Ein Virus als Stresstest für die Privatschulen
Das Land sorgt sich um Schulen in freier Trägerschaft und warnt vor „unbekannten finanziellen Herausforderungen“
Beim Kultusministerium sorgt man sich derzeit um die Schulen in freier Trägerschaft. Sie stünden wegen der Corona-Krise „vor bislang unbekannten finanziellen Herausforderungen“, da sie teilweise erhebliche Ausfälle bei den Elternbeiträgen verkraften müssten, so die baden-württembergische Kultusministerin Susanne Eisenmann in der Mitteilung ihres Ministeriums. Zu solchen Schulen zählen unter anderem die private Mädchenschule Sankt Gertrudis in Ellwangen, die Konrad-Biesalski-Schule (KBS) in Wört, das Sankt-Jakobus-Gymnasium in Abtsgmünd und die Waldorfschule in Aalen. Die Schulen selbst bestätigen Finanzlücken, bewerten das Ausmaß aber sehr unterschiedlich.
Bei Sankt Gertrudis reagiert man auf unsere Nachfrage nach den finanziellen Folgen für Privatschulen verhätnismäßig gelassen. Das jetzt geplante Sonderprogramm beziehe sich „ausschließlich auf die Betreuungsgelder im Ganztagesbereich der Schulen“. Der Bedarf an solchen Betreuungsangeboten sei bei Sankt Gertrudis „nicht sehr ausgeprägt“, teilt uns der Schulträger, die Sießener Schulen gemeinnützige GmbH, schriftlich mit. „Deshalb ist die Schule von den besagten Ausfällen auch nicht wesentlich betroffen.“Andere freie Träger seien „jedoch erheblich unter Druck“, weshalb die Initiative der Ministerin auch „absolut gerechtfertigt“sei.
Zu möglichen finanziellen Engpässen hält der Schulträger von Sankt Gertrudis allgemein fest, dass „freie Schulen“ihren Finanzbedarf über „eine Vielzahl unterschiedlicher Quellen“decken müssten. Den überwiegenden Teil machten letztlich aber Landeszuschüsse aus. Druck, wieder schnell in den Präsenzunterricht für alle Schülerinnen zu gehen, gebe es an der Schule keinen. Man habe zuletzt „erheblich“in die digitale Infrastruktur der Schule investiert, weshalb man den Schülerinnen vielfältige digitale Lehrangebote unterbreiten könne.
Auch an der KBS in Wört, deren Träger die Reha Südwest Ostwürttemberg-Hohenlohe gGmbH ist, ist die Gesamtfinanzierung laut den Verantwortlichen „derzeit noch stabil“. Wie KBS-Schulleiter Thomas Buchholz erklärt, finanziere sich die Sonderschule in freier Trägerschaft ebenfalls aus verschiedenen Töpfen. So würden zum Beispiel die Lehrkräfte der Schule zu 100 Prozent vom Land bezahlt. Andere große Finanzposten, etwa für den Unterhalt der Schulgebäude, werden an der KBS über Pflegesätze abgedeckt.
Trotz dieser soliden Finanzausstattung komme man aber auch an der KBS jetzt um Kurzarbeit nicht mehr herum, erklärt Buchholz. Rund 130 Mitarbeiter, unter anderem im Pflege- und Betreuungsdienst, in der Verwaltung, im Schulinternat oder auch beim Küchen- und Reinigungsteam, werde das treffen. Für diese Kollegen gebe es laut Buchholz „zumindest im Monat Mai“einfach nicht ausreichend Arbeit.
Wobei die KBS seit Ausbruch der Corona-Krise Mitte März stets Kinder in der Notbetreuung hatte. Anfangs musste man sich im Stammhaus in Wört um elf Kinder mit Handicap kümmern, mittlerweile sind es schon 35 Kinder, die in vier Gruppen betreut werden. Nicht nur Eltern mit systemrelevanten Berufen dürfen ihren Nachwuchs zur KBS bringen. Auch Eltern, die mit der Pflege überfordert sind, werden von der Schulleitung berücksichtigt. „Wir haben bislang noch niemanden weggeschickt“, betont Buchholz.
Neben der Notfallbetreuung hat an der KBS vor anderthalb Wochen auch der reguläre Präsenzunterricht für die Schüler der Abschlussklassen begonnen. Und ab kommender Woche wird es an der Schule sogar noch etwas voller werden, dann kehren auch die Schüler der vierten Klasse zurück. Bis zu 80 Kinder und Jugendliche werden sich dann in der KBS aufhalten. In Zeiten der Corona-Pandemie ist das eine Herausforderung für das KBS-Personal.
Laut Buchholz gestalte man an der Schule die Betreuung und den Unterricht „selbstverständlich“so verantwortungsvoll wie möglich. Aber gerade bei kleinen Kindern oder auch bei Kindern mit umfassender Behinderung sei es schlicht nicht immer möglich, die vorgeschriebenen Abstandsregeln zu wahren. Der Schulleiter ist deshalb froh und dankbar, dass seine Mitarbeiter mit dieser besonderen Stresssituation entspannt umgehen. Die KBS habe diesbezüglich gegenüber anderen Schulen aber auch einen großen Vorteil, sagt Buchholz. Für die Betreuungs- und Lehrkräfte sei pflegerisches Know-How überhaupt nichts Neues. Und: Ausreichend Seifenspender und Desinfektionsmittel habe es auch schon vor Corona an der KBS in ausreichendem Maße gegeben.
Oliver Stamm, der kommissarische Schulleiter am Abtsgmünder Sankt-Jakobus-Gymnasium bestätigt auf Anfrage, dass die Schule finanzielle Ausfälle verkraften muss. Für die Nachmittagsbetreuung zahlen die Eltern normalerweise monatlich 30 Euro. Im Angebot sind hier neben der Unterstützung beim Lernen viele kreative, sportliche und musikalische Kurse. Das Betreuungsgeld werde den Eltern seit Mitte März zur Hälfte erstattet, „da wir ja weniger Leistungen anbieten können“, erklärt Stamm. Ein Teil der
AGs, etwa Fitness per Video, werde online angeboten. Auch beim Lernen werden die rund 425 Schüler täglich über die Cloud der Schule unterstützt. „Deshalb erheben wir die Hälfte der Gebühren“, so Stamm.
Das Schulgeld von monatlich 50 Euro sei über die ganze Zeit ungeschmälert weitergelaufen, denn der Unterricht wurde täglich online vermittelt. „Wir laden immer morgens das Material hoch und bieten dann Skype-Konferenzen nach Stundenplan an“, erläutert Stamm. Einige Klassen seien ja nun auch wieder im Haus. „Natürlich spüren wir den Rückgang bei den Betreuungsgebühren“, so der kommissarische Schulleiter, „denn die Personalkosten laufen voll weiter.“Bisher sei bei den rund 90 Schulen der Stiftung Katholische Freie Schule der Diözese Rottenburg-Stuttgart keine Kurzarbeit möglich. Wegen der „spürbaren Ausfälle im Haushalt“sei die Dachstiftung nun allerdings mit dem Kultusministerium im Gespräch.
Auch die Waldorfschule in Aalen spürt durchaus den Rückgang der laufenden Einnahmen. „Seit Mitte März ziehen wir keine Eltern-Beiträge mehr ein für die Betreuung am Nachmittag, da wir diese Leistung derzeit nicht mehr anbieten können“, sagt die Geschäftsführerin der Schule, Marlene Kuhn. Eine Notbetreuung gebe es selbstverständlich.
Das Problem: Die Personalkosten laufen weiter. „Wir können unsere Lehrer nicht in Kurzarbeit schicken, da wir vom Land Zuschüsse bekommen“, erklärt Kuhn. Die Schule erhält laut der Geschäftsführerin 80 Prozent der Kosten vom Land ersetzt, die für einen Schüler an staatlichen Schulen anfallen. Die übrigen 20 Prozent werden zum großen Teil durch Elternbeiträge gedeckt - eben auch für die Betreuung.
Der Unterricht laufe für die Schüler weiterhin digital, abgesehen von den Klassen elf, zwölf und 13, die wieder im Haus sind. Das Schulgeld wird auch in der Corona-Zeit erhoben. „Es gibt allerdings erste Anfragen von Eltern, die um einen Nachlass bitten“, sagt Kuhn. Denn viele Menschen müssten Einschnitte beim Einkommen verkraften. Die Schule rechnet deshalb auch beim Schulgeld mit Ausfällen und hofft nun, dass es die vom Kultusministerium in Aussicht gestellten Hilfen tatsächlich gibt. In der Vergangenheit seien die bürokratischen Hürden, um an solche Mittel zu kommen, häufig sehr hoch gewesen