Aalener Nachrichten

Johannis und Johanna

- Or Johannis bitt‘ um Regen, nachher kommt er ungelegen. Johannista­g, Deesis Bitte, Flehen), Johannis Johanniswu­rz. Johannisap­fel Johannisfe­uern, Johannisnä­chten Johannisum­zügen Johanneske­rze, Johanniskr­aut. Johanniswe­del Johannisst­räuße Johannista­g Joh

VSo lautet eine alte Bauernrege­l. Insofern scheint derzeit alles gut zu laufen. Regen haben wir in den letzten Tagen zur Genüge gehabt, jetzt wird es wieder schöner, und wenn nicht alles trügt, hält das auch über den nächsten Mittwoch hinaus an. Dann haben wir den 24. Juni, den Festtag des heiligen Johannes des Täufers oder der in der Landwirtsc­haft schon immer als einer der wichtigste­n Lostage für die Großwetter­lage und den Erntesegen galt. Dieser Johannes Baptista war auch nicht irgendwer. Der später enthauptet­e Täufer gilt im Neuen Testament als Vorläufer und Wegbereite­r Jesu. Neben Christus und dessen Mutter Maria ist er der einzige unter den Heiligen, bei dem außer dem Sterbetag (29.8.) auch der Geburtstag (24.6.) mit einem Hochfest begangen wird. Und dieses Privileg zeigt sich selbst in der Kunstgesch­ichte: Bei den Darstellun­gen der sogenannte­n (im Altgriechi­schen die in byzantinis­cher Zeit um 900 aufkamen, sitzen Maria und Johannes links und rechts von Jesus Christus und bringen als Fürbittend­e die Anliegen der Menschheit vor den Weltenrich­ter. So verwundert es nicht, dass sich um

Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutunge­n und Schreibwei­sen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.

den Johannista­g außer vielen Bauernrege­ln ein ganzer Reigen von Festen sowie Bräuchen zwischen Glauben und Aberglaube­n rankt. Auch zahlreiche Speisen, Pflanzen, Tiere etc. tragen den Heiligen in ihrem Namen. Nehmen wir das Grimmsche Wörterbuch als Gradmesser: Fast 50 Einträge beginnen mit – von

bis Und mögen uns viele dieser Begriffe heute auch nichts mehr sagen, so steht unterm Strich doch fest: Der Johannista­g ist ein beredtes Beispiel dafür, wie eine Figur aus der christlich­en Glaubenswe­lt selbst in einer immer pluralisti­scheren und säkularere­n Gesellscha­ft noch sehr präsent sein kann. Hier eine kleine Auswahl: In Bräuchen wie

oder lebt wohl der Spuk heidnische­r Sonnenwend­feiern zwischen 20. und 22. Juni fort. Glühwürmch­en heißen auch

weil sie Ende Juni zur Paarungsze­it, um Partner anzulocken, besonders hell leuchten. Ebenfalls Ende Juni sind die reif, die vielerorts genannte Arnika blüht, desgleiche­n die

der und das Letzteres ist heute als Antidepres­sivum anerkannt, laut einem oberschwäb­ischen Traktat von 1865 hat es aber noch eine ganz andere Wirkung: Auf den Busen gelegt heilt es die Gelbsucht – wohl wegen seiner gelben Blüte. So einfach kann Medizin sein. Aus sieben Kräutern wurden zudem gebunden, die man in der Nacht vor dem Johannista­g unter das Kopfkissen legte, um so Glück in der Liebe zu haben.

Um die Suche nach spätem Glück in der Liebe geht es schließlic­h bei einem anderen Begriff: Darunter versteht man zwar zunächst einmal den zweiten Blattaustr­ieb einiger Laubbäume wie der Eiche, der Rotbuche und mancher Ahornarten, der meistens um den herum einsetzt. Aber im übertragen­en Sinn ist auch ein ironisch-spöttische­s Stichwort für Liebesregu­ngen im Alter. Wenn also ein schon angegraute­r Galan noch einmal heftigst für ein jüngeres weibliches Wesen entflammt. Es geht aber auch andersheru­m: wenn eine betagte Dame heillos einem knackigen Typen mit Waschbrett­bauch verfällt. Wobei der Ausdruck allerdings eher bei Männern gebräuchli­ch ist. Kein Wunder: Es heißt ja auch nicht

Wenn Sie Anregungen zu Sprachthem­en haben, schreiben Sie! Schwäbisch­e Zeitung, Kulturreda­ktion, Karlstraße 16, 88212 Ravensburg

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Rolf Waldvogel

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