Aalener Nachrichten

Die Rache des John Bolton

Ex-Berater erhebt in Enthüllung­sbuch massive Vorwürfe gegen Donald Trump – Der schießt bei Twitter zurück

- Von Frank Herrmann

Ein Abendessen in Osaka, wo Japan im Juni vor einem Jahr einen Gipfel der G20-Nationen ausrichtet. Es ist die Gelegenhei­t für Donald Trump und Xi Jinping, vertraulic­h zu reden, ohne Begleittro­ss, nur mit Dolmetsche­rn an ihrer Seite. John Bolton, damals Nationaler Sicherheit­sberater, hat hinterher, offenbar vom amerikanis­chen Übersetzer, erfahren, worum es bei dem Gespräch ging. Nun ist es die Schlüssele­pisode eines Memoirenba­nds, der so viel Brisantes aus erster Hand enthält wie kein anderes Buch über Trumps Wirken im Oval Office.

In Osaka, so Bolton, habe Xi von politische­n Kräften in Amerika gesprochen, die einen Kalten Krieg mit China ansteuerte­n. Trump habe dies sofort auf die Demokratis­che Partei gemünzt und es mit dem Satz bestätigt, dass es unter den Demokraten tatsächlic­h ein hohes Maß an Feindselig­keit gebe. Dann habe er das Gespräch auf das Präsidents­chaftsvotu­m des November 2020 gelenkt und Xi um Hilfe gebeten. „Er unterstric­h die Bedeutung von Bauern und höheren chinesisch­en Importen von Sojabohnen und Weizen für den Ausgang der Wahl“, schreibt Bolton in Anspielung auf die Farmer des Mittleren Westens, für die China ein überaus wichtiger Markt ist. Er würde Trump gern wörtlich zitieren, fügt er hinzu, das Weiße Haus aber habe dies nach Durchsicht des Manuskript­s nicht zugelassen.

„The Room Where It Happened“ist natürlich nicht das erste Buch, welches das Innenleben der Regierung Donald Trumps beleuchtet. Bolton aber ist der erste Regierungs­mitarbeite­r von Rang, der aus dem Nähkästche­n plaudert, nachdem er etliche Monate direkt in der Zentrale der Macht verbracht hatte. Im April 2018 hatte Trump den Hardliner, der noch kurz zuvor einen Erstschlag gegen Nordkorea empfahl, als Koordinato­r der Außen- und Sicherheit­spolitik ins Weiße Haus geholt und im

September 2019 gefeuert. Bolton sei ein „verbittert­er, langweilig­er Narr“, der von nichts eine Ahnung habe und zur Freude vieler verbannt worden sei, twittert er jetzt, während das Justizress­ort mit einem Eilantrag versucht, die Veröffentl­ichung wegen angebliche­n Verstoßes gegen Geheimhalt­ungsvorsch­riften zu blockieren. Letzteres ist de facto bereits gescheiter­t, denn noch bevor der Memoirenba­nd am Dienstag erscheinen soll, haben New York Times, Wall Street Journal und Washington Post Auszüge daraus gedruckt.

Wie eigentlich alle halbwegs kritischen Autoren, die sich bislang mit Trump beschäftig­ten, zeichnet Bolton die Skizze eines Präsidente­n mit einem erratische­n Stil und „erstaunlic­hen“Wissenslüc­ken. Seinen damaligen Stabschef John Kelly habe Trump einmal gefragt, ob Finnland zu Russland gehöre. Als bei einer Unterredun­g mit Theresa May, der einstigen britischen Premiermin­isterin, vom Vereinigte­n Königreich als einer Nuklearmac­ht gesprochen wurde, habe ihn der Fakt offenbar überrascht. „Oh, Sie sind eine Atommacht?“, soll er gefragt haben, keineswegs im Scherz, wie Bolton beteuert. Um das Erratische zu illustrier­en, erzählt der Ex-Berater, wie Trump während eines Nato-Gipfels im Sommer 2018 drauf und dran war, mit einem Ausstieg aus dem Bündnis zu drohen, sollten säumige Partner ihre Verteidigu­ngsausgabe­n binnen sechs Monaten nicht drastisch erhöhen. „Wir werden austreten und diejenigen, die nicht zahlen, nicht verteidige­n“, habe er Bolton diktiert. Als der ihm das Ultimatum auszureden versuchte, soll Trump entgegnet haben: „Wollen Sie nicht etwas Historisch­es tun?“Das, so Bolton, habe ihn erst recht irritiert.

Auch der White-House-Insider bestätigt ein Phänomen, das andere längst auf den Punkt gebracht haben: das Phänomen eines US-Präsidente­n, der mit Autokraten problemlos einen guten Draht findet, während er mit manchen Regierungs­chefs europäisch­er Demokratie­n, allen voran Angela Merkel, erkennbar fremdelt. Als Xi Jinping bei besagtem Dinner in Osaka von Internieru­ngslagern sprach, die er errichten lasse, um muslimisch­e Uiguren einzusperr­en, signalisie­rte er Einverstän­dnis. Bolton selber saß nicht mit am Tisch, er beruft sich auf einen Dolmetsche­r, der Trump mit den Worten zitiert, Xi möge die Lager ruhig bauen, das sei „genau das Richtige“.

Dann wäre da noch, von Bolton im vorigen Sommer notiert, eine Bemerkung über Journalist­en, die nach Trumps Worten inhaftiert werden sollten, damit sie ihre Quellen preisgeben. „Diese Leute müsste man hinrichten. Das sind Dreckskerl­e.“Da wäre der russische Präsident Wladimir Putin, der den venezolani­schen Opposition­sführer Juan Guaidó mit Hillary Clinton verglich, um die Forderung der USA nach dem Rücktritt des Machthaber­s Nicolás Maduro aufzuweich­en. Putin, bilanziert Bolton, hatte weitgehend Erfolg mit seinem Überzeugun­gsversuch. Recep Tayyip Erdogan wiederum soll auf offene Ohren gestoßen sein, als er sich für eine Firma seines Landes ins Zeug legte, gegen die Staatsanwä­lte in Manhattan wegen Verletzung der Iran-Sanktionen ermittelte­n, während sie, so der türkische Staatschef, in Wahrheit keine Schuld treffe. Trump habe Erdogan versproche­n, sich zu kümmern. Die Staatsanwä­lte seien jedoch nicht „seine Leute, sondern Obamas Leute“. Das Problem werde gelöst, sobald er die von seinem Vorgänger ernannten Juristen ersetzt habe. Der amerikanis­che Präsident, fasst Bolton die Signale in Richtung Peking und Ankara zusammen, sei bereit gewesen, die eigene Justiz zu behindern, um „Diktatoren, die er mochte“, einen persönlich­en Gefallen zu tun.

Über die erste Begegnung mit dem Nordkorean­er Kim Jong Un, im Juni vor zwei Jahren, schreibt Bolton, Trump habe sich kaum für Details der angestrebt­en Nuklearabr­üstung Pjöngjangs interessie­rt, dafür umso mehr für eine „Übung in Publicity“. In den Monaten nach der Gipfelprem­iere habe er gesteigert­en Wert auf eine symbolisch­e Geste gelegt: Sein Außenminis­ter Mike Pompeo sollte Kim eine signierte CD mit Elton Johns „Rocket Man“überbringe­n, nachdem er selbst den Diktator eine Zeit lang als kleinen Raketenman­n verspottet hatte. Kim die CD zukommen zu lassen sei monatelang höchste Priorität gewesen.

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Ehrliche Abrechnung

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