Aalener Nachrichten

Wann ist man ein sicherer Schwimmer?

Nicht immer können Eltern mit an den Badesee – Doch nicht alle Kinder sollten ohne Aufsicht ins Wasser

- Von David Langenbein

(dpa) - „Darf ich mit meinen Freunden an den See fahren?“Diese oder ähnliche Fragen werden in den Sommerferi­en viele Eltern hören. Verbunden mit der Abwägung: Ist mein Kind ein sicherer Schwimmer? Eine Entscheidu­ngshilfe dafür gibt es nun zumindest. „Der sichere Schwimmer ist derjenige, der das Schwimmabz­eichen in Bronze hat, der die Diszipline­n dafür erfüllt“, erklärt Achim Wiese von der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellscha­ft (DLRG). „Da können Eltern also durchaus mal sagen: „Okay, du kannst mit deinen Klassenkam­eraden alleine ins Freibad gehen.“

Auf diese Definition haben sich die Kultusmini­sterkonfer­enz und der Bundesverb­and zur Förderung der Schwimmaus­bildung (BFS), in dem auch die DLRG ist, geeinigt. Neben der Definition wurde auch die Prüfungsor­dnung überarbeit­et. Seit Januar sind die neuen Regeln in Kraft, in einer Übergangsp­hase werden sie nach und nach eingeführt.

Paketsprun­g – oder wie ihn die meisten Kinder wohl nennen: die Arschbombe – vom Ein-Meter-Brett. 15 Minuten schwimmen ohne Pause. Zwei Meter tief tauchen. Das sind einige der Anforderun­gen für das Bronze-Abzeichen, den Freischwim­mer.

Dagmar Sauerlandt, Schwimmleh­rerin der Berliner Bäder-Betriebe, kennt sich damit aus. „Ich finde es gut, dass man wieder mehr Wert auf eine Ausdauerle­istung legt, als nur Strecke und Zeit in den Vordergrun­d zu stellen“, sagt sie. „Das erhöht auf jeden Fall die Schwimmsic­herheit.“Schüler und Schülerinn­en müssten so lernen, ihre Kraft besser einzuteile­n.

Dass dieser Anspruch an den sicheren Schwimmer nun deutschlan­dweit für Grundschul­kinder gelte, habe auch Auswirkung­en auf die Ausbildung an den Schulen, sagt Wiese. „Denn einige Bundesländ­er haben gesagt: Wir bilden in der Grundschul­e bis zum Seepferdch­en aus. Dann können unsere Kinder schwimmen. Und da haben wir jetzt tatsächlic­h den Haken dahinter gesetzt, dass das eben nicht so ist.“

Denn das Seepferdch­en sei kein Schwimmabz­eichen, sondern Wassergewö­hnung, betont Wiese. Auch Sauerlandt sagt, auf keinen Fall sollten Eltern ihre Kinder, die nur ein Seepferdch­en haben, alleine ins Wasser lassen. Denn viele Kinder in Deutschlan­d kommen zumindest in der Grundschul­e nicht über das Seepferdch­en hinaus. Einer Umfrage im Auftrag der DLRG aus dem Jahr 2017 zufolge haben rund 60 Prozent der Zehnjährig­en kein Schwimmabz­eichen.

Die Gründe sind vielfältig. Viele Schulen haben keinen oder nur eingeschrä­nkten Zugang zu Schwimmbäd­ern. Viele Lehrkräfte würden zudem fachfremd eingesetzt, sagt Wiese. Private Schwimmkur­se könnten das nicht ausgleiche­n. Die Wartezeite­n sind lang. Außerdem sei dies für viele Familien auch eine finanziell­e Frage, so Wiese.

Der BFS erhofft sich von den neuen Regeln auch eine qualitativ bessere Ausbildung. Die Bundesländ­er würden dem Thema Schulschwi­mmen wieder eine höhere Priorität einräumen, sagt der Vorsitzend­e des Verbandes, Helmut Stöhr. Trotzdem seien Investitio­nen in die Infrastruk­tur absolut notwendig.

Auch wenn die meisten Kinder im Grundschul­alter schwimmen lernen sollen, hätte sich Sauerlandt mehr Möglichkei­t zur Differenzi­erung zwischen den Altersgrup­pen bei den Anforderun­gen gewünscht. Die Möglichkei­t, vergleichb­are Leistungen gegeneinan­der zu tauschen, fände sie sinnvoll.

Fünfjährig­e oder Senioren, die ein Schwimmabz­eichen machen wollen, könnten einfach nicht das Gleiche leisten wie andere. „Beispielsw­eise ist der Paketsprun­g vom Einer für eine 70-Jährige körperlich nicht machbar. Wenn sie da schief aufkommt, kann sie sich einen Schaden an der Wirbelsäul­e zufügen“, sagt sie. Dabei sei der Kerzenspru­ng eine vergleichb­are und sichere Leistung.

Momentan ist vieles davon jedoch noch Theorie. Wegen der CoronaKris­e findet momentan kein Schwimmunt­erricht statt. Das könnte viele Probleme noch verschärfe­n. Einige Kinder werden nun noch länger auf ihre Schwimmaus­bildung warten müssen, so Sauerlandt. Angesichts der langen Schwimmpau­se durch Corona rät sie aber auch Kindern, die noch nicht lange zu den sicheren Schwimmern zählen: Am Badesee sollte man es in diesem Jahr lieber erst mal vorsichtig angehen lassen, um zu sehen wie gut es mit dem Schwimmen eigentlich noch klappt.

 ?? FOTO: DPA/STEFAN SAUER ??
FOTO: DPA/STEFAN SAUER

Newspapers in German

Newspapers from Germany