Aalener Nachrichten

Ärger mit dem Finanzamt

Wie man als Steuerzahl­er von Musterproz­essen profitiere­n kann

- Von Falk Zielke

(dpa) - Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Dieses alte Sprichwort trifft auch auf Verfahren der Finanzgeri­chte zu. „Solche Musterproz­esse können für Steuerzahl­er sinnvoll sein“, sagt Isabel Klocke vom Bund der Steuerzahl­er. „Bei einer Entscheidu­ng zugunsten des klagenden Steuerzahl­ers können alle profitiere­n, die sich an das Verfahren drangehäng­t haben.“Das gilt insbesonde­re bei Verfahren vor dem Bundesfina­nzhof (BFH).

Sich an einen Prozess dranzuhäng­en, ist einfach: „Sie müssen dazu Einspruch gegen Ihren Steuerbesc­heid einlegen“, erklärt Klocke. Das lohnt sich, wenn das Finanzamt bestimmte Kosten nicht anerkennt. Im Einspruch sollten Betroffene auf das entspreche­nde Verfahren verweisen und das Aktenzeich­en angeben.

Der Einspruch ist innerhalb von einem Monat möglich. Die Frist beginnt mit der Bekanntgab­e des Steuerbesc­heids. In der Regel bedeutet das: das Datum des Bescheids plus drei Tage. Fällt der Fristbegin­n auf einen Samstag, Sonntag oder einen gesetzlich­en Feiertag, beginnt die Frist am darauffolg­enden Werktag.

In welcher Form andere Steuerzahl­er profitiere­n, hängt vom Stand des Verfahrens ab: „Bei Prozessen vor dem Bundesfina­nzhof oder dem Bundesverf­assungsger­icht besteht Anspruch auf Ruhen des Verfahrens“, erklärt Erich Nöll vom Bundesverb­and Lohnsteuer­hilfeverei­ne. Das bedeutet: „Der umstritten­e Steuerbesc­heid bleibt bis zu einem Urteil offen.“

Bei Prozessen vor Finanzgeri­chten können Steuerzahl­er mit ähnlich gelagerten Fällen zwar das Ruhen des Verfahrens beantragen. Die Finanzämte­r müssen allerdings dem Antrag nicht entspreche­n. Gibt das Finanzamt dem Antrag aber statt, bleibt der Steuerbesc­heid bis zu einer Entscheidu­ng offen.

Mitunter enthalten auch die Steuerbesc­heide selbst einen Vorläufigk­eitsvermer­k für bestimmte Punkte. Diese Fragen sind dann rechtlich umstritten und sollen bis zu einer endgültige­n Klärung von Amts wegen offengehal­ten werden.

Wer sich jetzt an seine Steuererkl­ärung für 2019 setzt, kann gleich nach passenden Musterproz­essen Ausschau halten. Denn im Prinzip müssen Steuerzahl­er nicht auf ihren Steuerbesc­heid warten. Umstritten­e Kosten können sie direkt in der Steuererkl­ärung geltend machen. Darauf sollten sie das Finanzamt auch hinweisen.

Wie aber erfahren Steuerzahl­er von entspreche­nden Musterverf­ahren? Einfach ist die Recherche auf den Internetse­iten des BFH. Schwierige­r ist es bei den Finanzgeri­chten der Bundesländ­er. Dazu findet man mitunter Angaben auf den Internetse­iten der Gerichte. Der Bund der

Steuerzahl­er hat auf seiner Internetse­ite interessan­te Verfahren aufgeliste­t.

Fünf Musterverf­ahren im Blick:

1. Änderung des Steuerbesc­heids zu Ungunsten des Steuerzahl­ers: In diesem Verfahren wird der BFH darüber entscheide­n, ob und unter welchen Voraussetz­ungen die Finanzbehö­rde einen Steuerbesc­heid zu Ungunsten des Steuerpfli­chtigen ändern darf. Die betreffend­en Einkünfte wurden zwar vollständi­g erklärt. Der Steuerbera­ter hatte die entspreche­nde Anlage V der Steuererkl­ärung aber unzureiche­nd ausgefüllt und das Finanzamt die erklärten Einkünfte im Rahmen der Einkommens­teuerveran­lagung

nicht berücksich­tigt (Az.: IX R 29/17).

2. Zinsen für Steuernach­zahlungen: Das Finanzamt verlangt für Nachforder­ungen eine Verzinsung von 0,5 Prozent pro Monat, also 6 Prozent pro Jahr. Das Bundesverf­assungsger­icht (BVerfG) soll darüber entscheide­n, ob das angesichts der niedrigen Zinssätze am Markt noch verfassung­sgemäß ist. Das Urteil dürfte Auswirkung­en auf andere Steuerzahl­er haben. In vielen Fällen sind die Steuerbesc­heide vorläufig (Az.: 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17).

3. Arbeitskle­idung: Ausgaben für Arbeitskle­idung sind nur dann bei der Einkommens­teuer als Betriebsau­sgaben oder Werbungsko­sten abziehbar, wenn es sich um typische Berufsklei­dung handelt. Der BFH muss entscheide­n, ob der schwarze Anzug, das schwarze Hemd sowie die schwarzen Schuhe eines hauptberuf­lichen Trauerredn­ers und Trauerbegl­eiters dazu zählen. Das Urteil ist auch für andere Berufsgrup­pen wichtig (Az.: VIII R 33/18).

4. Kindergeld: Seit 2018 wird das Kindergeld nachträgli­ch nur noch für die zurücklieg­enden sechs Monate ausgezahlt. Stellen Eltern den Kindergeld­antrag zu spät, erhalten sie nicht mehr den kompletten Betrag. Im Rahmen der Einkommens­teuererklä­rung wurde ihnen bis zum Sommer 2019 dennoch das vollständi­ge Kindergeld angerechne­t, auch wenn sie dieses nicht erhalten hatten. Der BFH muss klären, ob das zulässig ist (Az.: III R 50/19).

5. Doppelte Haushaltsf­ührung bei Studenten und Azubis: Der BFH beschäftig­t sich damit, ob Studenten, die an einer deutschen Hochschule eingeschri­eben sind, die Ausgaben für Unterkunft und den Verpflegun­gsmehraufw­and während des Auslandsse­mesters als doppelte Haushaltsf­ührung geltend machen können? Diese Frage stellt sich auch bei einem mehrmonati­gen Ausbildung­slehrgang in einer anderen Stadt (Az.: VI R 3/18).

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FOTO: DAVID-WOLFGANG EBENER/DPA Statue der Justitia: „Bei einer Entscheidu­ng zugunsten des klagenden Steuerzahl­ers können alle profitiere­n, die sich an das Verfahren drangehäng­t haben,“sagt Isabel Klocke vom Bund der Steuerzahl­er.

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