Das Gedächtnis der Stadt
Stadtarchivarin Johanna Fuchs sichtet und erfasst Bopfingens Stadtgeschichte
- „Als ich angefangen habe, haben viele gesagt: Das ist eine Lebensaufgabe.“Seit ziemlich genau einem Jahr ist Johanna Fuchs Stadtarchivarin der Stadt Bopfingen. Ihre Aufgabe: Das Gedächtnis der Stadt zu erfassen, zu sichten und zu ordnen. „Derzeit arbeite ich an der Umsetzung einer Archivsoftware, die es mir ermöglicht, eine digitale Datenbank aufzubauen.“
Das, was die vergangenen Jahrhunderte in Bopfingen hinterlassen haben, ist umfangreich. Auf gut 1200 laufende Meter schätzt Johanna Fuchs die Archivalien – verteilt auf das eigentliche Stadtarchiv im Rathaus und eine Lagerhalle bei der Firma VAF in der Bergstraße. Im Rathaus liegt nur das, was regelmäßig gebraucht wird, im Magazin in der Bergstraße, das noch nicht erschlossen ist, vieles mehr: „Vor allem Verwaltungsakten“, erklärt Johanna Fuchs: Ratsprotokolle (auch aus der reichsstädtischen Zeit um 1600), Bauanträge, standesamtliche Urkunden, Meldewesen - das Übliche in kommunalen Archiven. Vermutlich die älteste Archivalie ist eine Urkunde von 1540.
Hinzu kommen Akten aus den Teilorten, Nachlässe, Sammlungen, zudem Plakate von Veranstaltungen wie etwa der Ipf-Mess (von Beginn an), Postkarten, Ansichten, Korrespondenzen, auch aus den Kriegen, Unterlagen von Parteien, Sportvereinen, Firmen, Gemälde, aber auch private Foto-Sammlungen. „Die sind besonders interessant, weil sie zeigen, wie sich eine Stadt verändert hat“, sagt Fuchs, „diese Fotos zeigen ein lebendiges Bild der Stadt.“
Und das alles muss nun zuerst einmal gesichtet werden. Wie lange das dauert? Johanna Fuchs macht ein Rechenexempel auf: „Für eine Akte mit drei, vier Zentimetern Stärke brauche ich ungefähr zwei bis drei Stunden“, erklärt sie: Zustand sichten, säubern, wenn nötig reparieren, einordnen, die „inhaltliche Auseinandersetzung“, die Hauptaufgabe einer Archivarin. Dafür muss zunächst ein System, eine Tektonik, gefunden werden, eine sinnvolle Einordnung in Themenschwerpunkte.
Fuchs: „Hier beginnt meine Arbeit. Suche ich nach bestimmten Dokumenten, will ich nicht in zehn verschiedenen Regalen unter 20 verschiedenen Nummern und Signaturen suchen. Ich will schnell an die Dokumente herankommen. Dokumente aus reichsstädtischer Zeit zum Beispiel sollten deshalb möglichst beisammenstehen.“Bei 1200 laufenden Metern ist klar: Es ist tatsächlich eine Lebensaufgabe für die 30-jährige Stadtarchivarin.
Dabei geht es auch um das „Leben“der Archivalien. Tackernadeln und Gummihalter müssen weg, da sie den Papieren nachhaltig Schaden zufügen. Die Archivalien müssen dunkel und trocken gelagert werden. Das ist im Bopfinger Magazin der Fall. Die speziell ausgerüstete Halle hat keine Fenster, verfügt aber über eine Lüftungsanlage. Auch nach der Sichtung müssen die Dokumente materialgerecht verpackt werden, um eine möglichst hohe Langlebigkeit zu erzielen.
Selbst ein Archiv lebt. Ständig kommen neue Dokumente, Veränderungen, Neuerungen hinzu, es wächst: „Die Arbeit im Archiv ist nie zu Ende“, fasst Fuchs zusammen. Und für wen die ganze Arbeit? Per Gesetz ist der „Zugang zu historischen Quellen jeder Person zu ermöglichen, die ein glaubhaftes und vertretbares Interesse bekunden kann“. Das können zum Beispiel Familienoder Heimatforscher, Historiker, Schüler oder Studenten sein. Durch Unterlagen in den Archiven können Stammbäume bis ins Mittelalter nachvollzogen werden. Bis das Bopfinger Archiv allerdings bereit für den Besucherverkehr ist, wird es noch etwas dauern.
Bietet der Blick in die Vergangenheit auch Kurioses? „Ja“, sagt Johanna Fuchs, „ausgestopfte Tiere zum Beispiel, Kanonenkugeln, Reitersporen, Gartenzwerge. Spannend sind auch die handschriftlichen Kommentare an den Rändern.“
Zunächst wird also alles gesichtet, repariert und geordnet, eine Aufgabe, der sich Fuchs mit Herzblut und Leidenschaft widmen will. Denn dann, so Fuchs, „beginnt die eigentliche Forschung.“Wie gesagt: Die Arbeit im Archiv ist nie zu Ende.