Harte Strafen für Randalierer gefordert
Innenminister Seehofer spricht von „Alarmsignal“– Haftbefehl wegen versuchten Totschlags
STUTTGART - Politiker aus Bund und Land haben die Randale in Stuttgart scharf verurteilt und Konsequenzen gefordert. „Harte Strafen sind das beste Mittel an Prävention, um solche Straftaten zu verhindern“, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) nach einem Treffen mit Baden-Württembergs Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) in Stuttgart. Die Krawalle seien ein „Alarmsignal für den Rechtsstaat“und Höhepunkt einer bundesweit besorgniserregenden Entwicklung.
Ein entschlossenes Vorgehen kündigte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) an. „Wir werden so etwas nicht dulden. In BadenWürttemberg kann sich jeder frei bewegen, solange er Recht und Gesetze achtet. Wer das jedoch nicht tut, dem muss man entschieden entgegentreten und das werden wir auch tun.“Es sei abscheulich, wenn junge Männer ohne Anlass Gewaltorgien wie vom Wochenende auslösten.
In der Nacht zu Sonntag hatten in der Landeshauptstadt Hunderte vorwiegend junger Menschen Polizisten attackiert und waren randalierend durch Teile der Innenstadt gezogen. Laut Polizei wurden rund 40 Geschäfte beschädigt, neun geplündert. 25 Menschen wurden festgenommen, die meisten sind jünger als 21 Jahre, die Hälfte hat einen deutschen Pass. Die Polizei beantragte mehrere Haftbefehle. So muss sich ein 16-Jähriger wegen versuchten Totschlags verantworten, weil er nach Angaben der Staatsanwaltschaft einem am Boden liegenden Studenten gezielt gegen den Kopf getreten haben soll. Die Ermittler rechnen mit weiteren Festnahmen, wenn alle Beweise ausgewertet sind.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verurteilte die Attacken. In Berlin sagte Regierungssprecher Steffen Seibert, die Szenen seien „abscheulich“und mit nichts zu rechtfertigen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte: „Wer Polizistinnen und Polizisten angreift, wer sie verächtlich macht oder den Eindruck erweckt, sie gehörten ,entsorgt‘, dem müssen wir uns entschieden entgegenstellen.“Nach wie vor gibt es laut Polizei keine ernstzunehmenden Hinweise auf politische oder religiöse Motive für die Krawalle.
(lsw) - Das Sicherheitskonzept der Polizei und der Stadt Stuttgart muss „dringend und schnell optimiert“werden – das haben am Montag die Organisationen der Händler gefordert. Man appelliere nachdrücklich an Polizei und Stadtverwaltung, alles zu tun, um sicherzustellen, dass es nicht wieder zu gewalttätigen Übergriffen, mutwilliger Beschädigung und der Plünderung von Geschäften kommen könne, teilten die Industrie- und Handelskammer (IHK), die City-Initiative Stuttgart (CIS) und der badenwürttembergische Handelsverband (HBW) mit. Die Verbände seien gerne bereit, an einem neuen Sicherheitskonzept mitzuarbeiten, hieß es. Zudem sei wichtig, dass Geschäftsinhaber die Möglichkeit erhielten, ihre eigenen Sicherheitsmaßnahmen mit Polizei und Stadt abzustimmen und zu verknüpfen.
Viele Betriebe stünden wegen Corona schon jetzt am Rande des Ruins, sagte IHK-Präsidentin Marjoke Breuning. Die Zerstörungen gefährdeten nicht nur unternehmerische Existenzen, sondern auch die der Beschäftigten mit ihren Familien. „Hier stehen Arbeitsplätze auf dem Spiel, nicht nur im Einzelhandel, bei Reisebüros, Gastronomie oder Bankfilialen, sondern in der gesamten gewerblichen Wirtschaft, die in der Stuttgarter Innenstadt präsent ist“, sagte Breuning.
„Jetzt müssen sich alle den Gewalttätern und Plünderern mit vereinten Kräften entgegenstellen“, forderte auch HBW-Chefin Sabine Hagmann. Sven Hahn von der CIS mahnte, dass die Randalierer jenes Vakuum für sich beanspruchen könnten, das die Corona-Krise in der Innenstadt hinterlassen hat. Es müsse rasch eine Perspektive für die lokale Wirtschaft geben. „Sonst überlassen wir unsere Stadt den Falschen.“