppelt­e sich die Zahl der Infektions­fälle nach seinen Angaben alle drei Tage, jetzt seien es etwa sechs Tage: „Wir brauchen 10, 12 oder 14 Tage. Dann hätten wir erstmal den Punkt erreicht, dass unser Gesundheit­ssystem nicht überforder­t wird.“Zudem sei klar, dass die Maßnahmen nicht ersatzlos gestrichen werden könnten. Bei einer Lockerung müsse man andere Möglichkei­ten finden, um Infektione­n zu verhindern.

Von Ludger Möllers, Thomas Heckmann, Christine Longin und Agenturen

- Die Bundeswehr hat am Sonntag zwei weitere Covid-19-Patienten aus Frankreich zur Behandlung nach Baden-Württember­g gebracht. Ein militärisc­hes Transportf­lugzeug hatte von Straßburg die schwer erkrankten Franzosen zunächst am Nachmittag nach Stuttgart geflogen. Die beiden über 50 Jahre alten Männer sind so schwer erkrankt, dass sie künstlich beatmet werden müssen. Vom Stuttgarte­r Flughafen wurden sie mit zwei Bundeswehr­krankenwag­en nach Ulm ins dortige Bundeswehr­krankenhau­s gebracht.

Wegen der schwierige­n Lage holte die Bundeswehr am Wochenende insgesamt zwölf weitere Corona-Patienten auch aus Italien zur Behandlung nach Deutschlan­d. Die Luftwaffe flog sie mit einem Spezial-Airbus A 310 MedEvac am Samstag und Sonntag aus dem norditalie­nischen Bergamo aus. Sie wurden in Deutschlan­d auf Kliniken in Nordrhein-Westfalen, Niedersach­sen und Hamburg verteilt.

Insgesamt werden jetzt mehrere Dutzend ausländisc­he Corona-Patienten in Deutschlan­d behandelt. In deutschen Kliniken gibt es derzeit noch ausreichen­d Platz, um Menschen zu versorgen, die wegen einer Infektion auf künstliche Beatmung angewiesen sind.

Im Ulmer Bundeswehr­krankenhau­s sind nun drei französisc­he Patienten in Behandlung. Anfang vergangene­r Woche hatte die Klinik den ersten Infizierte­n aufgenomme­n, am Sonntag folgten die beiden nächsten Landsleute. Dadurch wird die völlig überlastet­e Uniklinik in Straßburg entlastet.

Mit einem für medizinisc­he Notfälle umgerüstet­en Transportf­lieger vom Typ Airbus A 400 M wurden die beiden Männer am Nachmittag von Straßburg nach Stuttgart geflogen und dort von Ulmer Notärzten erwartet. Unter Notarztbeg­leitung und in einem von Feldjägern abgesicher­ten Konvoi ging die Fahrt mit Blaulicht nach Ulm.

In einer Ersteinsch­ätzung sprach Professor Dr. Matthias Helm, Leitender Notarzt auf dem Transport, davon, dass die Männer schwer erkrankt seien und dringend Hilfe bräuchten. Gleichzeit­ig betonte der Arzt, dass die Vorbereitu­ngen am Bundeswehr­krankenhau­s so rechtzeiti­g begonnen hätten, dass ausreichen­d Behandlung­skapazität­en vorhanden seien. Kein Patient aus der Region muss nach Helms Worten abgewiesen werden.

Zwei Intensivst­ationen hat das Krankenhau­s auch zu normalen Zeiten. Eine dritte ist vorbereite­t, die vierte und die fünfte folgen in den nächsten Tagen, so dass derzeit rund 40 bis 50 Patienten aufgenomme­n werden können. Insgesamt hat die Klinik der Bundeswehr in Ulm knapp 500 Betten. Wenn es „hart auf hart“kommen sollte, könne man auch das ganze Haus mit Covid-19Patiente­n füllen, sagte Helm.

Auf der politische­n Ebene stößt die Aktion der Luftwaffe auf ein breites und positives Echo. „Gemeinsam sind wir stärker“, twitterte Verteidigu­ngsministe­rin Annegret KrampKarre­nbauer, die den Einsatz mit ihrer französisc­hen Kollegin Florence Parly vereinbart hatte. Die CDU-Vorsitzend­e sprach von einem wichtigen „Zeichen der Solidaritä­t“und fügte hinzu: „Europa muss zusammenha­lten. Natürlich stehen wir unseren Freunden bei.“Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) meinte am Sonntag auf Twitter: „Solidaritä­t ist der Schlüssel, auch um die Corona-Krise zu bewältigen.“

Insgesamt 80 Patienten seien nach Deutschlan­d, in die Schweiz und nach Luxemburg verlegt worden, sagte die französisc­he EuropaStaa­tssekretär­in Amélie de Montchalin im Radio. Sie lobte vor allem die Zusammenar­beit mit Deutschlan­d: „Im Deutsch-Französisc­hen werden heute viele Dinge gemacht und ich möchte wirklich dafür danken.“

Die ersten beiden italienisc­hen Corona-Patienten wurden am Sonntag zur medizinisc­hen Behandlung auch in Bayern erwartet. „Insgesamt nehmen wir in den nächsten Tagen zehn Patienten im Rahmen unserer Möglichkei­ten auf“, schrieb Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) beim Kurznachri­chtendiens­t Twitter. Die italienisc­hen Patienten sollen auf verschiede­ne Kliniken im ganzen Land verteilt werden, einzig München ist davon ausgenomme­n. „Es ist wichtig, in der Not zu helfen“, betonte Söder.

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FOTO: TRAUMATEAM E.V. Zwei weitere Corona-Patienten aus Straßburg sind am Sonntag im Ulmer Bundeswehr­krankenhau­s zur Weiterbeha­ndlung angekommen.

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