Alois Rettenmaier und die Sonne
Der Lauchheimer ist kreativ im Rollstuhl und mäht mit eigener Konstruktion den Rasen
- Ein sonniger Märztag: Wer einen Garten hat, drängt hinaus, und manche mähen ihren Rasen zum ersten Mal in diesem Jahr – auch Alois Rettenmaier. Nichts Besonderes, doch bei Rettenmaier schon, denn er ist Rollstuhlfahrer und bewegt den Akkurasenmäher mit eigener Muskelkraft.
Hierzu hat er den Rasenmäher mit sich „ins Joch genommen“, in diesem Fall über einen Stab an seinen Rollstuhl angelenkt und bewegt diese Koppelung vorwärts. Ein Leichtes wäre es dem 56-jährigen Maschinenbautechniker und Konstrukteur, einen Rasenroboter laufen zu lassen. Doch er will diesen Handantrieb, auch um seine Armmuskeln zu trainieren. Alles nur Denkbare bewegt er aus dem Rollstuhl heraus seit bald 23 Jahren, nachdem er aus einer Narkose erwacht und von einem Arzt unverblümt zu hören bekam: „Herr Rettenmaier, Sie werden zukünftig an den Rollstuhl gebunden sein.“
Es ist der 3. Oktober 1997, Obsternte auf dem elterlichen Sonnenhof. Alois Rettenmaier steht auf einer Leiter. Sie ist an einen Ast am Hochstammapfelbaum angelehnt. Der Ast bricht. Beim Sturz wird sein erster Lendenwirbel irreparabel verletzt. Mit seiner Frau Monika, examinierte Krankenschwester, hat er begonnen ein Haus zu bauen. Ihre drei Töchter, Melanie (11), Vera-Lisa (8) und Sandra (4) freuen sich auf das neue Zuhause. Doch dann müssen die Eltern umbauen, „barrierefrei am Hang“, ein Anbau mit Aufzug. Bis zum Einzug soll der verunglückte Vater noch eine harte Lebens- und Überlebensschule absolvieren.
Der Operation in der Uniklinik in Ulm, wohin ihn der Rettungshubschrauber gebracht hat, folgt ein längerer Aufenthalt in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik in Tübingen. „Die aufopfernde Fürsorge meiner Monika hat mich gerettet und uns als Familie gestärkt“, bekennt Alois Rettenmaier und berichtet von Tübingen. Ein Afrikaner aus dem ehemaligen Zaire, heute Kongo DRC, liegt mit Alois im Vierbettzimmer und ist selbst mit einer spinalen Lähmung behaftet. Er beobachtet, wie Alois nachdenklich in die Sonnenstrahlen
blickt und sagt: „Alois, das ist deine Sonne.“Das blieb haften und auch „die afrikanische Fröhlichkeit dieses Mannes hat uns gutgetan“.
Ein Ellwanger Maschinenbauer, bei dem Alois Rettenmaier beschäftigt war, als ihn sein Schicksal ereilte, konnte und wollte damals keinen Rollstuhlfahrer weiterbeschäftigen. Dafür aber fand er Aufnahme im Team des Lauchheimer Sondermaschinenbauunternehmens von Waldemar Kiener. Alois Rettenmaier wurde letztes Jahr über die unabhängige Bürgerliste in den Lauchheimer Gemeinderat gewählt und dass ihm
„die Sonne“am Herzen liegt, war in einer Sitzung zur Vergabe der neuen Mehrzweckhalle zu hören, als er bedauerte, dass diese zunächst keine Photovoltaik erhalten wird.
Ganz anders ist das bei Alois Rettenmaier in seinem Haus nahe des elterlichen Sonnenhofs. Seinem VierKilowattstunden-Photovoltaik-Speicher hat er den seines elektrischen Smarts parallelgeschaltet und die Kapazität erweitert. So erfreut er sich eines stets vollen Tanks für Haus und Auto, und eine Erweiterung der Photovoltaik wird gerade erprobt. In der Stadt sieht man ihn meist mit seinem Handbike, und beim Ellwanger TSV zählt er zu den Rollis, den Rollstuhlbasketballspielern.
Nicht zuletzt – und das ist Alois Rettenmaier in diesen Tagen des Hoffens auf eine Bewältigung der Corona-Pandemie besonders wichtig – ist es sein tiefer Glaube, der ihn trägt. Er zählt zu den treuen Kirchgängern in Sankt Petrus und Paulus und war bis zu seinem Unfall 15 Jahre lang begeisterter Sänger im Kirchenchor. Er legt das Evangelium von den ängstlichen Jüngern mit Jesus im Boot aus und fasst sein Credo zusammen mit Psalm 23: „Gott ist mein Hirte mir wird nichts mangeln.“