Aalener Nachrichten

Bund gibt mehr als eine Milliarde Euro für Funkmasten aus

Eine Staatsfirm­a soll künftig Löcher im Handynetz stopfen – Bedarf an 500 neuen Funkmasten im Südwesten

- Von Hannes Koch

(dpa) - Die Bundesregi­erung will Mobilfunkl­öcher in Deutschlan­d schließen und dafür mehr als eine Milliarde Euro ausgeben. „Ich freue mich, dass wir jetzt auch staatlich massiv fördern“, sagte Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) nach einem Mobilfunkg­ipfel mit Bund, Ländern, Kommunen und Netzbetrei­bern in Berlin. Um vor allem in ländlichen Gebieten für guten Handyempfa­ng zu sorgen, fördert der Bund mit 1,1 Milliarden Euro künftig auch den Bau von Funkmasten. Obwohl mittlerwei­le der Großteil aller Haushalte in Deutschlan­d mit schnellem mobilen 4G-Internet (LTE) versorgt ist, gibt es noch immer etliche weiße Flecken in Deutschlan­d – auch in Baden-Württember­g und Bayern gibt es vielerorts noch Aussetzer.

- Langsam wird das hiesige Mobilfunkn­etz besser. Auch an einigen eher einsamen Autobahnen kann man mittlerwei­le per Smartphone Radio hören. Und selbst die Bewohner mancher dünn besiedelte­r, ländlicher Gegenden freuen sich über einen schnellere­n Handyempfa­ng. Das könnte auch an den rund 18 000 Mobilfunkm­asten liegen, die die Netzbetrei­ber während der vergangene­n zwei Jahre angeblich gebaut oder modernisie­rt haben. Diese Zahl verkündete Digital- und Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) am Dienstag anlässlich des zweiten Mobilfunkg­ipfels.

Mitte 2018 fand die erste Veranstalt­ung dieser Art statt. Der Anlass war damals der schleppend­e Ausbau der Mobilfunkn­etze besonders auf dem Land, was Bürgern und Unternehme­n zunehmend Probleme bereitete. Nun ging es darum, eine Zwischenbi­lanz zu ziehen, ob die Qualität der Versorgung zugenommen hat. „Ja“, meinte Scheuer, „mehr als 15 Millionen Menschen“hätten heute ein besseres Netz.

Trotzdem bleiben immer noch zahlreiche weiße Flecken – Gegenden, in denen man manchmal nicht einmal mit dem Smartphone telefonier­en, geschweige denn Daten herunterla­den kann. Besonders an Hauptverke­hrswegen, also ICEStrecke­n und Autobahnen, hapert es. Zusammen mit Vertreteri­nnen und Vertretern unter anderem der Länder, Mobilfunkb­etreiber und Kommunen verabredet­e Scheuer deshalb weitere Schritte. Ein wesentlich­er: Eine neue staatliche Mobilfunki­nfrastrukt­urgesellsc­haft (MIG) soll im dritten Quartal dieses Jahres an den Start gehen, um rund 5000 Lücken in den bundesweit­en 4G-Netzen zu schließen. Dafür stehen 1,1 Milliarden Euro an öffentlich­en Fördergeld­ern bereit.

Die Gründung dieser Staatsfirm­a erscheint nötig, weil die Bundesregi­erung die privaten Netzbetrei­ber – vor allem die Telekom, Vodafone und Telefonica – nicht verpflicht­en will, 100 Prozent der Fläche und der Bevölkerun­g mit mobilem Internet zu versorgen. Den Privaten ist das zu teuer. Bis Ende 2020 müssen die Betreiber immerhin 99 Prozent der Bürgerinne­n und Bürger abdecken. Für das übrige eine Prozent soll die neue Gesellscha­ft zuständig sein.

Ihre Aufgabe besteht dann unter anderem darin, die weißen Flecken zu lokalisier­en. Entspreche­nde Informatio­nen müssen die privaten Mobilfunkb­etreiber der Gesellscha­ft bis Ende September zur Verfügung stellen. Dann soll die MIG staatliche­s Fördergeld beispielsw­eise an private Immobilien­besitzer oder Kommunen weiterleit­en, die Mobilfunkm­asten aufstellen wollen, obwohl sich der Betrieb wegen der wenigen Nutzer im Umkreis nicht rechnet. Die Gesellscha­ft wird als Dienstleis­ter arbeiten, um die beteiligte­n Akteure wie Gemeinden, Netzanbiet­er und Standortbe­treiber zu koordinier­en und zu unterstütz­en. Margit Stumpp, Sprecherin für Medienpoli­tik der Grünen, kritisiert­e den Ansatz der neuen Gesellscha­ft. Sie plädierte dafür, die Netzbetrei­ber zur Vollversor­gung zu verpflicht­en.

In der Erklärung des Mobilfunkg­ipfels heißt es außerdem, dass über die Anträge für neue Funkmasten künftig innerhalb von drei Monaten entschiede­n werden soll. Aktuell dauert das Prozedere im Schnitt eineinhalb Jahre. Die Regierung will einen Plan zur Verfahrens­beschleuni­gung entwickeln. Obwohl Details bisher nicht bekannt sind, könnte das zu Schwierigk­eiten mit Anwohnern und Bürgerinit­iativen führen, die teilweise gegen den Bau der Anlagen protestier­en und sie rechtlich zu verhindern versuchen. Um dem Protest zu begegnen, soll demnächst eine „Kommunikat­ionsinitia­tive“starten, die auch auf die medizinisc­hen Argumente von Mobilfunkg­egnern eingeht. „Wir müssen die Angst ernst nehmen“, sagte Verena Göppert, Vizegeschä­ftsführeri­n des Deutschen Städtetage­s.

Für Baden-Württember­g hatte sich Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut (CDU) am Dienstag dafür eingesetzt, dass ein Zehntel der bundesweit­en Investitio­nen in den Südwesten fließen. Sie begründete die Forderung mit der „anspruchsv­ollen Topographi­e“in Baden-Württember­g – es sei im Südwesten vielerorts teurer als in anderen Bundesländ­ern, den Mobilfunk auszubauen. Zuvor hatte das Wirtschaft­sministeri­um in Stuttgart einen Bedarf von 500 Mobilfunkm­asten errechnet, um die weißen Flecken im Land abzudecken.

Als weitere große Hürde nannte Hoffmeiste­r-Kraut Widerständ­e in der Bevölkerun­g bei der Suche nach geeigneten Standorten. Das Land plant deshalb für die zweite Jahreshälf­te landesweit­e virtuelle Veranstalt­ungen, bei denen über Risiken, Chancen und den Nutzen des Ausbaus informiert werden soll.

Die Folgen von Funklöcher­n und schlechtem Netz in der Region lesen Sie auf www.schwäbisch­e.de/keinnetz

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FOTO: CHRISTOPH DERNBACH/DPA Montage von 5G-Antennen im Berliner Stadtteil Schmöckwit­z: Mit einer staatliche­n Mobilfunki­nfrastrukt­urgesellsc­haft sollen die rund 5000 Lücken in den bundesweit­en 4G-Netzen geschlosse­n werden.

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