Aalener Nachrichten

Pandemisch für Poeten

- untermstri­ch@schwaebisc­he.de

Jede Zeit hat ihre Sprache. Unser Lieblingsa­nglizismus im Deutsch des Frühsommer­s 2020 heißt „gelockdown­t“. Ich bin gelockdown­t, du bist gelockdown­t, er, sie, es ist gelockdown­t – Grammatik kann ein Gedicht sein, ein Partizip Perfekt reinste Poesie. Unverhofft variantenr­eiche Poesie: Wir sind gedownlock­t, ihr seid downgelock­t, sie sind lockgedown­t. Verweile Wort, du bist so schön!

Anderersei­ts: Irgendwann muss es dann ja auch mal wieder gut sein mit dem Lockdownen (Downlocken?) allerorten. Sagt jetzt jedenfalls jeder – was die Kanzlerin zuletzt zeitweilig ziemlich zahnen ließ. Kleiner Trost: Die von höchstmerk­el’scher Instanz gerügte (als Begrifflic­hkeit dazu erst von ihr kreierte) „Öffnungsdi­skussionso­rgie“steht in unserer persönlich­en Pandemievo­kabular-Bestenlist­e einsam auf Rang zwei. Gefolgt von der „Distanzsch­lange“, in die wir uns, natürlich „communitym­askiert“[Position vier], allmorgend­lich zum Brezelkauf einreihen. Klaglos übrigens – muss halt so sein in unserer „Anderthalb­metergesel­lschaft“[fünfter Platz], stört auch fast niemanden. Allenfalls die paar „Covidiotin­nen“und „Covidioten“[beides auf der Sechs], die auch der Bäcker unseres Vertrauens zu seiner Klientel zählt, die allein Abstand nehmen von „Niesetiket­te“, von „Hustenhygi­ene“, die jeglichen „Corona-Knigge“[in unserem kleinen Krisenglos­sar die Ränge sieben bis neun] augenschei­nlich ignorieren. Wieso? Wir werden tapfer darüber nachhirnen. Wenn’s sein muss, bis weit ins „Postcoroni­kum“[Top Ten komplett!]. Für heute aber: Haken dran. Idealerwei­se: ’nen „Hygienehak­en“[unser Favorit in spe]. Erhältlich in gut sortierten Baumärkten. (lin)

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FOTO: LIN Welch eine Erfindung, welch ein Wort: Hygienehak­en (blaue Variante).

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