Randalierer polizeibekannt
Unter den Verdächtigen viele schon mehrfach auffällig
(tja) - Die meisten der nach den Stuttgarter Krawallen festgenommenen Personen sind polizeibekannt. Das sagte Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) am Dienstag in Stuttgart. Demnach wurden von 25 Festgenommenen 15 bereits angezeigt – und zwar zwischen ein und 24 Mal. Etwa die Hälfte der Verdächtigen ist unter 21 Jahre alt und hatte mehr als 0,65 Promille Alkohol im Blut. Acht sitzen nun in Untersuchungshaft.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) stellte sich am Dienstag hinter die Polizei: „Die, die unser Leben schützen und ihr Leben dafür einsetzen, werden immer öfter Opfer von Respektlosigkeit und Gewalt.“Das sei nicht hinnehmbar. Die Beamten verdienten Respekt und Vertrauen. „Wir haben bei unserer Polizei keine US-Verhältnisse“, so Kretschmann. Im Gegenteil hätten die Polizisten in Stuttgart trotz der Gewalt besonnen reagiert.
- Wie lassen sich Randale wie jene vom vergangenen Wochenende in Stuttgart verhindern? Dort zogen Hunderte meist junger Menschen durch die Straßen, beschädigten 40 Geschäfte und verletzten 19 Polizisten. Nun suchen Landesregierung und die Stadt Stuttgart nach Möglichkeiten, solche Zwischenfälle künftig zu verhindern. Was jetzt passieren soll.
Alkoholverbote
Bis Ende 2017 durften Tankstellen und Supermärkte in Baden-Württemberg ab 22 Uhr keinen Alkohol verkaufen. Die grün-schwarze Landesregierung hob das Verbot auf. Dafür können Städte und Gemeinden an bestimmten Orten verbieten, dass Alkohol getrunken wird. Das gilt zum Beispiel an der Uferpromenade in Friedrichshafen. Dort zog man zuletzt eine weitgehend positive Bilanz, die Zahl von Verstößen ging zurück. Kommunen beklagen, das Land lege die Hürden für solche Verbotszonen zu hoch. So kämen etwa in kleinen Gemeinden selten regelmäßig jene 50 Personen zusammen, die als unterste Grenze für ein Konsumverbot gelten.
Sicherheitspartnerschaft
Über die Frage, was sich dahinter verbergen soll, entstand am Dienstag ein Disput zwischen Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) und der Stadt Stuttgart. Strobl hatte der vom Grünen-Oberbürgermeister Fritz Kuhn geführten Verwaltung vorgeworfen, die Sicherheit
vernachlässigt zu zu haben. „Die Stadt Stuttgart muss selbst entscheiden, ob sie die Dinge so hinnehmen will, wie sie sind“, sagte Strobl. Er werde nicht einfach mehr Polizisten nach Stuttgart schicken, die Stadt müsse mitziehen: „Wenn es eine Sicherheitspartnerschaft mit dem Land geben soll, wird es aber ohne Videokameras, Aufenthalts- und Alkoholkonsumverbote nicht gehen. Gar nichts machen wäre zu wenig.“Der Ordnungsbürgermeister der Stadt, Martin Schairer (CDU), sagte der „Schwäbischen Zeitung“, man prüfe, ob an bestimmten Punkten Videoüberwachung eingeführt oder ein Verbot von Alkoholkonsum verhängt werden könne. „Das geht nur, wenn es dafür eine Rechtsgrundlage oder eine polizeiliche Lage gibt. Noch Mitte Februar war nach Einschätzung der Polizei der Obere Schlossgarten kein Kriminalitätsbrennpunkt. Somit wären solche Maßnahmen völlig unverhältnismäßig gewesen. Nach den schrecklichen Ausschreitungen haben Stadt und Polizei eine fundamental andere Lageeinschätzung.“Die Stadt arbeite seit 1997 in einer Partnerschaft mit der Polizei. Minister Strobl schwebt aber anderes vor. Als Beispiel nannte er Freiburg. Dort war die Sicherheitspartnerschaft Reaktion auf die Vergewaltigung einer Studentin 2017. Das Land entsandte mehr als 30 zusätzliche Polizisten. Die Stadt gründete einen Ordnungsdienst, installierte Videokameras. Laut Kriminalstatistik sank die Zahl der Straftaten danach um ein Drittel.
Umstrittene Brennpunkte
Der Zustand des Schlossgartens und des Schlossplatzes sind immer wieder Anlass für Kritik. Ordnungsbürgermeister Schairer erinnerte daran, dass das Land als Eigentümer dort über die Hausordnung Vorgaben machen könne. Das hat die Landesregierung nach eigenen Angaben zuletzt im Mai 2020 getan. Laut zuständigem Finanzministerium werde dort explizit auf das Verbot nachhaltigen Alkohol- und des Drogenkonsums hingewiesen. Es gebe rund um das Neue Schloss einen vom Land gezahlten Sicherheitsdienst. Auf Anregung des Ministeriums träfe man sich seit 2019 mit Polizei und Stadt, um die Probleme zu besprechen. Unter anderem wurde eine neue Beleuchtung installiert, Teile des Schlosses werden videoüberwacht
Jugendstrafrecht
Justizminister Guido Wolf (CDU) hatte vor den Stuttgarter Krawallen ein Konzept erarbeitet, um jungen Tätern beizukommen. Dieses hat die Ministerrunde nach den Randalen nun außerplanmäßig verabschiedet. So starten Modellprojekte in Stuttgart, Freiburg und Mannheim. Dort werden je zwei zusätzliche Justizmitarbeiter dafür sorgen, dass mehr beschleunigte Verfahren durchgeführt werden. Ziel ist es, Strafverfahren gegen junge Menschen nicht wie sonst bei geringeren Vergehen üblich schriftlich zu führen. Der Gedanke: Die Jugendlichen sollen möglichst bald nach der Tat merken, dass diese nicht ohne Konsequenzen bleibt. Eine Verhandlung, bei der sie selbst vor dem Richter stehen, soll eindrucksvoll stärker abschrecken als eine per Post verhängte Strafe. Außerdem sollen Richter häufiger einen Warnschussarrest verhängen. Das ist möglich, wenn junge Täter nur eine Bewährungsstrafe bekommen, also nicht ins Gefängnis müssen. Ihnen kann dann ein Arrest auferlegt werden – diesen sitzen sie nicht im Knast ab, werden jedoch in einer Anstalt pädagogisch betreut.