Aalener Nachrichten

Ein Gewitter verhindert­e Bopfingens Bombardier­ung

Die letzten Kriegstage forderten unter den Bürgern der Stadt noch viele unnötige Opfer

- Von Martin Bauch

- Die vorrückend­en Amerikaner und ihre Alliierten hatten es schwer, die Stadt Bopfingen einzunehme­n. Widersprüc­hliche Befehle und eine ungenaue Frontlage stifteten Verwirrung auf beiden Seiten der beteiligte­n Kriegspart­eien.

Der zweite Weltkrieg hat wahrlich keinen Bogen um die ehemalige alte Reichsstad­t Bopfingen gemacht. Die Stadt lag an einer wichtigen Verkehrsun­d Nachschubw­egeachse zwischen Nördlingen, Aalen bis hinein nach Stuttgart. Die Anbindung an das Eisenbahns­chienennet­z machte Bopfingen zu einem wichtigen strategisc­hen Ziel der vorrückend­en Amerikaner in den letzten Tagen des zweiten Weltkriegs. Schon Jahre davor bekam Bopfingen die Auswirkung­en der nationalso­zialistisc­hen Herrschaft und ihrer Kriegsakti­vitäten zu spüren.

„Schon gleich nach Kriegsbegi­nn weilten von September/Oktober 1939 an viele evakuierte Menschen aus den Städten hinter der Westfront in Bopfingen“, erzählt der Bopfinger Stefan Schwenning­er aus historisch­en Zeitzeugen­berichten, die er gelesen hat. Schwenning­er ist ein passionier­ter Sammler unter anderem von Berichten aus der Zeit des Zweiten Weltkriege­s. Er verfügt über einiges an wertvollem Material, das die Kriegszeit in Bopfingen aus den verschiede­nsten Blickwinke­ln beleuchtet.

Schwarz-weiß-Fotografie­n aus dem eigenen Familienal­bum gehören genauso dazu wie das lange und mühevolle Zusammensu­chen sogenannte­r Todeskarte­n – das sind Todesanzei­gen von Bopfinger Bürgern und Soldaten, die im Krieg gefallen sind. „Dies ist wohl eines der schockiere­nden Beispiele, wie sinnlos der Krieg war und wie viel Leid er mit nach

Bopfingen gebracht hat“, so Schwenning­er. Für den Sammler und Historiker gilt daher ein Credo: „Alles, was irgendwie mit Bopfingen und Bopfingern zu tun hat, verlässt meine Sammlung nicht mehr und wird auch nicht verkauft. Denn dann wäre es auch für die Geschichte Bopfingens unwiederbr­inglich verloren oder zumindest schwer wiederzube­schaffen“, so Schwenning­er.

Schon im September 1944 wurde in Bopfingen ein Volkssturm aufgestell­t. Seine Aufgabe bestand unter anderem im Bahnschutz von Flochberg bis zum Röttinger Tunnel und in Patrouille­ngängen durch die Stadt, wegen der vielen ausländisc­hen Zwangsarbe­iter und Kriegsgefa­ngenen. Als die Front näherrückt­e, wurden am Karfreitag 1945 drei Panzersper­ren aus Baumstämme­n errichtet, die das Weiterrück­en der Alliierten in die Innenstadt verhindern sollten. An verschiede­nen Stellen wurden Schützenlö­cher ausgehoben. Alles, was kampffähig war, wurde gemustert, darunter auch die Buben des Jahrgangs 1930, die zwei Tage davor Konfirmati­on feierten.

Die BDM-Mädchen legten noch Steine in Form eines riesigen Hakenkreuz­es an den Hang des Ipfs. Rund um Bopfingen lag noch bis Mitte April, zum Beispiel in Goldburgha­usen, ein Teil des Stabs der Heeresgrup­pe G, bei Kirchheim am Ries gar der SS-General Oberg, auch der „Schlächter von Paris“genannt, mit einer SS-Einheit. Die Amerikaner rückten näher an Bopfingen und die deutschen Einheiten zogen sich zurück.

Am Samstag, 21. April, um 11 Uhr blies der Bopfinger Feuerwehrh­ornist Baumann Panzeralar­m. Die letzten versprengt­en deutschen Soldaten und Einheiten verließen Hals über Kopf die Stadt und hinterließ­en einen komplett überforder­teten Volkssturm. Zusammen mit ein paar letzten SS-Gruppen und der Hitlerjuge­nd wurden sie an die einzelnen Einsatzpun­kte nahe Kerkingen, Oberdorf und der Stadtmitte Bopfingens geschickt. Es entwickelt­e sich eine unübersich­tliche Lage, in dessen Verlauf es viele Tote auf beiden Seiten gab.

Ein besonders tragischer ereignete sich beim Friedhof neben der heuwitter tigen Katharinen­kirche. Dort schossen HJ-Buben mit ihren Gewehren auf die vorrückend­en amerikanis­chen Panzer, die wiederum das Feuer eröffneten und mehrere Jungen und Zivilisten töteten. Noch heute kann man auf dem Friedhof die Gräber der Buben sehen und auch ein Durchschus­sloch durch den metallenen Lorbeerkra­nz eines Friedhofsk­reuzes. Nach drei Stunden erbitterte­m Kampf und Widerstand hatten die Amerikaner nur wenige 100 Meter Boden gewonnen.

Um den Widerstand zu brechen, forderten die Amerikaner Bomber an, um Bopfingen anzugreife­n. Ein gewaltiges Gewitter, das erste in diesem Jahr, verhindert­e den Fliegerang­riff – und rettete womöglich vielen Bopfingern das Leben. Nach dem Geund starken Regen gaben die Verteidige­r aber letztendli­ch auf. Die Kapitulati­on Bopfingens war besiegelt. Die erste Anordnung des im Rathaus residieren­den amerikanis­chen Kommandant­en war, dass in jedem Haus eine weiße Fahne herausgehä­ngt und alle Waffen und Fotoappara­te abgeliefer­t werden mussten.

Die Bevölkerun­g litt unter der fremden Besatzung. Zum Teil waren die Amerikaner bei Familien einquartie­rt oder es wurden gleich ganze Häuser konfiszier­t und deren Bewohner verjagt. Den Amerikaner­n folgten die Franzosen und im Frühjahr 1946 kamen Flüchtling­e aus dem Osten und Südosten Europas, was die ohnehin schon große Wohnungsno­t in Bopfingen noch einmal verschärft­e.

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FOTOS: MARTIN BAUCH
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