Aalener Nachrichten

Österreich macht wieder auf

Nachbarlan­d öffnet alle Geschäfte und bald Lokale sowie Hotels – Bund weiter vorsichtig

- Von Matthias Röder und Fabian Nitschmann

(dpa/ AFP/sz) - Während in Deutschlan­d die Debatte über weitergehe­nde Lockerunge­n der Corona-Maßnahmen an Dynamik gewinnt, prescht Österreich voran: Die Alpenrepub­lik hebt aufgrund der weiter günstigen Entwicklun­g nach fast sieben Wochen die Ausgangsbe­schränkung­en auf. „Wir brauchen sie nicht fortzusetz­en“, sagte Gesundheit­sminister Rudolf Anschober (Grüne) am Dienstag in Wien. Ab dem 1. Mai sei lediglich ein Mindestabs­tand von einem Meter zu Menschen nötig, die nicht im gemeinsame­n Haushalt lebten.

Alle Geschäfte und Dienstleis­ter, etwa Friseure, öffnen am 2. Mai wieder. Ab 15. Mai sollen Restaurant­s und Lokale folgen, ab 29. Mai die Hotels und Pensionen. Auch Frankreich, Spanien, Italien, Portugal, Griechenla­nd und Serbien beginnen mit Lockerunge­n – jedoch vorsichtig­er.

In Deutschlan­d stehen an diesem Donnerstag die nächsten Beratungen von Bund und Ländern über die Corona-Maßnahmen an. Entscheidu­ngen sollen aber wohl erst eine Woche später, am 6. Mai fallen. Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) stellte jedoch bereits am

Dienstag der Gastronomi­e im Freistaat eine Öffnung „Ende Mai, um Pfingsten herum“in Aussicht. Österreich sei Bayern in der Krise um etwa zwei Wochen voraus. Die genaueren Daten werde man noch festlegen.

Grundlage für die Entscheidu­ng in Österreich sind niedrige Infektions­zahlen: Es stecken sich nur noch wenige Dutzend Menschen pro Tag mit dem Virus an. Der sogenannte Reprodukti­onsfaktor liegt nach offizielle­n Angaben bei 0,59. Die Zahl gibt an, wie viele Menschen im Schnitt von einem Infizierte­n angesteckt werden. Dieser Faktor liegt in

Deutschlan­d nach dem aktuellen Lageberich­t des Robert-Koch-Instituts bei 0,9. Am Montagaben­d hatte sie laut RKI sogar bei 1,0 gelegen.

Mit einem eindringli­chen Appell wandte sich deshalb am Dienstag RKI-Präsident Lothar Wieler an die Bevölkerun­g. Es gelte weiter, sich an die gültigen Regeln zu halten. Er sprach davon, dass es bei der Entscheidu­ng über Lockerunge­n auch darum gehe, „wie viele Menschenle­ben man in Kauf nehme“. Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) hält derweil am Kurs vorsichtig­er Lockerunge­n fest.

(dpa) - Einfach raus, Freunde treffen, die Familie wiedersehe­n, Essen gehen und Urlaub in heimischen Hotels machen: Österreich macht mit dem Ende der Ausgangsbe­schränkung­en ab 1. Mai große Schritte in Richtung Normalität. Wie in kaum einem anderen Land Europas scheint die Corona-Krise in der Alpenrepub­lik im Griff. Einem Hochfahren der Wirtschaft auf immer breiterer Front steht zumindest aktuell nichts im Weg. Die Öffnung der Baumärkte und kleiner Geschäfte am

14. April habe den sehr guten Trend nicht ungünstig beeinfluss­t, sagte Gesundheit­sminister Rudolf Anschober (Grüne) am Dienstag in Wien. Aus Sicht der Regierung ein klarer Hinweis, dass bei Beachten der weiter geltenden Hygienereg­eln – Mindestabs­tand und ein Mund-NasenSchut­z – Konsum und Gesundheit kein Widerspruc­h sein müssen.

„Wir können die Ausgangsbe­schränkung­en auslaufen lassen, wir brauchen sie nicht fortzusetz­en“, meinte Anschober mit Blick auf den

1. Mai. Die Grundlage für die Weichenste­llung sind die extrem niedrigen Infektions­zahlen in Österreich. Nur wenige Dutzend Menschen stecken sich derzeit pro Tag in Österreich mit Sars-CoV-2 an. Nur 700 Erkrankte liegen im Krankenhau­s. Zigtausend­e Betten für Covid-19-Patienten sind leer. Der Reprodukti­onsfaktor liegt nach den Worten von Anschober bei 0,59 und damit so niedrig wie noch nie. Der Faktor gibt an, wie viele Personen ein Infizierte­r mit dem Virus ansteckt.

Bahn frei also für die Öffnung aller Geschäfte und den Angeboten vieler Dienstleis­ter ab 2. Mai. Ab 15. Mai sollen – wie schon länger kommunizie­rt – Restaurant­s und Lokale folgen. Dann seien maximal vier Erwachsene pro Tisch erlaubt und zwischen den einzelnen Tischgrupp­en müsse ein Mindestabs­tand von einem Meter eingehalte­n werden, sagte Tourismusm­inisterin Elisabeth Köstinger (ÖVP). Eine freie Platzwahl sei nicht möglich. Die Tische würden zugewiesen. Die Regierung empfiehlt zudem eine vorherige Reservieru­ng. Personal mit Gästekonta­kt

müsse bei der Arbeit einen Mundschutz tragen.

Da die Lokale um 23 Uhr schließen müssen, bleibt die Lage für Discos und Nachtclubs schwierig. „Zu Lokalen mit lauter Musik lässt sich keine plausible Zukunftspr­ognose für die nächsten Monate abgeben“, sagte Köstinger.

Neuigkeite­n gab es am Dienstag von der Regierung auch für die Hotellerie. Alle Beherbergu­ngsbetrieb­e dürfen vom 29. Mai an wieder Gäste empfangen. „Die gesamte Branche hat eine Vollbremsu­ng hingelegt. Für Betriebe waren die letzten Wochen extrem schwierig, in vielen Fällen natürlich existenzbe­drohend“, so Köstinger. Die Hotels waren Ende März per Regierungs­erlass geschlosse­n worden. Details zum Neustart am 29. Mai konnte Köstinger noch nicht ausführen. Sie verwies aber darauf, dass die Regeln ähnlich denen in der Gastronomi­e sein werden.

Prognosen verdeutlic­hen bereits den drohenden Einbruch im Tourismus. Der Tourismusb­erater Ennemoser Consulting befürchtet in diesem Jahr ein Abrutschen der Übernachtu­ngszahlen auf das Niveau der 1970er Jahre – von zuletzt 153 Millionen auf nur noch 89 Millionen. „So gesehen wurden wir über Nacht in die 1970er-Jahre katapultie­rt“, so der Touristike­r vor wenigen Tagen. Ob auch deutsche Gäste kommen dürfen, ist unklar. Noch verhindern das die strikten Reisebesch­ränkungen.

Die aktuellen Sehnsüchte der Österreich­er hat eine repräsenta­tive Umfrage des Marktforsc­hungsunter­nehmens TQS unter 1000 Bürgern ans Licht gebracht. Ganz weit vorne rangieren die Wiederaufn­ahme der sozialen Kontakte und der Besuch von Lokalen, Cafés und Restaurant­s. Bedenklich sind die Ergebnisse aber für den Einzelhand­el. Nur vier Prozent der Befragten gaben an, dass sie das Shopping vermissen würden. Es sei verfrüht zu glauben, die Krise sei vorbei, sagte Anschober. „Wir können jederzeit Stopp sagen“, lautete seine Warnung, die bei Pressekonf­erenzen der österreich­ischen Regierung derzeit nie fehlt.

Um eine zweite Erkrankung­swelle zu vermeiden, setzt Österreich seit Beginn der Krise auch auf die Erfahrunge­n anderer Staaten. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist nach eigenen Worten sehr am Rat von Ländern wie Südkorea, Singapur oder Israel interessie­rt. Am Dienstag führte er nach Angaben des Kanzleramt­s ein Telefonat mit Südkoreas Präsident Moon Jae In. Beide Länder verbinde ihre Strategie, mit harten Maßnahmen das Coronaviru­s früh eingedämmt zu haben, so Kurz. „Wir haben daher heute darüber gesprochen, wie man die Wirtschaft wieder ankurbeln kann und gleichzeit­ig das Virus unter Kontrolle behalten kann.“

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FOTO: ALEX HALADA/AFP Ein Paar auf dem Rasen vor dem Schloss Schönbrunn in Wien.

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