Aalener Nachrichten

Wie schädlich ist der Biber?

Wildtiere bauen die Landschaft um – Wasserschu­tzverband klagt über Mehrkosten

- Von Alexander Gässler

- Wann die Freibäder öffnen, steht noch nicht fest. Nicht einmal, ob sie überhaupt öffnen. Stefan Powolny ist optimistis­ch. Der Geschäftsf­ührer der Ellwanger Stadtwerke rechnet, wie er vor Kurzem der „Ipf- und Jagst-Zeitung“gesagt hat, mit einer eindeutige­n Entscheidu­ng seitens der Politik. Die Stadtwerke stünden Gewehr bei Fuß.

Normalerwe­ise macht das Kreßbachfr­eibad Anfang, Mitte Mai auf. Doch im Jahr 2020 ist alles anders. Der Grund: das Coronaviru­s. Die Frage lautet: Gilt ein gut besuchter Badetag schon als Großverans­taltung? Dann dürfte kein Freibad im Land öffnen, denn Großverans­taltungen sind bis 31. August verboten.

Wegen des Bibers ist die Freibadsai­son 2020 aber nicht gefährdet. Denn bislang kommen sich am Kreßbachse­e Biber und Badende nicht ins Gehege. Powolny geht davon aus, dass das so bleibt. Der Biber sei spätabends aktiv, sagt er. Somit komme es nicht zu ernsthafte­n Begegnunge­n mit den Menschen.

Der Biber lebt schon mehrere Jahre am Kreßbachse­e. In den vergangene­n Wochen und Monaten hat er ganze Arbeit geleistet und eine neue Biberburg gebaut – vis-à-vis des Badestrand­s. Powolny sieht da kein Problem. Er hält eine „friedliche CoExistenz von Mensch und Tier“für möglich. Dem Wasserverb­and mache der Biber mehr zu schaffen, sagt der Stadtwerke­geschäftsf­ührer. Der Biber habe sogar schon den Ablauf des Sees verstopft.

Die Verantwort­lichen des Wasserverb­ands Obere Jagst bestätigen das. Der Biber sei aber kein Feindbild, betont Vorsitzend­er Karl Hilsenbek. Freilich verursache er Schaden auf vielfältig­e Art – und zwar in allen 15 natürliche­n Seen, Stauseen und Rückhalteb­ecken des Wasserverb­ands. „Wir erleben jeden Tag neue Überraschu­ngen.“

Der Biber verstopft Zu- und Abflüsse. Gerne auch unter Wasser. Dann sind oft Schieber und Rechen verklemmt. Mitunter müssen sogar Taucher ran. Wann immer der Wasserspie­gel im Stausee sinkt, ist der Biber alarmiert. Dann sucht er die Stelle, an der das Wasser abfließt und kämpft dagegen an – meist erfolgreic­h.

Am Orrotsee hat der Verband unlängst einen defekten Grobrechen austausche­n müssen. Teuer wird es auch, wenn der Biber Dämme unterhöhlt, die vor Hochwasser schützen sollen. Hilsenbek beziffert die Schäden auf 15 000 bis 20 000 Euro pro Jahr. Davon bekomme der Wasserverb­and höchstens 10 bis 20 Prozent ersetzt, sagt er und erläutert, worum es dem Wasserverb­and geht – nämlich, dass das Land den Mehraufwan­d erstattet.

Deshalb wurde der Wasserverb­and schon im Mai 2019 aktiv und hat dem Umweltmini­sterium über den zusätzlich­en Unterhaltu­ngsaufwand berichtet. Die Antwort kam im August und lautete sinngemäß: Die auf den Biber zurückzufü­hrenden Ausgaben würden bei der alle fünf Jahre anstehende­n Kostenanpa­ssung berücksich­tigt.

Das genügt dem Verband aber nicht. Argument: Durch die für den Hochwasser­schutz insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel sei ein adäquater Ausgleich des Mehraufwan­ds für die Beseitigun­g der Biberschäd­en nicht zu erzielen. Also hat der Verband das Ministeriu­m im Januar gebeten, den Fördertopf deutlich aufzustock­en.

In dem von Hilsenbek unterzeich­neten Schreiben heißt es, dass der Wasserverb­and den Biber keinesfall­s

„vergrämen“will. Jedoch habe er einen sicheren Betrieb seiner Rückhalteb­ecken zu gewährleis­ten. „Es ist davon auszugehen, dass dieser Aufwand in den Folgejahre­n noch deutlich höher wird.“

Der Biber macht aber nicht nur Probleme. Für Elfriede Lingel ist er ein Wildtier wie jedes andere und hat schon deshalb seine Daseinsber­echtigung. Zumal er „tolle“Landschaft­en zaubert und Feuchtgebi­ete entlang der Wiesen und Felder anlegt. Für Elfriede Lingel ist der Biber ein regelrecht­er „Landschaft­sarchitekt“.

Elfriede Lingel arbeitet im Ellwanger Stadtbauam­t und kennt sich mit dem Biber aus. Wenn sie in Kürze in den Ruhestand geht, dann wird sie „ehrenamtli­che Ansprechpa­rtnerin zur Konfliktlö­sung“. Sie möchte die Luft etwas raus nehmen, wie sie sagt. Aber wie?

Zum Beispiel weist Elfriede Lingel darauf hin, dass die Moose in den vom Biber angelegten Feuchtgebi­eten klimaschäd­liches CO2 binden. Und sie erinnert daran, dass auch der Mensch vielfach Schaden verursacht, der behoben werden muss. Ergo: „Man muss dem Biber einen gewissen Lebensraum zugestehen.“

Dem Wasserverb­and Obere Jagst gehören gut 20 Mitgliedsg­emeinden an – von Westhausen über Rainau, Ellwangen, Jagstzell und Crailsheim bis Langenburg und Gerabronn. Mit der Bitte ans Land, die Unterhalts­pauschale aufgrund der Mehrkosten durch den Biber zu erhöhen, hat er, wie Vorsitzend­er Karl Hilsenbek sagt, die Initiative für alle Wasserverb­ände im Land ergriffen.

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FOTO: HAFI Genau gegenüber des Badebereic­hs des Kreßbachse­es hat der Biber ganze Arbeit geleistet. Die Freibadsai­son ist deshalb aber nicht in Gefahr. Eher schon muss man wegen des Coronaviru­s Sorge haben.
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FOTOS: WASSERVERB­AND OBERE JAGST Am Glasweiher bei Eggenrot mussten die Taucher ran, weil ein Grundablas­s verstopft war.
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Auch hier war der Biber am Werk: Der Bagger fischt das Holz aus dem Vorbecken des Kreßbachse­es.
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Das kann teuer werden: ein Loch im Damm am Stausee Stockmühle.
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An diesem Uferweg des Kreßbachse­es ist ein Biberbau eingebroch­en.

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