Ein guter Griff
Ex-NBA-Star Archie Goodwin schwärmt vom Ulmer Teamwork und will auch heute das Gaspedal drücken
- Keine Namenswitze bitte, das lernen Journalisten quasi schon in der Grundschule, doch bei Archie Lee Goodwin aus Little Rock in Arkansas kann man da mal eine Ausnahme machen. Einen netten Gewinn haben die Ulmer Basketballer da im Februar gelandet, als sie den 25-Jährigen von TÜ BK Istanbul verpflichteten, am Mittwoch beim hinreißenden 101:61-Sieg im ersten Viertelfinale gegen Frankfurt war es wieder zu sehen: Mit 14 Zählern, sechs Assists und vier Rebounds war der 25-Jährige zusammen mit Dylan Osetkowski (jeweils 19 Effizienzpunkte) der Effektivste von zehn effektiven Ulmern. Mit 27:09 Minuten spielte er zudem mit Abstand am längsten, verteidigte wie immer beherzt und griffig und natürlich lieferte er auch Kostproben seiner Spezialität, dem krachenden Dunking. Keine Frage: Archie Goodwin, ein 1,96 Meter großer, stets attackierender Athlet, der sich sehr sicher durch jeden von Türstehern bewachten Eingang dieser Welt durchtanken könnte, hatte seinen Anteil am guten Sieg.
Tags danach saß der Guard und Small Forward in ein schwarzes Kopftuch gehüllt in seinem Münchner Quarantänehotelzimmer und war sehr bemüht, sich überhaupt nicht zu bewegen. „An freien Tagen mache ich gar nichts. Ich trinke viel, esse viel Obst und Gemüse und schaue, dass ich meine Beine hochlege. Die Vergangenheit hat gezeigt: Je mehr ich mich bewege, desto müder werde ich.“Also regenerierte er, und nebenbei plauderte er über sein Team.
Es ist spannend: Während seine Ulmer Mitspieler ab und an erwähnen, wie wichtig es sei, dass da kein egoistischer Kollege in der Gruppe sei, einer, der jeden Wurf und jeden Ball beansprucht, dreht Goodwin die Sache um. „Das Tolle in unserem Team ist: Jeder übernimmt Verantwortung. Das ist nicht einer, der alles machen muss, auf dem der ganze Druck lastet, sondern jeder geht voran, jeder versucht, die anderen zu pushen, seine Energie einzubringen, das macht diese Mannschaft so besonders.“Am Ende ihrer
Fähigkeiten sei sie allerdings noch lange nicht: „Es gab ein paar Spiele, in denen wir den Ball zu oft verloren haben. Auch das Frankfurt-Spiel war nicht perfekt, weil wir zu viele Offensivrebounds abgegeben haben. Wenn wir diese Aspekte noch verbessern, sind wir in wirklich guter Form“, sprach Goodwin, der sehr tiefenentspannt wirkte. Die anderen Matches, die anderen Favoriten? „Ich schaue mir nur die Gegner an, gegen die wir spielen“, sprach er. „Aber die Berliner wirken ganz gut.“Da spürte man, dass Archie Goodwin schon ganz andere Events erlebt hat als das Münchner Quarantäneturnier.
Tatsächlich hat Goodman bereits mit 18 in der NBA debütiert und dort zwischen 2013 und 2018 insgesamt 165 Spiele für drei Clubs (Phoenix Suns, Brooklyn Nets, New Orleans Pelicans) absolviert, sein bestes Jahr war 2014/ 15, als er in 57 Spielen für die Suns in 19,5 Minuten Einsatzzeit im Schnitt 8,9 Punkte machte. Am Ende führte ihn der Weg über Amerikas G-League, China und die Türkei nach Ulm, wo Goodwin wahrscheinlich nicht alt werden dürfte, denn: Wenn er so weiterspielt, könnte er woanders in der Post-Corona-Zeit mehr verdienen. Wobei das derzeit für alle Ulmer gilt. „Ich bin wirklich begeistert über diese Mannschaft“, sagte Goodwin: „Alle, die in Amerika zuschauen, schreiben mir, wie gut wir als Team zusammenspielen.“Auch im Rückspiel gegen Frankfurt am Freitag (20.30 Uhr) werde man trotz der 40 Zähler Vorsprung den eigenen Stil beibebehalten. „Wir wollen schnell spielen. Auch deshalb, um Kräfte zu sparen. Jeder will lieber im Fastbreak punkten als über viele Spielzüge. Wir wollen das Gaspedal weiter durchdrücken.“
Eine Tugend, die die Ulmer in zehn Tagen zum Titel führen könnte. Mit 20,5 Punkten Vorsprung haben sie bisher ihre Spiele im Schnitt gewonnen, ein unfassbarer Wert, fast jede Statistik des Turniers führen sie an. Heute soll es weitergehen. Coach Jaka Lakovic sagt: „Es geht um den Einzug ins Halbfinale, um unseren Rhythmus und um das gute Gefühl des Gewinnens. All das wollen wir beschützen.“