„Wir müssen kämpfen“
Livestream der IG-Metall-Podiumsdiskussion zum 1. Mai – Bosch AS großes Thema
- „Solidarisch ist man nicht allein“, hat das Motto der Gewerkschaften zum 1. Mai gelautet. In Aalen traf dies einerseits zu, andererseits aber auch nicht. Denn einerseits waren am Freitagabend bei einer Podiumsdiskussion in den Räumen der IG Metall die Diskutanten allein im Raum und das selbstverständlich bei gebührendem Abstand, andererseits aber verfolgten zwischen 50 und 80 Zuhörer ihre gestreamten Darlegungen und mischten sich mit Fragen in die Diskussion ein. Die drehte sich allgemein um aktuelle Fragen und speziell um den Kampf um den Erhalt möglichst vieler Arbeitsplätze bei Bosch AS in Schwäbisch Gmünd. Der Standort habe nur eine Perspektive, war man sich einig, wenn hier nicht nur die Entwicklung angesiedelt bleibe, sondern auch ein relevanter Teil der Produktion. Wenn nicht, sei er in sieben bis acht Jahren tot.
Dass in Gmünd 2500 Arbeitsplätze zur Disposition stehen, ist nach Überzeugung des Ersten Bevollmächtigten der IG Metall, Roland Hamm, Folge von Managementfehlern. Die Produktion sei nach Ungarn verlagert und im dortigen Maklar viel Geld investiert worden. Gegen diesen Standort sei an sich auch nichts einzuwenden, aber: „Wir brauchen eine faire Aufteilung!“
Hüseyin Ekinci, der Leiter des gewerkschaftlichen Vertrauenskörpers bei Bosch AS, sagte, auch nach vier Jahren seien seine Kolleginnen und Kollegen optimistisch. Die Proteste würden weitergehen. Andrea Sicker, die erst seit kurzem Gewerkschaftssekretärin in Aalen ist und zuvor in Bamberg und Schweinfurt tätig war, berichtete, es gebe viele Parallelen zwischen den Vorgängen in Gmünd und denen bei Bosch Rexroth in Schweinfurt. „Der Ton wird rauer, man muss sich auf die Hinterfüße stellen!“Die Ressource Mensch werde als Selbstbedienungsladen angesehen, die man nach Bedarf an- und abschalten könne. Auch in Schweinfurt sei zu spät in innovative Produkte investiert worden. Positiv sei in beiden Fällen, dass Beschäftigte, Betriebsrat und IG Metall massiv zusammenhielten.
Die Reutlinger Bundestagsabgeordnete der Linken, Jessica Tatti, sah es auch so, dass in Gmünd produziert werden müsse. Darüber müsse sich Bosch ernsthaft Gedanken machen. Hamm wertete es positiv, dass über die Qualifizierung der Beschäftigten sehr intensiv geredet werde. Bosch plane Logistikzentren sowohl in Ungarn als auch in Deutschland, aber das in Gmünd solle outgesourct werden mit der Folge, dass prekäre Arbeitsverhältnisse zu befürchten wären.
Die Bundestagsabgeordnete forderte, dass in der aktuellen Situation Unternehmen, die Unterstützung vom Staat wollten, nicht gleichzeitig Dividenden ausschütten dürften. „Das ist unverschämt!“Es müsse vielmehr um Beschäftigungssicherung gehen. Man könne nicht Hilfen nehmen und im gleichen Atemzug Arbeitnehmer entlassen. Hamm befürchtete, dass Arbeitgeber die Corona-Krise dazu benutzten, um das Arbeitsrecht massiv zurückzudrehen. Dies beobachtet auch die Abgeordnete: „Grundlegende Arbeitnehmerrechte stehen massiv unter Beschuss!“
Eine „Ausfuhrsteuer für Arbeitsplätze“, wie es eine Zuhörerin forderte, ist Hamm zufolge im Kapitalismus nicht möglich, denn der lebe von Marktregulierungen. Hier sei die
Politik gefordert. Die müsse die Regeln ändern, pflichtete ihm Jessica Tatti bei. Die Arbeitnehmer hätten für den globalen Wettbewerb bezahlt und müssten jetzt etwas zurückbekommen. Dies alles sei machbar, wenn man es wolle, aber dafür brauche es eine andere Regierungskoalition in Berlin.
Unter der Moderation von Jugendsekretär Alexander Relea-Linder war es zu Beginn um die Bedeutung des 1. Mai als Tag der Arbeit gegangen. Für ihn sei dieser Tag nie ein Ritual gewesen, erzählte Roland Hamm, und er werde es auch nie werden, denn er sei mit viel Leid erkämpft worden. Auch heute noch gehe es darum, für eine bessere Gesellschaft zu kämpfen. „Wir dürfen es nicht dem Markt überlassen, sondern wir müssen kämpfen, damit die Arbeitnehmer nicht unter die Räder kommen!“