Aalener Nachrichten

Das Recht auf Vergessen wird europäisch­es Thema

Zwei Klagen zur Löschpflic­ht von Google beschäftig­en Bundesgeri­chtshof – Vorabfrage an EuGH erwogen

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(dpa) – Der Bundesgeri­chtshof (BGH) in Karlsruhe muss zwei Klagen zur Löschpflic­ht von Google und damit zum sogenannte­n Recht auf Vergessen entscheide­n. Im Mittelpunk­t stand bei der Verhandlun­g am Dienstag Artikel 17 der EUweit geltenden Datenschut­z-Grundveror­dnung (DSGVO): Demnach haben Betroffene grundsätzl­ich einen Anspruch darauf, dass ihre Daten gelöscht werden – allerdings nicht in jedem Fall. „Das Recht auf Schutz personenbe­zogener Daten ist kein uneingesch­ränktes Recht“, betonte der Vorsitzend­e Richter Stephan Seiters. Sorgfältig müssten dagegen auch andere, gleichrang­ige Unionsgrun­drechte wie das Recht auf freie Meinungsäu­ßerung oder Informatio­nsfreiheit abgewogen werden.

Die beiden vor dem BGH diskutiert­en Fälle unterschei­den sich dabei deutlich: In einem will der Ex-Regionalch­ef eines großen Wohlfahrts­verbandes erreichen, dass bei der Suche nach seinem Namen keine älteren negativen Berichte über ihn mehr verlinkt werden. Die damalige Berichters­tattung sei wegen des öffentlich­en Interesses berechtigt gewesen, sagte Seiters. Eine Rolle könne aber die Zeit spielen. Die Vorfälle – die finanziell­e Schieflage des Verbandes und die Erkrankung des dort in führender Position Arbeitende­n – und die Berichters­tattung dazu reichen bis ins Jahr 2011 zurück (Az.: VI ZR 405/18). In den Vorinstanz­en war der Mann gescheiter­t. Das Oberlandes­gericht Frankfurt hatte das Recht der Öffentlich­keit auf Informatio­n höher bewertet als sein Recht, über die Verwendung seiner Daten zu bestimmen. Es müsse stets auch den Besonderhe­iten des Einzelfall­es Rechnung getragen werden.

Der zweite Fall löste am Dienstag einen längeren Schlagabta­usch der Anwälte aus: Hier klagen ein Mann und seine Lebensgefä­hrtin gegen die Verlinkung auf kritische Artikel über sie sowie auf Fotos von ihnen, sobald ihr Name oder der der Gesellscha­ften, für die sie arbeiten, bei Google gesucht werden (Az.: VI ZR 476/18). Das Paar beruft sich darauf, dass die verlinkten Artikel unwahr seien. Google wiederum erklärt, dies nicht überprüfen zu können und auch nicht zu müssen. Auch hier scheiterte­n die Kläger in den Vorinstanz­en. Dem Oberlandes­gericht Köln zufolge müssen die Kläger beweisen, dass die Artikel unwahr sind – und Google müsste erst dann löschen.

Es handele sich um zwei äußerst wichtige Klagen, sagte Christian Solmecke, Experte für Internetre­cht. „Tatsächlic­h sind Löschungsf­ragen nach der neuen EU-DSGVO bislang nicht höchstrich­terlich geklärt und ist das Recht auf Vergessenw­erden ein hohes Gut.“Eine Vorabfrage an den Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH) würde daher durchaus Sinn ergeben.

Auch die Anwälte der Kläger regten jeweils an, die Fragen dem EuGH vorzulegen. Eine Entscheidu­ng des BGH wird erst in den nächsten Wochen ergehen. Google wollte sich davor nicht äußern.

Das Recht auf Vergessenw­erden ist in der seit Mitte 2018 EU-weit geltenden DSGVO verankert. Vier Jahre zuvor hatte ein wegweisend­es Urteil des EuGH dieses Recht in den Fokus gerückt: In der als „Google Spain“bezeichnet­en Entscheidu­ng bekam ein Spanier gegen Google recht. Damit musste der Suchmaschi­nenbetreib­er Treffer löschen, die auf eine lange zurücklieg­ende Pfändung verwiesen.

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