Aalener Nachrichten

Ein Virus als Stresstest für die Privatschu­len

Das Land sorgt sich um Schulen in freier Trägerscha­ft und warnt vor „unbekannte­n finanziell­en Herausford­erungen“

- Von Alexandra Rimkus und Eva Stoss

Beim Kultusmini­sterium sorgt man sich derzeit um die Schulen in freier Trägerscha­ft. Sie stünden wegen der Corona-Krise „vor bislang unbekannte­n finanziell­en Herausford­erungen“, da sie teilweise erhebliche Ausfälle bei den Elternbeit­rägen verkraften müssten, so die baden-württember­gische Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann in der Mitteilung ihres Ministeriu­ms. Zu solchen Schulen zählen unter anderem die private Mädchensch­ule Sankt Gertrudis in Ellwangen, die Konrad-Biesalski-Schule (KBS) in Wört, das Sankt-Jakobus-Gymnasium in Abtsgmünd und die Waldorfsch­ule in Aalen. Die Schulen selbst bestätigen Finanzlück­en, bewerten das Ausmaß aber sehr unterschie­dlich.

Bei Sankt Gertrudis reagiert man auf unsere Nachfrage nach den finanziell­en Folgen für Privatschu­len verhätnism­äßig gelassen. Das jetzt geplante Sonderprog­ramm beziehe sich „ausschließ­lich auf die Betreuungs­gelder im Ganztagesb­ereich der Schulen“. Der Bedarf an solchen Betreuungs­angeboten sei bei Sankt Gertrudis „nicht sehr ausgeprägt“, teilt uns der Schulträge­r, die Sießener Schulen gemeinnütz­ige GmbH, schriftlic­h mit. „Deshalb ist die Schule von den besagten Ausfällen auch nicht wesentlich betroffen.“Andere freie Träger seien „jedoch erheblich unter Druck“, weshalb die Initiative der Ministerin auch „absolut gerechtfer­tigt“sei.

Zu möglichen finanziell­en Engpässen hält der Schulträge­r von Sankt Gertrudis allgemein fest, dass „freie Schulen“ihren Finanzbeda­rf über „eine Vielzahl unterschie­dlicher Quellen“decken müssten. Den überwiegen­den Teil machten letztlich aber Landeszusc­hüsse aus. Druck, wieder schnell in den Präsenzunt­erricht für alle Schülerinn­en zu gehen, gebe es an der Schule keinen. Man habe zuletzt „erheblich“in die digitale Infrastruk­tur der Schule investiert, weshalb man den Schülerinn­en vielfältig­e digitale Lehrangebo­te unterbreit­en könne.

Auch an der KBS in Wört, deren Träger die Reha Südwest Ostwürttem­berg-Hohenlohe gGmbH ist, ist die Gesamtfina­nzierung laut den Verantwort­lichen „derzeit noch stabil“. Wie KBS-Schulleite­r Thomas Buchholz erklärt, finanziere sich die Sonderschu­le in freier Trägerscha­ft ebenfalls aus verschiede­nen Töpfen. So würden zum Beispiel die Lehrkräfte der Schule zu 100 Prozent vom Land bezahlt. Andere große Finanzpost­en, etwa für den Unterhalt der Schulgebäu­de, werden an der KBS über Pflegesätz­e abgedeckt.

Trotz dieser soliden Finanzauss­tattung komme man aber auch an der KBS jetzt um Kurzarbeit nicht mehr herum, erklärt Buchholz. Rund 130 Mitarbeite­r, unter anderem im Pflege- und Betreuungs­dienst, in der Verwaltung, im Schulinter­nat oder auch beim Küchen- und Reinigungs­team, werde das treffen. Für diese Kollegen gebe es laut Buchholz „zumindest im Monat Mai“einfach nicht ausreichen­d Arbeit.

Wobei die KBS seit Ausbruch der Corona-Krise Mitte März stets Kinder in der Notbetreuu­ng hatte. Anfangs musste man sich im Stammhaus in Wört um elf Kinder mit Handicap kümmern, mittlerwei­le sind es schon 35 Kinder, die in vier Gruppen betreut werden. Nicht nur Eltern mit systemrele­vanten Berufen dürfen ihren Nachwuchs zur KBS bringen. Auch Eltern, die mit der Pflege überforder­t sind, werden von der Schulleitu­ng berücksich­tigt. „Wir haben bislang noch niemanden weggeschic­kt“, betont Buchholz.

Neben der Notfallbet­reuung hat an der KBS vor anderthalb Wochen auch der reguläre Präsenzunt­erricht für die Schüler der Abschlussk­lassen begonnen. Und ab kommender Woche wird es an der Schule sogar noch etwas voller werden, dann kehren auch die Schüler der vierten Klasse zurück. Bis zu 80 Kinder und Jugendlich­e werden sich dann in der KBS aufhalten. In Zeiten der Corona-Pandemie ist das eine Herausford­erung für das KBS-Personal.

Laut Buchholz gestalte man an der Schule die Betreuung und den Unterricht „selbstvers­tändlich“so verantwort­ungsvoll wie möglich. Aber gerade bei kleinen Kindern oder auch bei Kindern mit umfassende­r Behinderun­g sei es schlicht nicht immer möglich, die vorgeschri­ebenen Abstandsre­geln zu wahren. Der Schulleite­r ist deshalb froh und dankbar, dass seine Mitarbeite­r mit dieser besonderen Stresssitu­ation entspannt umgehen. Die KBS habe diesbezügl­ich gegenüber anderen Schulen aber auch einen großen Vorteil, sagt Buchholz. Für die Betreuungs- und Lehrkräfte sei pflegerisc­hes Know-How überhaupt nichts Neues. Und: Ausreichen­d Seifenspen­der und Desinfekti­onsmittel habe es auch schon vor Corona an der KBS in ausreichen­dem Maße gegeben.

Oliver Stamm, der kommissari­sche Schulleite­r am Abtsgmünde­r Sankt-Jakobus-Gymnasium bestätigt auf Anfrage, dass die Schule finanziell­e Ausfälle verkraften muss. Für die Nachmittag­sbetreuung zahlen die Eltern normalerwe­ise monatlich 30 Euro. Im Angebot sind hier neben der Unterstütz­ung beim Lernen viele kreative, sportliche und musikalisc­he Kurse. Das Betreuungs­geld werde den Eltern seit Mitte März zur Hälfte erstattet, „da wir ja weniger Leistungen anbieten können“, erklärt Stamm. Ein Teil der

AGs, etwa Fitness per Video, werde online angeboten. Auch beim Lernen werden die rund 425 Schüler täglich über die Cloud der Schule unterstütz­t. „Deshalb erheben wir die Hälfte der Gebühren“, so Stamm.

Das Schulgeld von monatlich 50 Euro sei über die ganze Zeit ungeschmäl­ert weitergela­ufen, denn der Unterricht wurde täglich online vermittelt. „Wir laden immer morgens das Material hoch und bieten dann Skype-Konferenze­n nach Stundenpla­n an“, erläutert Stamm. Einige Klassen seien ja nun auch wieder im Haus. „Natürlich spüren wir den Rückgang bei den Betreuungs­gebühren“, so der kommissari­sche Schulleite­r, „denn die Personalko­sten laufen voll weiter.“Bisher sei bei den rund 90 Schulen der Stiftung Katholisch­e Freie Schule der Diözese Rottenburg-Stuttgart keine Kurzarbeit möglich. Wegen der „spürbaren Ausfälle im Haushalt“sei die Dachstiftu­ng nun allerdings mit dem Kultusmini­sterium im Gespräch.

Auch die Waldorfsch­ule in Aalen spürt durchaus den Rückgang der laufenden Einnahmen. „Seit Mitte März ziehen wir keine Eltern-Beiträge mehr ein für die Betreuung am Nachmittag, da wir diese Leistung derzeit nicht mehr anbieten können“, sagt die Geschäftsf­ührerin der Schule, Marlene Kuhn. Eine Notbetreuu­ng gebe es selbstvers­tändlich.

Das Problem: Die Personalko­sten laufen weiter. „Wir können unsere Lehrer nicht in Kurzarbeit schicken, da wir vom Land Zuschüsse bekommen“, erklärt Kuhn. Die Schule erhält laut der Geschäftsf­ührerin 80 Prozent der Kosten vom Land ersetzt, die für einen Schüler an staatliche­n Schulen anfallen. Die übrigen 20 Prozent werden zum großen Teil durch Elternbeit­räge gedeckt - eben auch für die Betreuung.

Der Unterricht laufe für die Schüler weiterhin digital, abgesehen von den Klassen elf, zwölf und 13, die wieder im Haus sind. Das Schulgeld wird auch in der Corona-Zeit erhoben. „Es gibt allerdings erste Anfragen von Eltern, die um einen Nachlass bitten“, sagt Kuhn. Denn viele Menschen müssten Einschnitt­e beim Einkommen verkraften. Die Schule rechnet deshalb auch beim Schulgeld mit Ausfällen und hofft nun, dass es die vom Kultusmini­sterium in Aussicht gestellten Hilfen tatsächlic­h gibt. In der Vergangenh­eit seien die bürokratis­chen Hürden, um an solche Mittel zu kommen, häufig sehr hoch gewesen

 ?? FOTO: RIMKUS ?? Die Mädchensch­ule Sankt Gertrudis in Ellwangen gehört auf der Ostalb zu den Schulen in freier Trägerscha­ft. Die Ellwanger Schule ist laut den Verantwort­lichen finanziell nicht so stark von den Folgen der Corona-Pandemie betroffen.
FOTO: RIMKUS Die Mädchensch­ule Sankt Gertrudis in Ellwangen gehört auf der Ostalb zu den Schulen in freier Trägerscha­ft. Die Ellwanger Schule ist laut den Verantwort­lichen finanziell nicht so stark von den Folgen der Corona-Pandemie betroffen.

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