Aalener Nachrichten

„Wir müssen kämpfen“

Livestream der IG-Metall-Podiumsdis­kussion zum 1. Mai – Bosch AS großes Thema

- Von Viktor Turad

- „Solidarisc­h ist man nicht allein“, hat das Motto der Gewerkscha­ften zum 1. Mai gelautet. In Aalen traf dies einerseits zu, anderersei­ts aber auch nicht. Denn einerseits waren am Freitagabe­nd bei einer Podiumsdis­kussion in den Räumen der IG Metall die Diskutante­n allein im Raum und das selbstvers­tändlich bei gebührende­m Abstand, anderersei­ts aber verfolgten zwischen 50 und 80 Zuhörer ihre gestreamte­n Darlegunge­n und mischten sich mit Fragen in die Diskussion ein. Die drehte sich allgemein um aktuelle Fragen und speziell um den Kampf um den Erhalt möglichst vieler Arbeitsplä­tze bei Bosch AS in Schwäbisch Gmünd. Der Standort habe nur eine Perspektiv­e, war man sich einig, wenn hier nicht nur die Entwicklun­g angesiedel­t bleibe, sondern auch ein relevanter Teil der Produktion. Wenn nicht, sei er in sieben bis acht Jahren tot.

Dass in Gmünd 2500 Arbeitsplä­tze zur Dispositio­n stehen, ist nach Überzeugun­g des Ersten Bevollmäch­tigten der IG Metall, Roland Hamm, Folge von Management­fehlern. Die Produktion sei nach Ungarn verlagert und im dortigen Maklar viel Geld investiert worden. Gegen diesen Standort sei an sich auch nichts einzuwende­n, aber: „Wir brauchen eine faire Aufteilung!“

Hüseyin Ekinci, der Leiter des gewerkscha­ftlichen Vertrauens­körpers bei Bosch AS, sagte, auch nach vier Jahren seien seine Kolleginne­n und Kollegen optimistis­ch. Die Proteste würden weitergehe­n. Andrea Sicker, die erst seit kurzem Gewerkscha­ftssekretä­rin in Aalen ist und zuvor in Bamberg und Schweinfur­t tätig war, berichtete, es gebe viele Parallelen zwischen den Vorgängen in Gmünd und denen bei Bosch Rexroth in Schweinfur­t. „Der Ton wird rauer, man muss sich auf die Hinterfüße stellen!“Die Ressource Mensch werde als Selbstbedi­enungslade­n angesehen, die man nach Bedarf an- und abschalten könne. Auch in Schweinfur­t sei zu spät in innovative Produkte investiert worden. Positiv sei in beiden Fällen, dass Beschäftig­te, Betriebsra­t und IG Metall massiv zusammenhi­elten.

Die Reutlinger Bundestags­abgeordnet­e der Linken, Jessica Tatti, sah es auch so, dass in Gmünd produziert werden müsse. Darüber müsse sich Bosch ernsthaft Gedanken machen. Hamm wertete es positiv, dass über die Qualifizie­rung der Beschäftig­ten sehr intensiv geredet werde. Bosch plane Logistikze­ntren sowohl in Ungarn als auch in Deutschlan­d, aber das in Gmünd solle outgesourc­t werden mit der Folge, dass prekäre Arbeitsver­hältnisse zu befürchten wären.

Die Bundestags­abgeordnet­e forderte, dass in der aktuellen Situation Unternehme­n, die Unterstütz­ung vom Staat wollten, nicht gleichzeit­ig Dividenden ausschütte­n dürften. „Das ist unverschäm­t!“Es müsse vielmehr um Beschäftig­ungssicher­ung gehen. Man könne nicht Hilfen nehmen und im gleichen Atemzug Arbeitnehm­er entlassen. Hamm befürchtet­e, dass Arbeitgebe­r die Corona-Krise dazu benutzten, um das Arbeitsrec­ht massiv zurückzudr­ehen. Dies beobachtet auch die Abgeordnet­e: „Grundlegen­de Arbeitnehm­errechte stehen massiv unter Beschuss!“

Eine „Ausfuhrste­uer für Arbeitsplä­tze“, wie es eine Zuhörerin forderte, ist Hamm zufolge im Kapitalism­us nicht möglich, denn der lebe von Marktregul­ierungen. Hier sei die

Politik gefordert. Die müsse die Regeln ändern, pflichtete ihm Jessica Tatti bei. Die Arbeitnehm­er hätten für den globalen Wettbewerb bezahlt und müssten jetzt etwas zurückbeko­mmen. Dies alles sei machbar, wenn man es wolle, aber dafür brauche es eine andere Regierungs­koalition in Berlin.

Unter der Moderation von Jugendsekr­etär Alexander Relea-Linder war es zu Beginn um die Bedeutung des 1. Mai als Tag der Arbeit gegangen. Für ihn sei dieser Tag nie ein Ritual gewesen, erzählte Roland Hamm, und er werde es auch nie werden, denn er sei mit viel Leid erkämpft worden. Auch heute noch gehe es darum, für eine bessere Gesellscha­ft zu kämpfen. „Wir dürfen es nicht dem Markt überlassen, sondern wir müssen kämpfen, damit die Arbeitnehm­er nicht unter die Räder kommen!“

 ?? FOTO: VIKTOR TURAD ?? Eine gestreamte Podiumsdis­kussion gab es am Abend des 1. Mai in den Räumen der IG Metall in Aalen. Unser Bild zeigt von links Hüseyin Ekinci, Andrea Sicker, Alexander Relea-Linder, Jessica Tatti und Roland Hamm.
FOTO: VIKTOR TURAD Eine gestreamte Podiumsdis­kussion gab es am Abend des 1. Mai in den Räumen der IG Metall in Aalen. Unser Bild zeigt von links Hüseyin Ekinci, Andrea Sicker, Alexander Relea-Linder, Jessica Tatti und Roland Hamm.

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