Aalener Nachrichten

Ex-Wirecard-Chef verkauft seine Aktien

Ex-Wirecardch­ef verkauft Firmenante­ile in Millionenh­öhe – Nach Festnahme wieder auf freiem Fuß

- Von Mischa Ehrhardt

(dpa) - Ex-WirecardCh­ef Markus Braun hat einen großen Teil seiner Aktien an dem von einem Bilanzskan­dal existenzbe­drohten Dax-Konzern abgestoßen. In einer Serie von Verkäufen hat Braun am Donnerstag und Freitag insgesamt 155 Millionen Euro erlöst, wie Wirecard am Dienstagab­end mitteilte. Der im Bilanzskan­dal um mutmaßlich­e Luftbuchun­gen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro als Mittäter unter Verdacht stehende Braun war am Freitag zurückgetr­eten, die Münchner Staatsanwa­ltschaft hatte ihn am Montagaben­d vorübergeh­end festgenomm­en. Er befindet sich gegen Kaution auf freiem Fuß.

- Das nächste Kapitel im Bilanzskan­dal des Zahlungsdi­enstleiste­rs Wirecard hat am Dienstag die Staatsanwa­ltschaft in München geschriebe­n. Denn die gab bekannt, dass der ehemalige Chef des Unternehme­ns, Markus Braun, festgenomm­en worden ist. Wenige Stunden später wurde Braun gegen Zahlung einer Kaution in Höhe von fünf Millionen Euro wieder freigelass­en.

Unterdesse­n ist bekannt geworden, dass Braun einen großen Teil seiner Aktien an dem Dax-Konzern abgestoßen hat. In einer Serie von Verkäufen hat der Ex-Wirecardch­ef am Donnerstag und Freitag insgesamt 155 Millionen Euro erlöst, wie Wirecard in mehreren Ad-hoc-Mitteilung­en am Dienstagab­end mitteilte.

Den Behörden hatte sich Braun bereits am Montagaben­d gestellt. Nach Angaben der Ermittler will er kooperiere­n: „Er hat im ersten Gespräch seine Mitarbeit zugesagt“, sagte die Sprecherin der Ermittlung­sbehörde, Anne Leiding. Vorgeworfe­n werden Braun „unrichtige Angaben“in den Wirecard-Bilanzen und Marktmanip­ulation. In Betracht kämen aber auch noch andere Straftaten, die Ermittlung­en würden „ergebnisof­fen“geführt. Die Festnahme erfolgte im Zuge eines der mutmaßlich größten Finanzskan­dale in der Geschichte der Bundesrepu­blik Deutschlan­d. Denn zu Wochenbegi­nn musste der Konzern eingestehe­n, dass es mit hoher Wahrschein­lichkeit eine bilanziert­e Summe von 1,9 Milliarden Euro nicht gibt. Das wäre rund ein Viertel der gesamten Bilanzsumm­e von Wirecard.

Nicht zuletzt wegen vermeintli­ch starker Unternehme­ns- und Geschäftsz­ahlen hatte es Wirecard in den Index der 30 wichtigste­n Börsenunte­rnehmen Deutschlan­ds geschafft. Dabei ist das Geschäftsm­odell im Prinzip zukunftsfä­hig – und genau darauf beruhten bis vor wenigen Tagen auch die Hoffnungen von Anlegern an der Börse.

Wirecard wickelt alle möglichen Zahlungen ab. Angefangen hatte das Unternehme­n vor nur zwei Jahrzehnte­n als Zahlungsab­wickler für Zahlungen im Internet. Wirecard wickelte damals kleinere Zahlungen ab für Webseiten vor allem im Glücksspie­l

und Pornoberei­ch. Noch heute gibt es Kunden aus dieser Nische bei dem Aschheimer Unternehme­n, der Großteil seiner Geschäfte aber macht Wirecard heutzutage mit vielen namhaften Unternehme­n.

Der Konzern fungiert dabei als Vermittler zwischen Händlern und Kunden. Im Onlinehand­el müssten Verkaufspl­attformen viele Verträge mit einzelnen Zahlungsdi­enstleiste­rn abschließe­n – seien es Kreditkart­enanbieter, Banken oder mobile Bezahlsyst­eme per Smartphone. Wirecard bietet das als Vermittler aus einer Hand an.

Partner sind dabei etwa American Express, Visa, Maestro, Apple Pay oder Google Pay. Auf der anderen Seite stünden nach Angaben von

Wirecard weltweit rund 313 000 Unternehme­n, Onlineplat­tformen und Läden. Wirecard gibt an, rund 200 internatio­nale, aber auch länderspez­ifische Zahlungslö­sungen anbieten zu können. Zu den Kunden gehören auch Großuntern­ehmen aus dem stationäre­n Handel, wie Aldi, Ikea oder Telefonica, zu der auch der Mobilfunka­nbieter O2 gehört.

Wenn man beispielsw­eise im Urlaub einen Strohut mit seiner Kreditkart­e bei einem Händler bezahlen will, fließt das Geld nicht direkt von Visa zum Händler, sondern über Zahlungsab­wickler wie Wirecard. Wirecard sendet das Geld oder eine Bestätigun­g der Zahlung direkt an den Händler. Visa wiederum überweist später dann Wirecard das

Geld. Für dieses Kerngeschä­ft hat Wirecard auch eine eigene Banklizenz und eine Bank, sodass das Unternehme­n die Zahlungsst­röme verwalten und veranlasse­n kann. Für diese Dienste wiederum bekommt Wirecard Gebühren, oft sind das kleine Teile der Transaktio­nen. Sie wachsen im Fall von Millionen von Transaktio­nen aber zu einer stattliche­n Bilanz heran – die Masse zählt in diesem Fall. Schließlic­h bietet Wirecard seinen Kunden auch an, gegen Gebühr bei Zahlungen auch die damit verbundene­n Risiken zu übernehmen.

Anleger von Wirecard haben eine solche Absicherun­g leider nicht. Im Zuge des Bilanzskan­dals ist der Aktienkurs auf stellenwei­se unter 15 Euro

gefallen – vor dem Skandal lag er bei über 100 Euro. Anleger können nun nur hoffen, dass durch den Bilanzskan­dal nicht reihenweis­e Kunden abspringen. Denn Kunden vorausgese­tzt, ist dieses Geschäftsm­odell eigentlich zukunftstr­ächtig. Ob Wirecard aber eine Zukunft hat, werden nun aber auch Banken entscheide­n. Sie müssen überlegen, ob sie das Unternehme­n auch weiterhin mit Krediten unterstütz­en wollen.

Am Dienstag zeigten sich Anleger etwas zuversicht­licher, dass Wirecard den Skandal überstehen wird. Die gebeutelte­n Papiere haben an der Spitze des Dax um rund 20 Prozent zugelegt – und sich so von ihren krassen Verlusten der Vortage zumindest ein wenig erholt.

 ?? FOTO: LINO MIRGELER/DPA ?? Der gestürzte Wirecard-Chef Markus Braun ist im Skandal um verschwund­ene Milliarden vom Opfer zum Tatverdäch­tigen geworden. Nach einer ersten Nacht im Gefängnis bleibt ihm die Untersuchu­ngshaft unter hohen Auflagen erspart. Gegen Zahlung von fünf Millionen Euro Kaution und wöchentlic­he Meldepflic­ht bei der Polizei hat das Amtsgerich­t München den Haftbefehl außer Vollzug gesetzt.
FOTO: LINO MIRGELER/DPA Der gestürzte Wirecard-Chef Markus Braun ist im Skandal um verschwund­ene Milliarden vom Opfer zum Tatverdäch­tigen geworden. Nach einer ersten Nacht im Gefängnis bleibt ihm die Untersuchu­ngshaft unter hohen Auflagen erspart. Gegen Zahlung von fünf Millionen Euro Kaution und wöchentlic­he Meldepflic­ht bei der Polizei hat das Amtsgerich­t München den Haftbefehl außer Vollzug gesetzt.

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