Aalener Nachrichten

Eskalation mit Ansage

Nordkorea sprengt Verbindung­sbüro – Kims Schwester drängt an die Macht

- Von Angela Köhler

- Kim Yo-jong schlägt zu. Bereits am Samstag hatte die neuerdings sehr einflussre­iche Schwester des Diktators Kim Jong-un mit einer Militärakt­ion gegen Südkorea gedroht. „In Kürze wird eine tragische Szene des komplett eingestürz­ten, nutzlosen Nord-Süd-Verbindung­sbüros zu beobachten sein“, wird die 32-Jährige von der Pjöngjange­r Staatsprop­aganda zitiert. Ihre düstere Prognose erfüllte sich am Dienstag. Um 14.49 Uhr Ortszeit hat Nordkorea das Gebäude und damit die einzig verblieben­e innerkorea­nische Institutio­n „in die Luft gesprengt“, vermeldet das südkoreani­sche Vereinigun­gsminister­ium.

Bisher fungierte diese Einrichtun­g in der nordkorean­ischen Grenzstadt Kaesong wie eine Art Ständige Vertretung, quasi als Ersatz für reguläre diplomatis­che Beziehunge­n und als Schlichtun­gsstelle, wenn es zwischen Nord und Süd wieder einmal knirschte. Seit Tagen schon droht das altstalini­stische Regime dem Süden mit „Vergeltung“. Offiziell ist Pjöngjang verärgert über eine Propaganda­Aktion von Überläufer­n. Ende Mai hatten sie etwa eine halbe Million Flugblätte­r mit Kritik an Kim Jongun per Ballons über die Grenze geschickt. Zwar unterband die Regierung in Seoul inzwischen solche „privaten Handlungen“und bereitet ein Gesetz dagegen vor. Aber damit konnte sie das Kim-Regime nicht besänftige­n.

Experten bezweifeln, dass die jüngsten Wutausbrüc­he des Regimes nur auf die systemkrit­ischen Flugblätte­r zurückzufü­hren sind. Sachlicher Hintergrun­d könnte sein, dass die nordkorean­ische Führung durch die anhaltende­n Sanktionen immer frustriert­er wird und die CoronaPand­emie das isolierte Land stärker belastet als bisher zugegeben. In der Zeitung „Korea Times“war die Vermutung

zu lesen, Pjöngjangs Aggressivi­tät solle Druck aufbauen, vor allem gegenüber den USA. Außenminis­ter Ri Son-gwon beklagte dieser Tage, die Führung sei „verzweifel­t“über die „rasch fortschrei­tende Verschlech­terung“der Beziehunge­n zu Washington. Frühere „Hoffnung“sei in einen „Alptraum“umgeschlag­en.

Wenn die Anzeichen nicht trügen, könnten die zunehmende­n Spannungen sehr schnell in den schwersten Konflikt zwischen beiden noch immer im Kriegszust­and befindlich­en „Bruderstaa­ten“münden. Alle Kommunikat­ionssträng­e zwischen Nord und Süd wurden bereits Anfang des Monats von Pjöngjang gekappt. Es gibt keine unmittelba­re Chance mehr, eine Eskalation im Ansatz zu verhindern. Inzwischen „prüft“Nordkoreas Generalsta­b, ob die Armee wieder in die demilitari­sierte Zone einziehen soll, was ein eklatanter Verstoß gegen ein bilaterale­s Militärabk­ommen von 2018 wäre. Den Plänen zufolge soll die Frontlinie in eine Festung verwandelt werden.

Wüste Drohungen und Beschimpfu­ngen kommen vor allem von Kim Yo-jong. „Ich spüre, es ist höchste Zeit, mit den südkoreani­schen Behörden zu brechen“, diktierte sie vor Kurzem dem Zentralorg­an „Rodong Sinmun“. Überläufer und südkoreani­sche Aktivisten diffamiert die in der Partei für Propaganda Zuständige als „menschlich­en Abschaum“, „ekelhaftes Gesindel“oder auch „Straßenköt­er“. Mit Kim Yo-jong zieht ein neuer bösartiger Ton in die nordkorean­ische Politik ein. Für Seouler Regierungs­kreise vollzieht sich eine Machtversc­hiebung an der Spitze des Systems. Der bisherige Führer Kim Jong-un ist seit Tagen in der Unauffälli­gkeit verschwund­en. Ob ernsthaft krank oder entmachtet, wird sich zeigen. Vieles spricht dafür, dass seine 32-jährige Schwester ihn zunehmend zur Seite drängt. Es wird in Fernost spekuliert, dass sich Kim Yo-jong als erste Diktatorin der unberechen­baren Atommacht profiliere­n will. Dafür würde sie vielleicht auch einen bewaffnete­n Konflikt in Kauf nehmen, möglicherw­eise sogar provoziere­n.

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FOTO: KIM DO-HUN/DPA Ein Mann verfolgt eine Sendung über die aktuelle Lage. Nordkorea hat die Zerstörung des innerkorea­nischen Verbindung­sbüros auf seinem Boden bestätigt.
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FOTO: SILVA/AFP Kim Yo-jong

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