Paketdienste im Ausnahmezustand
Wie DHL, DPD, GLS und Hermes gerade arbeiten.
- Neun Millionen Sendungen pro Tag - so viele wie sonst in der Vorweihnachtszeit - muss DHL derzeit in ganz Deutschland unter die Leute bringen. Wie viele davon im Ostalbkreis ankommen, bleibt offen. Denn regionale Zahlen kommunizieren weder DHL noch DPD, GLS oder Hermes - vier der größten Paketdienste des Landes.
Fakt ist aber, dass alle vier Unternehmen derzeit mehr als genug zu tun haben und dass die Umstellungen, die die Corona-Krise mit sich brachte, sie eher unvermittelt getroffen haben. „Das alles war so nicht absehbar. Wir hatten kaum Zeit, uns umfassend darauf vorzubereiten und wissen auch noch nicht, wie lange dieser Anstieg anhält“, erläutert DHL-Pressesprecher Marc Mombauer.
Um weiterhin gewährleisten zu können, dass diese Flut an Paketen auch ankommt, wurden und werden die Kapazitäten hochgefahren. Das funktioniert einerseits, indem Personal verlagert wird und andererseits durch Neueinstellungen. Während also bei DHL beispielsweise das Briefgeschäft schwächelt, weil viele Firmen weniger Post verschicken, helfen die Kollegen aus diesem Bereich eben beim Ausliefern der Pakete aus. Bewerbungsgespräche wiederum werden bei DHL momentan verstärkt virtuell geführt.
Risikominimierung und Sicherheit für Mitarbeiter und Kunden stehen auch bei der Auslieferung an erster Stelle. So teilt DHL laut eigenen Angaben seine Mitarbeiter jetzt grundsätzlich in zwei Schichten ein, um im Notfall Corona-Infektionsketten leichter zurückverfolgen zu können. Das Fahrerhaus der Fahrzeuge wird vor jedem Fahrerwechsel gereinigt, heißt es. Zudem stehen etwa 30 000 Liter Handdesinfektionsmittel zur Verfügung und jedes Zustellfahrzeug ist mit einem Wasserkanister und Flüssigseife ausgerüstet, damit sich die Mitarbeiter auch während der Tour ihre Hände waschen können.
Die Paketübergabe wiederum erfolgt kontaktlos, sprich, statt den Empfänger persönlich unterschreiben zu lassen, macht das der Zusteller für ihn - sofern er ihn am Zustellort antrifft. Sollte dies nicht der Fall sein oder man sich beispielsweise in Quarantäne befinden, besteht bei DHL die Möglichkeit, einen Ablageort festzulegen.
Was den Inhalt der Pakete angeht, so zeichnete sich laut Mombauer zu Beginn der Corona-Krise der Trend ab, dass deutlich weniger bei Anbietern von Kleidung oder Luxusartikeln bestellt wird und mehr bei Unternehmen, die Artikel zur Grundversorgung liefern, wie Tierfutter, Hygieneartikel oder Lebensmittel. Außerdem versenden derzeit wesentlich mehr kleine Unternehmen an Menschen aus der Umgebung. Eben diese lokalen Entwicklungen sind es aber auch, die DHL aktuell vor Herausforderungen stellen, so der Pressesprecher. Menge und Sendungsstruktur seien schlecht kalkulierbar, was bei einzelnen Kunden oder in einzelnen Regionen zu Einschränkungen und Verzögerungen führen könne.
Auch der Paketdienst Hermes hat aktuell deutlich mehr zu tun. Regional Communications Manager Sebastian Kaltofen spricht von einem Anstieg der Sendungsmengen um mehr als 40 Prozent. Auch hier wurde justiert - Personal aufgestockt und in kleinere Schichten eingeteilt, Logistikketten optimiert, operative Prozesse angepasst. Vor allem aufgrund der 1200 zusätzlichen Touren laufe die Zustellung weiterhin stabil.
Das heißt, mehr als 90 Prozent aller Sendungen werden am nächsten Tag zugestellt und kommen in 95 Prozent der Fälle beim ersten Zustellungsversuch beim Empfänger an.
Wie bei DHL erfolgt auch bei Hermes die Zustellung kontaktlos, sowohl an der Haustür, als auch in den rund 16 000 Paket-Shops, die mittlerweile fast alle wieder geöffnet haben. Laut Kaltofen hat Hermes dafür eine Lösung entwickelt, bei der die Unterschrift auf dem Scanner entfällt und der Zustellnachweis per Foto erfolgt.
Kaltofen unterschreibt, dass der „Onlinehandel von der Bevölkerung als ein Teil noch normalen Lebens begrüßt wird“. Mittel- und langfristig seien die ökonomischen Folgen allerdings sehr schwer einzuschätzen. Was die Folgen eines CoronaAusbruchs
an einem der HermesStandorte betrifft, erläutert Kaltofen: „Es gibt Notfallpläne. Und sollte wirklich ein Standort schließen müssen, können wir die Sendungen flexibel umleiten und trotzdem zuverlässig zustellen.“
Der Mitbewerber DPD stellt fest, dass es zu Beginn der Krise zwei gegenläufige Bewegungen gab: Pakete an private Empfänger (B2C) wurden deutlich mehr, Pakete an gewerbliche Empfänger (B2B) hingegen weniger. „Durch die Wiedereröffnung vieler Geschäfte hat sich letzteres aber wieder etwas erhöht“, erklärt Sebastian Zeh, Specialist für Media Relations. Die Zustellung laufe bei DPD ohne Einschränkungen und Verzögerungen - nicht zuletzt dank des unermüdlichen Einsatzes der rund 11 000 Zusteller. Im Unternehmen wurde gar kein und bei den Partnern nur punktuell Personal aufgestockt, „um Mengenspitzen abzufangen“, so Zeh.
Zudem werde bei DPD alles dafür getan, der Ausbreitung des Coronavirus entgegenzuwirken - mit Homeoffice für die, deren Anwesenheit vor Ort nicht unbedingt erforderlich ist, eingeschränkten Dienstreisen, abgesagten Messen oder ausgearbeiteten Pandemieplänen für den Fall der Fälle. Der nicht erhöhte Krankenstand spreche für sich. Und DPD hat noch eine sehr erfreuliche Entwicklung zu verzeichnen: Onlinebewertungen fallen derzeit noch positiver aus. „Durchschnittlich geben Empfänger aktuell eine Bewertung von rund 4,5 von 5 Sternen – ein Plus von 0,5“, so Zeh. In der DPD-App können Kunden als Anerkennung auch ein kontaktloses Trinkgeld geben.
Dass sich die Nachfrage von Industrie und Einzelhandel wieder deutlich erhöht, bestätigt auch der Paketdienst GLS. „Der grenzüberschreitende Verkehr bringt im Moment natürlich Wartezeiten und Checks mit sich. Wenn es jedoch zu Verzögerungen bei den Abholungen und Auslieferungen kommt, sind unsere Kunden vorab informiert“, erklärt Anne Putz, Head of Communication and Marketing. Bei privaten Zustellungen sei es derzeit außerdem so, dass Zustellfahrer mehr Stopps pro Tour haben und die Pakete größer geworden seien, weil vermehrt Waren wie Gartenmöbel und -zubehör, Sportgeräte oder ähnliches bestellt werden. Sie räumt ein, dass es aufgrund der veränderten Arbeitsabläufe trotz angepasster Sortierzeiten und erweiterter Kapazitäten zu Verzögerungen kommen kann.
GLS setzt - wie alle Mitbewerber die erforderlichen Hygienemaßnahmen in allen Bereichen konsequent um, Meetings und Konferenzen finden per Telefon oder Video statt, das Personal, das nicht im Homeoffice arbeiten kann, wird räumlich aufgeteilt.