Lockerungen hier, Lockdown da
Südwesten lässt ab 1. Juli Treffen von 20 Personen zu – Söder warnt vor der zweiten Welle
- Während die Pandemie in Nordrhein-Westfalen ausgehend von einem Schlachthof derzeit einen neuen Anlauf nimmt und in den Landkreisen Gütersloh und Warendorf ein einwöchiger Lockdown verhängt wurde, hat Baden-Württemberg am Dienstag die Corona-Verordnung präzisiert. In mehreren Bereichen wird es Lockerungen geben. Justizminister Guido Wolf (CDU) sprach von einem „Paradigmenwechsel“: Ab sofort sei alles erlaubt – jedoch unter klaren Rahmenbedingungen.
An den grundlegenden Auflagen zur Maskenpflicht und zu Abstandsregeln ändert sich nichts, allein in Kitas und Schulen müssen ab 1. Juli keine Mindestabstände mehr eingehalten werden. Künftig dürfen sich im Südwesten aber wieder mehr Menschen versammeln. Für Treffen im öffentlichen Raum gilt eine Obergrenze von 20 Menschen aus unterschiedlichen Haushalten, für Veranstaltungen mit festen Sitzplätzen – also etwa im Theater – liegt sie künftig bei 250 Menschen. Ab August können bis zu 500 Menschen teilnehmen. Alles darüber hinaus bleibt mindestens bis Ende Oktober verboten. Auch Clubs und Bordelle müssen weiter geschlossen bleiben.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder warnte derweil davor, die Gefahr einer zweiten Welle zu unterschätzen. Dass diese kommt, hält der CSU-Chef für „ganz sicher“, zum Teil sei dies „schon der Fall“. Damit nahm er Bezug auf die Fälle in Göttingen und Berlin sowie das Geschehen im und um den Schlachthof im Kreis Gütersloh. Am Dienstag wurde bekannt, dass in einem Schlachthof der PHW-Gruppe („Wiesenhof “) im niedersächsischen Wildeshausen ebenfalls mindestens 23 Arbeiter positiv auf Corona getestet wurden.
Bayern kündigte an, dass Beherbergungsbetriebe im Freistaat keine Gäste aus Regionen mit Corona-Hotspots aufnehmen dürfen. Landesinnenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte, dass diese Regelung auch als Reaktion auf die hohe Zahl an Infektionen im Landkreis Gütersloh zu verstehen ist. Ähnliche Regelungen beschlossen Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein.
- Baden-Württemberg hat seine Regeln im Umgang mit der Corona-Krise überarbeitet. Das grün-schwarze Kabinett hat am Dienstag eine neue Corona-Verordnung beschlossen. Sie soll am 1. Juli in Kraft treten. Was sich grundlegend ändert – und was nicht:
Warum gibt es überhaupt eine neue Corona-Verordnung?
Die ursprüngliche Verordnung wurde Mitte März mit heißer Nadel gestrickt und seitdem immer wieder in Teilen angepasst. Daraus wurde über die Zeit ein „unübersichtliches Gesamtkunstwerk“, wie Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag sagte. Justizminister Guido Wolf (CDU) war für die Überarbeitung verantwortlich. „Ziel der Neufassung ist vor allem eine klare und schlanke Verordnungsstruktur“, betont er.
Ist die Verordnung nun klarer?
Zum Teil schon. So bündelt sie zum Beispiel manche Ver- und Gebote. Als Beispiel nennt Wolf die Maskenpflicht. „Während man sich bisher die Information, wo eine Maske zu tragen ist, aus mindestens fünf verschiedenen Subverordnungen zusammensuchen musste, genügt jetzt ein Blick auf die klare Auflistung in der neuen Verordnung.“Der Wermutstropfen: Auch weiterhin wird es Unterverordnungen für Bereiche wie Schulen oder Pflegeheime geben, die die zuständigen Ministerien erlassen.
Die Maskenpflicht bleibt also bestehen?
Ja, hier ändert sich nichts. Eine Mund-Nasen-Bedeckung muss weiterhin im öffentlichen Verkehr getragen werden – etwa in Bussen, Bahnen und Flugzeugen. Die Alltagsmaske bleibt auch Pflicht etwa beim Einkaufen, beim Friseur und beim Besuch von Arztpraxen.
Was ändert sich bei den Abstandsregeln?
Im privaten Bereich bleiben sie empfohlen, im öffentlichen Raum verpflichtend. Die neue Corona-Verordnung macht allerdings zwei Ausnahmen: Für Schulen und Kitas fallen die Mindestabstände. An dieser Stelle zeigt sich nun allerdings, dass die Regeln auch nach der Vereinfachung zum Teil kompliziert bleiben – weil Unterverordnungen weiter bestehen können. Beispiel Schulen und Kitas: Für diese Einrichtungen hat das Kultusministerium bereits Mitte Juni eigene Verordnungen erlassen, damit Kitas und Grundschulen wie geplant am Montag öffnen können. Das Abstandsgebot von 1,5 Metern gilt dann nur für Erwachsene, nicht aber für die Kinder.
Können Ferienfreizeiten ohne Mindestabstand stattfinden?
Das ist noch nicht geregelt, soll aber laut einer Sprecherin von Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) so kommen. Organisatoren von Zeltlagern hatten beklagt, dass sie ihre Freizeiten nicht anbieten können, wenn der Mindestabstand bleibt. Wie Luchas Sprecherin erklärt, soll bis zum 1. Juli auch die Unterverordnung zu Angeboten der Kinder- und Jugendarbeit überarbeitet und neu erlassen werden.
Was ändert sich für Alten- und Pflegeheime sowie für Einrichtun
gen für Menschen mit Behinderung?
Auch hierzu kündigt die Sprecherin von Sozialminister Lucha Änderungen noch diese Woche an. Es soll Lockerungen geben, die am Mittwoch besprochen würden.
Wie viele Menschen dürfen sich treffen?
Künftig dürfen sich überall 20 Menschen versammeln – ganz gleich, wie vielen Haushalten sie angehören. Im öffentlichen Raum gilt bislang eine Obergrenze von zehn Personen. Diese liegt ab dem 1. Juli also doppelt so hoch.
Wie groß dürfen Veranstaltungen künftig sein?
„Die zulässige Teilnehmerzahl setzen wir sukzessive nach oben“, sagte Wolf. Ab Juli bleiben Veranstaltungen bis zu 100 Personen erlaubt. Gibt es feste Sitzplätze und ein festgelegtes Programm – wie es etwa im Kulturbereich der Fall ist –, gilt eine Obergrenze von 250 Personen. Ab dem 1. August können bis zu 500
Menschen an einer Veranstaltung teilnehmen. Großveranstaltungen mit mehr als 500 Menschen bleiben bis Ende Oktober verboten. Auf diesen letzten Schritt hatten sich die Ministerpräsidenten der Länder und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) vergangene Woche geeinigt.
Was heißt das für Messen?
Die Messebranche war von den bisherigen Regeln zum Infektionsschutz besonders gebeutelt. Nun gibt es eine Perspektive: Messen sollen ab dem 1. September wieder mit mehr als 500 Menschen erlaubt sein, wenn bestimmte Hygienebestimmungen eingehalten werden. Kleinere Messen und Kongresse mit bis zu 500 Teilnehmern sind bereits ab 1. August wieder möglich.
Was bleibt weiterhin verboten?
Neben den Großveranstaltungen bleiben vor allem zwei Bereiche verboten: Tanzveranstaltungen und Prostitution. Auch weiterhin müssen also Bordelle sowie Clubs und Diskotheken geschlossen bleiben.