Deutschland wird zum Flickenteppich
Schon vor dem Gipfel lockert Bayern die Corona-Maßnahmen – Kritik von Kretschmann
- Dass es weitere Lockerungen der CoronaMaßnahmen geben wird, ist klar. Doch vor dem Gipfeltreffen der Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an diesem Mittwoch, droht das föderale Deutschland zu einem Flickenteppich zu werden. So hat die bayerische Staatsregierung am Dienstag weitreichende Lockerungen beschlossen. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) stellte einen genauen Zeitplan vor, der unter anderem die Wiedereröffnung von Gaststätten,
Schulen und Kitas regelt. Sein Amtskollege Winfried Kretschmann (Grüne) nannte indes keine exakten Daten für den Südwesten. „Wir haben einen ähnlichen Fahrplan, allerdings ohne Datum. Es ist natürlich nicht konkret, was ich sage, das soll es aber auch nicht sein“, sagte er nach der Sitzung des Ministerrates.
Kretschmann begründete die Zurückhaltung unter anderem mit der Schaltkonferenz mit der Kanzlerin. Es brauche weiter ein abgestimmtes Vorgehen aller Länder, um das Vertrauen der Bürger in die Politik zu erhalten. „Zusammenbleiben kann man nicht, wenn jeder vorher schon beschlossen hat, was er macht“, sagte er. Zuvor hatten neben Bayern auch Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt unabhängig voneinander Lockerungen angekündigt.
Bayern öffnet ab heute Spielplätze sowie ab dem 18. Mai schrittweise Biergärten und Gaststätten. Die Schulen sollen ab Montag Stück für Stück wieder vor Ort unterrichten. Nach den Pfingstferien Mitte Juni soll es wieder Präsenzunterricht für Schüler aller Altersklassen geben. Auch für die Kitas nannte Ministerpräsident Söder einen Fahrplan: „Unser Ziel ist es, dass bis Pfingsten bis 50 Prozent der Kinder in den Kitas wieder betreut werden.“BadenWürttemberg dagegen will sich in diesem Punkt erst in zehn Tagen festlegen. Dann sollen die Ergebnisse einer Studie der vier Unikliniken des Landes vorliegen. Sie soll klären, wie häufig sich Kinder mit dem Coronavirus infizieren und es verbreiten.
Gute Nachrichten hatten beide Länderchefs für viele Freizeitsportler. So werden Freiluftaktivitäten wie Golf, Tennis oder Leichtathletik unter Auflagen ab Montag wieder erlaubt. Der Deutsche Alpenverein rät seit Dienstag auch nicht mehr von Bergwanderungen ab.
- Auf dem Weg aus dem Corona-Lockdown gehen Bayern und Baden-Württemberg nun weitere Schritte. Möglich machen dies weiter sinkende Infektionszahlen. Allerdings legte sich die Regierung im Freistaat am Dienstag bereits auf Daten fest, während im Südwesten vor allem Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) damit noch warten will. „Es darf nicht der Eindruck entstehen, wir seien über den Berg. Wenn wir unbedacht vorgehen, können wir alles aufs Spiel setzen“, so seine Begründung. Großveranstaltungen bleiben aber überall bis mindestens Ende Augst verboten. Was nun wo gilt und wie es weiter geht.
Bayern
Die Ausgangsbeschränkungen werden aufgehoben, Kontaktbeschränkungen und ein Verbot von Menschenansammlungen im öffentlichen Raum bleiben aber bestehen. Das heißt, dass man die eigene Wohnung oder das Haus auch ohne einen „triftigen Grund“verlassen kann. Und es ist erlaubt, eine Person außerhalb des eigenen Hausstands und auch enge Familienangehörige zu treffen oder zu besuchen. Außenbereiche von Gaststätten dürfen am 18. Mai wieder öffnen, Speiselokale am 25. Mai, Hotels am 30. Mai. Schon ab kommenden Montag dürfen alle Geschäfte wieder Kunden bedienen. Die Beschränkung auf eine Verkaufsfläche von maximal 800 Quadratmetern entfällt. Die Hälfte aller Kindergartenkinder soll bis Pfingsten wieder in die Kitas gehen. Ab Montag dürfen unter anderem Waldkindergärten und Tagespflegeeinrichtungen mit bis zu fünf Kindern bereits wieder arbeiten. Ganz langsam können Schüler in die Schulen zurückkehren: Am 11. Mai geht es zunächst mit den Jahrgängen weiter, die im kommenden Jahr ihren Abschluss machen, sowie mit den Viertklässlern der Grundschulen. Am 18. Mai sollen die 1. Klassen folgen, die 5. Klassen der Mittelschulen sowie die 5. und 6. Klassen der Realschulen und Gymnasien. Alle weiteren kommen dann erst nach den Pfingstferien. Schüler der Abschlussklassen gehen bereits wieder unter Auflagen zum Unterricht.
Spielplätze können ab Mittwoch freigegeben, ab kommendem Montag Museen, Zoos, Bibliotheken, Galerien, Ausstellungen und Gedenkstätten. Je eine feste Kontaktperson darf ab dem Wochenende Menschen in Kliniken und Pflegeheimen besuchen — unter strikten Hygiene- und Schutzmaßnahmen. Bestimmte Freiluftsportarten wie Golf oder Tennis sind ab Montag wieder erlaubt.
Baden-Württemberg
Die Kontaktbeschränkungen bleiben bestehen, sie waren aber schon bisher nicht so streng wie in Bayern. Im Freien dürfen sich Menschen höchstens zu zweit aufhalten oder im Kreise ihrer Angehörigen, mit denen sie im selben Haushalt wohnen. Besuche bei direkten Angehörigen wie etwa Großeltern, Eltern oder Kindern in deren Wohnungen sind erlaubt, andere Besuche und Reisen nicht. Anders als Amtskollege Markus Söder (CSU) in Bayern nannte Regierungschef Kretschmann keine Daten für eine schrittweise Wiedereröffnung von Gaststätten und Hotels. Diese wolle er wenn, dann erst nach dem Gespräch mit den anderen Ministerpräsidenten und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch nennen. Ein abgestimmtes Vorgehen sei trotz regional unterschiedlicher Voraussetzungen wichtig. Genaue Pläne für eine Wiedereröffnung der Kitas hält Kretschmann für verfrüht. Derzeit suchen die vier Unikliniken im Land, wie häufig sich Kinder mit dem Coronavirus infizieren und mit welchem Risiko sie ihre Eltern infizieren. Die Ergebnisse sollen in zehn Tagen vorliegen. Erst dann will die Regierung über die Kitas entscheiden. „Wir machen faktenbasierte Pandemie-Politik, sofern wir Fakten haben“, so der Ministerpräsident. Wann die Schulen in Baden-Württemberg für weitere Klassenstufen öffnen sollen, bleibt unklar. Noch besuchen nur die jeweils letzten beiden Abschlussjahrgänge die Schulen wieder. Das Kultusministerium will die Grundschule noch diese Woche über die nächsten Schritte informieren. Zunächst sollen die Viertklässler zurück in die Klassenräume, und zwar noch vor Pfingsten. Alle anderen Jahrgänge werden laut Ministerium aber nicht vor Mitte Juni an die Schulen zurückkehren – also erst nach den Pfingstferien. Bereits seit Montag dürfen Kunden alle Geschäfte nutzen, ebenso wie Friseursalons und Fußpflegestudios. Ab Mittwoch, 6. Mai, können Spielplätze wieder genutzt werden. Das gilt ebenso für
Museen, Freilichtmuseen, Ausstellungshäuser, Gedenkstätten, Zoos G und botanische Gärten. Zwar können Heimbewohner ihre Einrichtungen wieder verlassen. Die Besuchsverbote bleiben sowohl für Heime als auch für Kliniken bestehen. Ausnahmen etwa zur Sterbebegleitung sind aber möglich. Auch im Südwesten gilt: Freiluftsportarten wie Golf oder Tennis sind ab Montag erlaubt.
Andere Bundesländer
Mecklenburg-Vorpommern heißt Urlauber vor Pfingsten wieder willkommen, Sachsen-Anhalt erlaubt in der Öffentlichkeit kleinere Gruppen, ab Mitte Mai folgen Übernachtungen in Ferienhäusern oder -wohnungen etwa im Harz, ab dem 22. Mai dürfen alle Gastwirtschaften öffnen. Niedersachsen legte eine sehr detaillierten Fahrplan vor. Dort dürfen Restaurants, Gaststätten und Biergärten ab Montag Gäste empfangen, aber nur maximal die Hälfte ihrer Plätze besetzen. Urlauber sind in dem Küstenland ebenfalls schon vor Pfingsten wieder willkommen. Außerdem können Tageseltern dort wieder Kinder betreuen. Ab dem 18.
Mai soll die Notbetreuung in den Kitas so ausgeweitet werden, da bis zu 40 Prozent aller Kinder davon profitieren. Ab 11. August will Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) dann den Kitabetrieb komplett wieder aufnehmen lassen. Hessen legte am Dienstag einen Fahrplan für die Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts an Schulen vor, NRW hebt das Besuchsverbot in Pflegeheimen auf und kündigte eine baldige Öffnung von Kitas an.
Kritik an Kretschmanns Kurs
Diese kommt aus der eigenen Regierung. Tourismusminister Guido Wolf (CDU) sagte: „Die Infektionssituation in Bayern ist mit unserer vergleichbar, auch wir in BadenWürttemberg müssen daher nach meiner Überzeugung der Gastronomie schnell eine Perspektive spätestens auf Pfingsten geben.“Er wünsche sich, dass trotz aller berechtigten Vorsicht Daten festgelegt werden. Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) würde sogar noch weiter gehen. „Wir sollten sehr zeitnah, aus meiner Sicht schon am Muttertag, mit der Außengastronomie starten“, teilte sie mit. Die Opposition stieß in die selbe Kerbe. „Die Hotel- und Gastronomiebranche scheint in Baden-Württemberg besonders missachtet zu werden. Selbst die Bayern haben ihren Betrieben nun einen klaren Fahrplan mit entsprechenden Öffnungsperspektiven vorgelegt, von anderen Tourismusländern wie Mecklenburg-Vorpommern ganz zu schweigen“, so der FDP-Politiker Erik Schweickert.