Sinnlich, farbenfroh und naturverbunden
Die Kunsthalle Weishaupt in Ulm ist wieder geöffnet und überrascht mit einem sommerlichen Zwischenspiel
- Es ist so weit: Die Kunsthalle Weishaupt hat wieder geöffnet. Wegen des Coronavirus musste die geplante Ausstellung mit dem Schweizer Bildhauer Beat Zoderer in den Herbst verschoben werden. Auf die Schnelle hat das Team die Schau „Intermezzo“mit Werken aus der Sammlung realisiert. Das sommerliche Zwischenspiel überrascht. Am Ende gibt es für die Besucher einen Rat für die Zukunft mit auf den Weg.
Hätte es das Coronavirus nicht gegeben, würden in den beiden Ausstellungsetagen jetzt Skulpturen des Schweizer Bildhauers Beat Zoderer stehen und seine Objekte an den Wänden hängen, gefertigt aus bunten Alltagsgegenständen wie Klebeband, Schaumstoff oder farbigen Büroordnern. Ein „anarchisch-ironisches Spiel mit dem Erbe der Konkreten Kunst“, schreibt die Kunsthalle auf ihrer Homepage dazu. Normalerweise steht in Ulms „Neuer Mitte“meist das Konkrete und Minimalistische im Vordergrund. Das aktuelle Zwischenspiel ist so naturverbunden und sinnlich wie wohl selten eine Ausstellung in der Kunsthalle.
Für Leiterin Kathrin WeishauptTheobold und ihr Team ist es „ein heiteres und zugleich ernsthaftes Intermezzo“, das sie da aus der Sammlung zusammengetragen haben. Ein Raum steht ganz im Zeichen der Natur und widmet sich den Themen Pflanzen und Wasser. Hier hängen Andy Warhols großformatige Blumenvariationen „Flowers“oder Imi Knoebels „Gartenbild“, – eine Installation aus Aluminiumteilen, bei der die leuchtenden Farben an einen üppigen, bunten Blumengarten erinnern.
Erstmals zeigt die Kunsthalle zwei Landschaftsbilder von Julian Schnabel. Dabei wandert der Blick über einen strahlend blauen Himmel, über hügelige Landschaften und saftiges
Grün. Eine Idylle, passend für ein Wochenende im Freien, wären da nicht die Farbkleckse, die irritieren und Raum für Spekulationen lassen. Ist die unberührte Natur nur noch eine schöne Vorstellung? Existiert ihre Ewigkeit nur in unseren Köpfen?
Medien- und epochenübergreifend stehen sich Arbeiten von unterschiedlichen Künstlern gegenüber. Die Ausstellung erfolgt einer thematischen, nicht einer kunsthistorischen Anordnung. Im Raum der Stille hängen eine Farbfeldmalerei von Mark Rothko und drei große Kissenbilder von Gotthard Graubner. Von Rothkos abstrakten vibrierenden Farbflächen ist es nur ein Sprung zu Graubners monochromen „Farbkörpern“, wie er sie nennt. Bei ihm kommt noch das Körperhafte hinzu, hat er doch mehrere Schichten Farbe auf Polster aufgetragen und diese auf Leinwände gespannt.
Im zweiten Obergeschoss blickt man unmittelbar auf die Spiegelarbeiten des Konzeptkünstlers Robert Barry, die den Raum optisch vergrößern. Tritt man nah genug an sie heran, so ergeben sich aus den weißen Flächen auf dem Glas einzelne, von jedem Zusammenhang befreite Wörter, wie etwa „doubt“, „loved“oder „desperate“. Der Betrachter ist plötzlich nicht mehr nur mit seinem Spiegelbild konfrontiert, sondern auch mit mehreren seelischen Zuständen. Ob er will oder nicht, ist er nun Teil des Kunstwerks.
Im letzten Raum hängt die sechsteilige Serie großformatiger SchwarzWeiß-Fotografien von Jürgen Klauke mit dem Titel „Sich selbst optimierendes System“. Klauke bringt dabei Kabel zum Schwingen, bis diese Bild für Bild aus den Fugen geraten. Er spielt damit auf die Anfälligkeit eines Systems an. Gegenüber hängen großformatige Kohlezeichnungen von Robert Longo. Seine fotorealistischen Werke haben etwas Wahrhaftes und Dokumentarisches. Seine „Erde“beispielsweise ist mit Wolken überzogen. Es könnten aber genau so gut Feuerstürme sein.
Schon vor Jahren entstand die Neonarbeit „Get the Future“des italienischen Künstlers Maurizio Nannucci. Steht man im passenden Winkel, spiegelt sich nun auf dem Glas der Bilder drumherum der plakative Appell. Sprichwörtlich erscheint er heute in einem neuen Licht.