Reisen oder nicht reisen?
Regierung plant zum 15. Juni Lockerungen. Kunden sind noch zurückhaltend.
- „Die Verunsicherung ist groß, was das Reisen angeht“, sagt Karin Grötzinger-Demirtas bestimmt. Sie bekommt sie tagtäglich bei ihrer Arbeit im Reisebüro Demirtas zu spüren. „Aber wir wissen auch nicht mehr als das, was man in den Nachrichten erfährt.“So will Bundesaußenminister Heiko Maas ab dem 15. Juni die weltweite Reisewarnung aufheben und einige Länder haben angekündigt, ihre Grenzen ab Juni oder Juli wieder für Touristen zu öffnen. Was das aber konkret für Urlauber und die Branche bedeutet, bleibt noch ungewiss.
Deshalb ist Grötzinger-Demirtas auch in puncto Prognosen extrem zurückhaltend. Schließlich wisse keiner, wie die Hotels vor Ort letztlich mit den Corona-Maßnahmen umgehen, „ob man zum Beispiel neben einer Plexiglasscheibe am Strand liegt oder wie die Vorgaben umgesetzt werden“. Das sei auch der Grund, warum ihre Kunden noch abwarten.
In Bezug auf deren Loyalität ist Grötzinger-Demirtas allerdings überwältigt: „Bis auf eine oder zwei Beschwerden sind all unsere Kunden sehr einsichtig und haben Verständnis.“Die Mehrheit habe zugesichert, ihnen weiterhin die Treue zu halten. Das ganze Team lebe in der Hoffnung, bald wieder ein Stück Normalität zurückzubekommen. „Und die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt“, so Grötzinger-Demirtas.
Dass die Buchungsanfragen der Kunden noch sehr zurückhaltend sind, bestätigt auch Melanie Thalheimer vom RMS-Reisebüro im Reichsstädter Markt. Die Auswirkungen im Urlaubsland seien schlichtweg noch nicht abschätzbar und den Kunden nochmal eine Reise zu stornieren wäre „nicht hinnehmbar“. „Wenn jemand bucht, dann eher in Deutschland. Da kann man mit dem eigenen Auto anreisen und ist flexibel. Ich hatte jetzt auch schon ein paar Anfragen für Österreich“, so Thalheimer.
Internationale Reisen würden für 2021 oder 2022 angefragt. „Aber um eine Prognose abgeben zu können, wann ,normales’ Reisen wieder möglich sein wird, müssten wir Hellseher sein.“Fakt ist, dass die Corona-Krise das Reisebüro hart getroffen hat: Kurzarbeit, 50 Prozent, Arbeiten ohne Einnahmen, Soforthilfe für die kommenden drei Monate ist beantragt.
Auch Ulrich Rau vom OVA-Reisebüro betont: „Alle Touristikbereiche sind von der Krise massiv wirtschaftlich betroffen. Wir haben vernünftig reagiert und Kosten, wo möglich, reduziert.“Er fügt positiv gestimmt hinzu: „Wir schaffen das.“Mit 40 Prozent Kurzarbeit wolle man zumindest die laufende Erreichbarkeit und Öffnungszeiten sichern. Ansonsten ist Rau froh, dass es wieder los geht: „Es ist ganz wichtig, dass wir und alle Kunden wieder eine Perspektive haben, wie es weitergeht.“
Derzeit habe das OVA-Reisebüro noch viel mit den aktuellen Stornierungen und Umbuchungen zu tun. „Neubuchungen sind sehr verhalten“, so Rau. Dabei gelten für diese bei den Reiseveranstaltern großzügige Stornierungsregelungen und das Buchungsrisiko werde minimiert. „Wer im Sommer Urlaub in Deutschland
machen will, sollte sich aber sputen. Es sind schon jetzt an einigen Orten Hotels ausgebucht.“Er selbst hat einen Nordsee-, andere Mitarbeiterinnen einen Ostsee-Urlaub geplant.
Die Entscheidung der Regierung, die Reisewarnung aufzuheben, begrüßt auch Joachim Schubert vom Reisebüro Beck und Schubert. Seine Mitarbeiterinnern seien in den vergangenen Wochen fast ausschließlich mit der Abwicklung von Stornos beschäftigt gewesen und „freuen sich nun, dass das Geschäft mit Kundenberatungen langsam wieder anläuft“, wenngleich ebenfalls eher verhalten.
Bei der Beratung stehe die Sicherheit der Kunden im jeweiligen Urlaubsgebiet an erster Stelle. „Nur wenn wir sicher sein können, dass bei den Reiseangeboten die aktuellen Hygienevorgaben zugesichert werden, werden wir unseren Kunden die Reise empfehlen. Auch werden wir im Sinne einer objektiven Reiseberatung unsere Kunden über die zu erwartenden Einschränkungen am Urlaubsort hinweisen“, so Schubert.
Seit Kurzem erhält das Reisebüro vermehrt Anfragen für das zweite Halbjahr 2020. „Vor allem werden dabei Reisen innerhalb der EU angefragt, wie zum Beispiel Norwegen, Schweden, Niederlande, Griechenland und Kroatien, aber auch innerdeutsche Zielgebiete wie Ost- und Nordsee.“Schubert fügt hinzu: „Reisewillige Kunden wissen, dass Einschränkungen am Urlaubsort möglich sind. Viele Kunden akzeptieren dies, da sie auf ihren wohlverdienten Urlaub nicht unbedingt verzichten möchten.“
Während des Lockdowns seien seine Kunden besonders froh gewesen, einen örtlichen Ansprechpartner gehabt zu haben, der über einen direkten Draht zu Airlines, Veranstaltern und Kreuzfahrtgesellschaften alles abklären konnte. „Es gab Anfragen von Betroffenen, die über Internetplattformen oder direkt bei Airlines gebucht hatten und nirgendwo Hilfe bekamen. Und leider mussten auch wir feststellen, dass es Veranstalter gab, die nicht mehr oder sehr verzögert auf unsere Anfragen reagierten.“Alles in allem ist Schubert aber positiv gestimmt: „Diese Zeit hat umso mehr gezeigt, wie wertvoll das Reisen ist.“
Zu guter Letzt gibt Ilona Diebold von Aktiv-Reisen noch einen ganz persönlichen Tipp: „Mein Urlaub in diesem Jahr wird mich auf die Baleareninsel Formentera führen, auf der aktuell kein Corona-Fall zu verzeichnen ist. Darüber hinaus sprechen die kurze Flugzeit von knapp zwei Stunden, die kleinen Hotelanlagen, sowie die traumhaft schönen Puderzuckersandstrände durchaus für die kleinste der spanischen Baleareninseln im Mittelmeer.“
„Wer im Sommer Urlaub in Deutschland machen will, der sollte sich sputen“, sagt Ulrich Rau.