Aalener Nachrichten

Jäger sollen bleifrei schießen

EU-Kommission will Bleimuniti­on verbieten – Deutschlan­d enthält sich

- Von Hanna Gersmann

- Es gibt Jäger, die schwören auf Bleimuniti­on. Sie halten die Geschosse für optimal, weil sie Tieren, so sagen sie, ein schnelles, gnädiges Ende bereiten. Für Naturschüt­zer, auch für Verbrauche­rschützer sind sie allein eins: ein Übel, das längst verboten sein müsste.

Es ist ein ewiger Streit, dem die EU-Kommission nun ein Ende setzen will. Zumindest will sie die Bleimuniti­on für die Jagd in den ökologisch besonders sensiblen Feuchtgebi­eten verbieten, in denen Enten, Gänse und andere Wasservöge­l dümpeln. Doch die Bundesregi­erung kann sich nicht dazu durchringe­n, das Ressort der CDU-Bundesagra­rministeri­n Julia Klöckner sperrt sich. So hat sich Deutschlan­d am Dienstag bei der entscheide­nden Vorabstimm­ung auf europäisch­er Ebene enthalten.

Hintergrun­d: Immer wieder sterben zum Beispiel Seeadler an Bleivergif­tungen. In Deutschlan­d ist es ihre häufigste Todesursac­he, und zwar nicht, weil sie geschossen werden. Offenbar vertilgen sie Geschosssp­litter und -kügelchen, wenn sie sich über Wildreste oder angeschoss­ene und verendete Tiere hermachen. Und Blei ist ein wirksames Gift. Schon kleine Konzentrat­ionen haben Folgen. Sie schädigen etwa Nerven, beeinträch­tigen Reaktionsf­ähigkeit und Wahrnehmun­g. Die Reste der Munition machen aber nicht nur dem Greifvogel zu schaffen, sondern anderen Tieren und dem Menschen genauso. Das Bundesinst­itut für Risikobewe­rtung rät zum Beispiel Schwangere­n, Frauen mit Kinderwuns­ch und Kindern bis sieben Jahre auf Wild aus der Bleigescho­ssjagd zu verzichten.

Jäger schießen in Europa in einem Jahr bislang hunderte Millionen von Schrotpatr­onen ab. Doch „nur ein sehr geringer Anteil der abgefeuert­en Bleimuniti­on trifft ihr Ziel“, heißt es bei der Europäisch­en Chemikalie­nagentur Echa. In einem Jahr landeten so etwa 14 000 Tonnen Bleimuniti­on in Wäldern, auf Wiesen und auf Feldern, sowie rund 5000 Tonnen an Ufern, Teichen, Seen. Allein wegen letzterer, der Bleilast in den Feuchtgebi­eten, stürben jedes Jahr gut eine Million Wasservöge­l, erklären die Echa-Experten. Denn: „Die Aufnahme eines einzigen Stücks Bleimuniti­on reicht aus, um den Tod eines kleinen Wasservoge­ls zu verursache­n.“

Die Lieblingsm­unition so manchen Jägers ist darum schon längst hier und dort reglementi­ert. In Dänemark ist sie seit 1996 komplett verboten. So weit ist Deutschlan­d nicht. Doch in den deutschen Bundesfors­ten darf zum Beispiel auch kein Blei abgefeuert werden. Und außer Hamburg und Bremen haben alle Bundesländ­er dies für die Jagd, auch über Gewässern, schon ausgeschlo­ssen.

Die EU-Kommission strebt nun ein komplettes Verbot an, nimmt sich zunächst aber nur die Jagd mit Blei in Feuchtgebi­eten vor. Für Torsten Reinwald, der für den Deutschen Jagdverban­d spricht, ist aber nicht entscheide­nd, ob bleihaltig oder nicht – sondern das „beste Verhältnis zwischen Verbrauche­r-, Umweltund Tierschutz.“Er sagt: „Wir müssen den Bleigehalt minimieren, aber die Tötungswir­kung maximieren.“Daran werde auch geforscht. Das Bundesagra­rministeri­um argumentie­rt ähnlich und erklärt, dass der aktuelle Entwurf der Kommission „noch nicht allen Belangen vollumfäng­lich Rechnung“trage.

Nimmt, wer bleifreie Geschosse will, also mehr Leid der Tiere in Kauf? Jochen Flasbarth, Staatssekr­etär im SPD-geführten Bundesumwe­ltminister­ium, widerspric­ht: „Das Tierwohl-Argument zieht überhaupt nicht. Selbstvers­tändlich kann mit anderer Munition und nötigenfal­ls auch mit anderem Kaliber eine sichere Tötung erreicht werden.“Magnus Wessel vom Umweltverb­and BUND sagt es so: „Wir können auf den Mars fliegen und auf dem Mond spazieren gehen, aber keinen Ersatz für Blei finden? Das kann nicht sein.“

Trotz der Enthaltung Deutschlan­ds sah es nach der Vorabstimm­ung so aus, als käme eine Mehrheit für den EU-Vorstoß zustande. In einigen Tagen folgt nun die schriftlic­he Abstimmung. Jeder Mitgliedst­aat kann seine Position noch einmal überdenken, auch Deutschlan­d.

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FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA Bleimuniti­on ist beliebt bei Jägern, aber schädlich für die Umwelt. Deshalb will die EU-Komission den Einsatz verbieten.

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