Wut auf die Fleischindustrie
Eltern verärgert – Ruf nach Verbot der Werkverträge
(AFP/dpa) Nach dem Corona-Ausbruch beim Tönnies-Fleischkonzern im westfälischen Rheda-Wiedenbrück in Nordrhein-Westfalen wächst die Wut bei Lehrern und Eltern. Da in dem Betrieb 657 Mitarbeiter positiv auf das Virus getestet wurden, mussten nun die Schulen und Kitas im Kreis Gütersloh wieder geschlossen werden. Alle 6800 Mitarbeiter wurden unter Quarantäne gestellt und getestet. Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann
(CDU) forderte derweil eine schnellere Abschaffung der Werkverträge in der Branche. Anfang September, nach der Sommerpause des Bundestages, sei „diese gesetzliche Grundlage“nötig. Die Fleischindustrie äußerte sich skeptisch.
Das Bundeskabinett hatte vor vier Wochen, nach mehreren Vorfällen in Schlachthöfen, neue Auflagen für die Branche beschlossen. Vorgesehen ist ein Verbot der umstrittenen Werkverträge, das aber erst ab dem 1. Januar 2021 gelten soll.
(dpa) - Elena Engenhorst steigen die Tränen in die Augen. Ihr Sohn spielt an einer Wasserstelle. Der Fünfjährige hüpft mit seinen Gummistiefeln auf und ab. Daneben steht der Kinderwagen mit dem anderen Sohn. „Der Große war erst eine Woche wieder in der Kita und abends beim Einschlafen hat er mich noch gefragt, was wohl am nächsten Tag in der Kita Schönes passieren wird“, so die junge Mutter. „Und jetzt muss ich ihm erklären, dass er wieder nicht hingehen darf.“Sie habe Angst, dass die Spielplätze auch wieder zumachen. „Wir Erwachsenen können diese soziale Distanz akzeptieren, aber für unsere Kinder ist das kaum aushaltbar“, sagt die Mutter.
Ähnlich geht es auch Paulina Twardowski. „Ich bleibe zurzeit zu Hause, um meine zweijährige Tochter zu betreuen“, so die alleinerziehende Mutter. Sie sei an ihrer Belastungsgrenze. „Das wird eine sehr anstrengende Zeit für mich und die Kleine.“
Für Dirk Ködding von der Grundschule Neisseweg in Gütersloh kam die Nachricht der Schulenschließung völlig überraschend. „Wir sind alle tieftraurig“, so der Schulleiter. „Vor allem die Viertklässler tun mir sehr leid, denn für die wird es nun keinen normalen Abschied geben.“Bei den Kleinen seien Tränen geflossen. Auch einige Eltern hätten sich bereits bei der Schule gemeldet. „Da gibt es nun viele Unsicherheiten besonders in Bezug auf die Notbetreuung“, sagt Ködding. Diese werde aber stattfinden.
Der Corona-Ausbruch bei Tönnies mit mehr als 730 Infizierten ist vielerorts im Kreis Hauptgesprächsthema. So auch bei Lara Köppikus. Die 17-Jährige hat erst vor Kurzem ihr Fachabitur gemacht. „Ich habe von dem Vorfall bei Tönnies bei Facebook gehört“, so die Schülerin. Sie wolle sich nun wieder häufiger die Hände desinfizieren.
Auch bei Friseur Abdullah Yildiz dreht sich nun alles um den CoronaAusbruch bei dem Schlachtereibetrieb. „Die Kunden, die da waren, haben alle nur darüber gesprochen“, so der 34-Jährige. „Wir mussten wegen Corona schon sechs Wochen zumachen und haben Angst, dass das wieder passiert.“Viele Läden hätten nicht so große Rücklagen, um die Krise zu überbrücken.
„Ich wollte mich eigentlich zum 1. August selbstständig machen“, so der Friseur. „Keine Ahnung, wie das nun gehen soll.“Außerdem habe er Sorge, wie bei den Arbeitern bei Tönnies die Quarantäne eingehalten werden solle. „Das sind 7000 Menschen, wie soll das kontrolliert werden?“Tönnies hätte diesen Ausbruch verhindern müssen, schließlich habe der Konzern riesige Macht in der Region, sagt er.
„Mich macht das traurig, denn das ist eine Katastrophe für die Stadt“, sagt auch Jürgen Holtkamp, der draußen vor einer Kneipe sitzt und eine Cola trinkt. „Mir tun die Mitarbeiter bei Tönnies leid.“Die Arbeitsbedingungen seien „furchtbar“, glaubtHoltkamp. Das sieht auch sein Freund Andreas Kersting so. Für die beiden Männer trägt Clemens Tönnies als Unternehmer die Verantwortung für den Corona-Ausbruch.