Ein Ostersonntag zwischen Bomben und Bangen
Vor 75 Jahren hat Aalen mit die schwersten Luftangriffe des Zweiten Weltkriegs erlebt.
– Heute vor 75 Jahren, am 1. April, war Ostersonntag. Doch von Festesfreude keine Spur. Denn heute vor 75 Jahren hat Aalen mit die schwersten Luftangriffe des Zweiten Weltkriegs erlebt.
Für die Betroffenen war es ein Ostern zwischen Bomben und Bangen. An diesem Sonntag und am darauffolgenden Ostermontag haben amerikanische Jagdbomber Ziele in der Stadt angegriffen. Es waren die letzten Tage eines furchtbaren, mörderischen Weltkriegs. Seinen schwärzesten Tag erlebte Aalen am
17. April. Zeugen sprachen sogar von den schlimmsten Tagen und Stunden des Jahrhunderts, als ein schwerer Bombenangriff der amerikanischen Luftwaffe mit massiven Attacken Tod und Zerstörung über die Stadt brachte. Aus den Kellern hörte man die Hilferufe der Verschütteten. Am
23. April war der Krieg in Aalen mit dem Einmarsch der Amerikaner endgültig zu Ende.
Aber ehe es soweit war, mussten die Menschen noch viel erleiden. Am Nachmittag des Ostersonntags vor 75 Jahren, so hat es Hugo Theurer in einer 1951 erschienen Schrift festgehalten, attackierte eine Gruppe von Fliegern die Stadt eine viertel Stunde lang mit ihren Bordwaffen. Den großen, trockenen Gaskessel in Bahnhofsnähe schossen sie mit 30 Einschüssen in Brand, sodass er außer Betrieb genommen werden musste. Bis zur Übergabe der Stadt drei Wochen später erhielt er übrigens rund 800 Treffer bei mehrmaligen Angriffen.
Am Ostermontag, 2. April, tauchten am Aalener Himmel morgens erneut Jagdbomber auf. Sie hatten es vor allem auf den Bahnhof abgesehen. Theurer berichtet: „Eine Bombe durchschlug das ganze Staatsgebäude Nummer 11 in der Braunenstraße und landete im Keller in einer Matratze, ohne zu krepieren. Eine zweite Bombe krepierte im Hof desselben Hauses und richtete einigen Schaden an.“
Die nächste Attacke galt nachmittags einem zwischen Aalen und Wasseralfingen abgestellten Zug. Eine Maschine wurde bei der „Neuen Welt“so getroffen, dass sie nicht mehr einsetzbar war. Zwischen Unterkochen und Oberkochen wurde ein Transportzug mit politischen Häftlingen mit Bordwaffen beschossen. Zwei Tote waren zu beklagen, es gab mehrere Verletzte.
Den größten Teil des Krieges, berichtet Theurer, war Aalen von direkten Einwirkungen verschont geblieben. Der Kriegsbeginn am 1. September war sogar vergleichsweise unspektakulär gewesen. „Man hat es nicht so ernst genommen“, hat der spätere Aalener Baubürgermeister Heinz Holzbaur später einmal berichtet. „Es war eine freundliche Kenntnisnahme, aber keine Begeisterung.“Die Stimmung beim Überfall auf Polen sei noch optimistisch gewesen, erinnerte sich der heute 92-Jährige. Er selbst wurde einige Jahre später als junger Oberschüler als Flakhelfer und als Soldat eingesetzt.
Allerdings hatte Aalen schon vor Kriegsbeginn militärische Bedeutung gehabt durch den Bau und die Einrichtung der Remonte, einer sogenannten Wehrkreis-Reit- und Fahrschule. Außerdem haben sich in der Stadt an der Ulmer Straße ein Heeres-Verpflegungsamt, heute noch als Proviantamt bekannt und zivil genutzt, und ein Heeresbekleidungsamt an der Oberen Bahnstraße, besser bekannt als Zeugamt, befunden. Gleich zu Beginn des Krieges habe es in Aalen aber auch Panik gegeben, wie die Lehrerin E. Scheuerle 1957/58 weiter niedergeschrieben hat, denn Textilien und Schuhe seien sofort bezugsscheinpflichtig geworden. Mit Lebensmittelkarten dagegen sei anfangs noch recht gut auszukommen gewesen. Die Industrie sei fast durchweg auf Kriegswirtschaft umgestellt worden. Die Aalener Erzgrube, die 1887 geschlossen worden war, wurde wieder in Betrieb genommen. Die Gartenschule, berichtet sie weiter, sei während des ganzen Kriegs mit einer Abteilung der Landesschützen belegt gewesen. Umsiedler aus Rastatt seien für vier Wochen, eine Duisburger Mädchenschule ab 1943 bis Kriegsende nach Aalen gekommen.
Anfang der 40er Jahre nahm in Wasseralfingen die Zahl der Kriegsgefangenen und deportierten Fremdarbeiter ständig zu. Russen, Franzosen, Belgier und Italiener wurden gezwungen, bei den Schwäbischen Hüttenwerken und der Maschinenfabrik Alfing Kessler zu arbeiten. „In beiden Betrieben lief die Produktion auf Hochtouren“, schreibt der frühere Stadtarchivar Karlheinz Bauer im Aalener Jahrbuch 1984, „die Firma Alfing Kessler gehörte zur kriegswichtigen Industrie.“Gegen Kriegsende entstand in Wasseralfingen ein neues Lager, eine Außenstelle des Konzentrationslagers Natzweiler im Elsass.
Damals waren bereits Männer von der Ostalb an den verschiedensten Fronten eingesetzt und sind dort gestorben. Im November 1943 kamen zehn Mitglieder der deutschen Wehrmacht bei einem Flugzeugabsturz über der Stadt ums Leben. Genau ein Jahr später, im November 1944, gingen die Amerikaner und ihre Verbündeten Theurer zufolge dazu über, Maschinen und Maschinenpersonal zu beschießen und so den Eisenbahnverkehr lahmzulegen. Ab diesem Zeitpunkt rückte der Krieg für die Aalener immer näher. Er machte sich zur Jahreswende 1944/45 und in den ersten Monaten des Jahres 1945 auch in der Stadt und in der Region immer massiver bemerkbar.
In der Nacht vom 13. auf den 14. Januar war acht Stunden Fliegeralarm: Geschwader um Geschwader überflog laut Theurer die Stadt, allerdings ohne Bomben abzuwerfen. Viele Einwohner saßen in den Kellern oder flüchteten in die Wälder. Am 20. Februar waren erstmals der Bahnhof, die Brauerei Kopf und die Remonteschule das Ziel eines Fliegerangriffs. Dabei gab es einen Toten, zwei Tankwagen und einige Lokomotiven wurden beschädigt. Ab 12. März dauerte der Unterricht nur von 8.30 bis 10 Uhr, am 31. März machten die Schulen wegen der Fliegerangriffe ganz zu.
Theurer berichtet, dass ab diesem Zeitpunkt die Jagdbomber fast täglich über der Stadt waren. Allerdings sei der Luftschutz – vorwiegend mit Frauen – gut organisiert gewesen. Die Menschen seien auf die Fliegerangriffe vorbereitet worden. Wenn die Sirenen warnten, hätten viele trotz der kalten Nächte in den Wäldern Schutz gesucht. Die Feuerwehr aber hatte nach diesen Berichten Probleme, den Betrieb aufrecht zu erhalten, denn die Männer wurden zum Militär eingezogen.
Den Angriffen am Ostersonntag vorausgegangen war am Karfreitag, 30. März, der Bau von Panzersperren. Aalen wurde an 20 Stellen vermeintlich panzerfest abgeriegelt. Auf die geplante Verteidigung der Stadt sollen die Amerikaner reagiert haben – mit Luftangriffen.