Aalener Nachrichten

Schoko-Prozess

Milka möchte Ritter Sport das Quadrat streitig machen

- Von Anja Semmelroch und Helena Golz

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- „Quadratisc­h. Praktisch. Gut.“Seit fünf Jahrzehnte­n setzt Ritter Sport auf den einprägsam­en Werbesloga­n und noch länger auf die charakteri­stische Form. Was aber, wenn auch die Konkurrenz ihre Schokolade quadratisc­h verkaufen möchte? Milka will es wissen und arbeitet bereits seit zehn Jahren daran, den Markenschu­tz zu knacken. Seit Donnerstag beschäftig­t der „Schokolade­n-Krieg“schon zum zweiten Mal den Bundesgeri­chtshof (BGH) in Karlsruhe.

Die Alfred Ritter GmbH & Co. KG mit Sitz im schwäbisch­en Waldenbuch und einem Jahresumsa­tz von 480 Millionen Euro sieht sich im Recht: Grundsätzl­ich seien geometrisc­he Formen zunächst tatsächlic­h nicht markenschu­tzfähig, sagt Thomas Seeger, Leiter der Abteilung Recht und Unternehme­nskommunik­ation bei Ritter Sport im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Doch „wenn sich nachweisen lässt, dass die Mehrzahl der Verbrauche­r bei einer bestimmten Form in einer Produktkat­egorie stets an einen Hersteller denkt, lässt sich dieses Eintragung­shindernis überwinden“. So verhalte es sich bei einer neutral beziehungs­weise weiß in Quadratfor­m verpackten Schokolade­ntafel. „80 Prozent der befragten Verbrauche­r äußern, dass es sich um eine Tafel Ritter Sport handele“, sagt Seeger. Die überwiegen­de Mehrheit der Verbrauche­r assoziiere mit einer quadratisc­h verpackten Schokolade also die Marke Ritter Sport. „Das Quadratfor­mat ist Bestandtei­l unserer DNA und Herkunftsh­inweis auf Ritter Sport“, sagt Seeger.

Das Unternehme­n ließ sich in den 1990er-Jahren das Schokolade­nquadrat als Marke schützen – besser gesagt: eine Art Blanko-Verpackung, neutral ohne Aufdruck, aber mit den typischen Seitenlasc­hen und der Längsnaht zum Knicken auf der Rückseite.

Experten sprechen von einer dreidimens­ionalen Marke oder Formmarke. Beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) in München sind aktuell gut 4900 solcher Marken registrier­t – bei rund 826 000 Einträgen insgesamt. Ferrero hat sich die Milchschni­tte schützen lassen und die Rocher-Kugel (verpackt und unverpackt), Lindt seinen Goldhasen.

Allerdings: Die Schutzvora­ussetzunge­n für die Eintragung einer dreidimens­ionalen Marke sind sehr hoch, sagt DPMA-Sprecher Til Huber. Eine Marke räume ihrem Inhaber viele Rechte ein. Die Prüfer im Markenamt seien deshalb darauf bedacht, unangebrac­hte Monopolisi­erungen zu vermeiden. „Dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn wir eine Form schützen, die auch andere Anbieter der Waren benötigen.“Vereinfach­t gesagt muss eine schützbare Form so anders sein, dass sie tatsächlic­h als Marke empfunden wird.

Erfüllt das Ritter-Sport-Schokoquad­rat diese Bedingunge­n? Darum gibt es seit einem Jahrzehnt Streit, ein langes und komplexes Hin und Her: 2010 beantragt der Milka-Konzern Kraft Foods (heute Mondelez) beim DPMA, die beiden eingetrage­nen

Marken zu löschen, denn der schwäbisch­e Süßwarenpr­oduzent hat sich die Marke für die Tafeln in Originalgr­öße und für die Mini-Ritter-Sport schützen lassen. Dem Unternehme­n gehe es um Klarheit für die Zukunft, sagt Mondelez-Sprecherin Heike Hauerken. „Unserer Ansicht nach ist ein Quadrat eine universell­e und übliche Form, die von vielen Hersteller­n als Verpackung­sform für diverse im Markt erhältlich­e Lebensmitt­el und Süßwaren verwendet wird.“

2016 ordnet das Bundespate­ntgericht die Löschung der Marken an. Denn „Zeichen, die ausschließ­lich aus einer Form bestehen, die durch die Art der Ware selbst bedingt ist“, können laut Gesetz nicht als Marke geschützt werden. Das Patentgeri­cht hält das für gegeben und beruft sich auf Clara Ritter, die mit ihrem Mann Alfred Eugen das Unternehme­n gründete und 1932 die Idee hatte: „Machen wir doch eine Schokolade, die in jede Sportjacke­tttasche passt, ohne dass sie bricht, und das gleiche Gewicht hat wie die normale Langtafel.“Für die Richter ein Vorteil gegenüber der rechteckig-länglichen Konkurrenz, den Ritter nicht für sich allein beanspruch­en könne.

Das sieht der BGH dann im Jahr 2017 anders: Zentrale Frage müsse sein, ob die quadratisc­he Form für den Gebrauch von Schokolade typisch sei. Deren Hauptzweck sehen die Richter immer noch im Verzehr. Es komme also in allererste­r Linie auf den Geschmack und die Zutaten an. Ob sich die Schokolade in die Jacke stecken lässt, halten sie für nebensächl­ich. Also müssen die Patentrich­ter 2018 noch einmal entscheide­n, diesmal gewinnt Ritter Sport. Aber jetzt landet Fall wieder in Karlsruhe.

Nun geht es um ein anderes Kriterium. Denn wenn das Zeichen, das wie das Quadrat einzig aus einer Form besteht, „der Ware einen wesentlich­en Wert verleiht“, kann laut Gesetz für das Zeichen kein Markenschu­tz beanspruch­t werden, denn das Zeichen müsste dann auch anderen Unternehme­n zur Verfügung stehen. Einen solchen Wert habe das Quadrat gerade wegen seiner Schlichthe­it, meint Milka.

Das Patentgeri­cht hat das anders beurteilt. Ein Quadrat sei „nichts anderes (…) als ein spezielles Rechteck“und verleihe einer Tafel Schokolade eben keine außergewöh­nliche Wertigkeit. Das heißt: Ritter Sport würde seinen Markenschu­tz behalten. Aber was ist mit dem bekannten Slogan? Der ziele ja nun sehr stark auf Form („Quadratisc­h.“) und Funktional­ität („Praktisch.“), sagt Milkas Anwalt Reiner Hall – und sei wesentlich­er Teil des Erfolgs. Vom Geschmack her seien sich doch alle Schokolade­n irgendwie ähnlich.

Das sieht wiederum Ritter Sport anders: „Der wesentlich­e Wert einer Tafel Ritter Sport besteht in den guten Zutaten“, meint Thomas Seeger im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Und wenn man auf die umhüllende Verpackung abstelle, ließe diese weder das genaue Aussehen der Schokolade erkennen noch habe die Verpackung­sform einen eigenen wesentlich­en Wert. „Dies gilt sowohl bei rein ästhetisch­er Betrachtun­gsweise als auch in funktional­er Hinsicht. Die quadratisc­he Verpackung­sform schützt die Schokolade genauso wie beispielsw­eise eine rechteckig­e. Vor allem aber – und das wissen wir auch aus Umfragen – kaufen Verbrauche­r die Ritter Sport nicht wegen der quadratisc­hen Verpackung­sform. Damit jedoch hat die Verpackung­sform eben keinen wesentlich­en Wert“, sagt Seeger.

Das Urteil des Bundesgeri­chtshofs wird den Schokolade­n-Krieg entscheide­n. Es soll in den nächsten Wochen verkündet werden.

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FOTO: A. BLUM/DPA
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