Wie schädlich ist der Biber?
Wildtiere bauen die Landschaft um – Wasserschutzverband klagt über Mehrkosten
- Wann die Freibäder öffnen, steht noch nicht fest. Nicht einmal, ob sie überhaupt öffnen. Stefan Powolny ist optimistisch. Der Geschäftsführer der Ellwanger Stadtwerke rechnet, wie er vor Kurzem der „Ipf- und Jagst-Zeitung“gesagt hat, mit einer eindeutigen Entscheidung seitens der Politik. Die Stadtwerke stünden Gewehr bei Fuß.
Normalerweise macht das Kreßbachfreibad Anfang, Mitte Mai auf. Doch im Jahr 2020 ist alles anders. Der Grund: das Coronavirus. Die Frage lautet: Gilt ein gut besuchter Badetag schon als Großveranstaltung? Dann dürfte kein Freibad im Land öffnen, denn Großveranstaltungen sind bis 31. August verboten.
Wegen des Bibers ist die Freibadsaison 2020 aber nicht gefährdet. Denn bislang kommen sich am Kreßbachsee Biber und Badende nicht ins Gehege. Powolny geht davon aus, dass das so bleibt. Der Biber sei spätabends aktiv, sagt er. Somit komme es nicht zu ernsthaften Begegnungen mit den Menschen.
Der Biber lebt schon mehrere Jahre am Kreßbachsee. In den vergangenen Wochen und Monaten hat er ganze Arbeit geleistet und eine neue Biberburg gebaut – vis-à-vis des Badestrands. Powolny sieht da kein Problem. Er hält eine „friedliche CoExistenz von Mensch und Tier“für möglich. Dem Wasserverband mache der Biber mehr zu schaffen, sagt der Stadtwerkegeschäftsführer. Der Biber habe sogar schon den Ablauf des Sees verstopft.
Die Verantwortlichen des Wasserverbands Obere Jagst bestätigen das. Der Biber sei aber kein Feindbild, betont Vorsitzender Karl Hilsenbek. Freilich verursache er Schaden auf vielfältige Art – und zwar in allen 15 natürlichen Seen, Stauseen und Rückhaltebecken des Wasserverbands. „Wir erleben jeden Tag neue Überraschungen.“
Der Biber verstopft Zu- und Abflüsse. Gerne auch unter Wasser. Dann sind oft Schieber und Rechen verklemmt. Mitunter müssen sogar Taucher ran. Wann immer der Wasserspiegel im Stausee sinkt, ist der Biber alarmiert. Dann sucht er die Stelle, an der das Wasser abfließt und kämpft dagegen an – meist erfolgreich.
Am Orrotsee hat der Verband unlängst einen defekten Grobrechen austauschen müssen. Teuer wird es auch, wenn der Biber Dämme unterhöhlt, die vor Hochwasser schützen sollen. Hilsenbek beziffert die Schäden auf 15 000 bis 20 000 Euro pro Jahr. Davon bekomme der Wasserverband höchstens 10 bis 20 Prozent ersetzt, sagt er und erläutert, worum es dem Wasserverband geht – nämlich, dass das Land den Mehraufwand erstattet.
Deshalb wurde der Wasserverband schon im Mai 2019 aktiv und hat dem Umweltministerium über den zusätzlichen Unterhaltungsaufwand berichtet. Die Antwort kam im August und lautete sinngemäß: Die auf den Biber zurückzuführenden Ausgaben würden bei der alle fünf Jahre anstehenden Kostenanpassung berücksichtigt.
Das genügt dem Verband aber nicht. Argument: Durch die für den Hochwasserschutz insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel sei ein adäquater Ausgleich des Mehraufwands für die Beseitigung der Biberschäden nicht zu erzielen. Also hat der Verband das Ministerium im Januar gebeten, den Fördertopf deutlich aufzustocken.
In dem von Hilsenbek unterzeichneten Schreiben heißt es, dass der Wasserverband den Biber keinesfalls
„vergrämen“will. Jedoch habe er einen sicheren Betrieb seiner Rückhaltebecken zu gewährleisten. „Es ist davon auszugehen, dass dieser Aufwand in den Folgejahren noch deutlich höher wird.“
Der Biber macht aber nicht nur Probleme. Für Elfriede Lingel ist er ein Wildtier wie jedes andere und hat schon deshalb seine Daseinsberechtigung. Zumal er „tolle“Landschaften zaubert und Feuchtgebiete entlang der Wiesen und Felder anlegt. Für Elfriede Lingel ist der Biber ein regelrechter „Landschaftsarchitekt“.
Elfriede Lingel arbeitet im Ellwanger Stadtbauamt und kennt sich mit dem Biber aus. Wenn sie in Kürze in den Ruhestand geht, dann wird sie „ehrenamtliche Ansprechpartnerin zur Konfliktlösung“. Sie möchte die Luft etwas raus nehmen, wie sie sagt. Aber wie?
Zum Beispiel weist Elfriede Lingel darauf hin, dass die Moose in den vom Biber angelegten Feuchtgebieten klimaschädliches CO2 binden. Und sie erinnert daran, dass auch der Mensch vielfach Schaden verursacht, der behoben werden muss. Ergo: „Man muss dem Biber einen gewissen Lebensraum zugestehen.“
Dem Wasserverband Obere Jagst gehören gut 20 Mitgliedsgemeinden an – von Westhausen über Rainau, Ellwangen, Jagstzell und Crailsheim bis Langenburg und Gerabronn. Mit der Bitte ans Land, die Unterhaltspauschale aufgrund der Mehrkosten durch den Biber zu erhöhen, hat er, wie Vorsitzender Karl Hilsenbek sagt, die Initiative für alle Wasserverbände im Land ergriffen.