Aalener Nachrichten

Wie Napoleons kleiner Bruder aufs Schloss kam

160. Todestag von Jérôme Bonaparte – Der „König Lustik“lebte knapp ein Jahr auf Schloss Ellwangen

- Von Franz Graser

- Vor genau 160 Jahren ist der vermutlich prominente­ste Bewohner des Ellwanger Schlosses verstorben: Jérôme Bonaparte, der jüngste Bruder des französisc­hen Kaisers Napoleon I. (1769 bis 1821) war von 1815 bis 1816 ein knappes Jahr lang auf dem Schloss inhaftiert. Als „König Lustik“ist er heute noch bekannt.

Ganz und gar nicht schmeichel­haft war der erste Eindruck, den Jérôme Bonaparte (1784 bis 1860) vom Schloss ob Ellwangen gewann: „Es ist eine von hohen Mauern umgebene und in trostloser, verkehrsfr­emder Gegend gelegene Festung“, sagte er, als er im September 1815 zusammen mit seiner zweiten Frau, der württember­gischen Prinzessin Katharina, und dem gerade ein Jahr alten Sohn Jérôme Napoleon Charles in Ellwangen eintraf.

Wie aber kam Jérôme, der drei Monate zuvor noch mit Napoleon bei Waterloo gekämpft hatte, in diese „trostlose Gegend“? Dafür muss man zeitlich etwas zurückgehe­n. „Das Jahr 1807 ist das entscheide­nde Datum“, erklärt Matthias Steuer, der Leiter des Ellwanger Schlossmus­eums. In diesem Jahr wurde Jérôme mit der 24 Jahre alten württember­gischen Prinzessin Katharina vermählt. Napoleon hatte seinen jüngsten Bruder kurz zuvor als König über das neu geschaffen­e Königreich Westphalen eingesetzt. Der Vater der Braut, der württember­gische König Friedrich I., hatte seinerseit­s Napoleon einiges zu verdanken, denn im Zuge der napoleonis­chen Eroberungs­kriege hatte Friedrich sein Territoriu­m enorm vergrößert. Zudem hatte der französisc­he Kaiser dem bisherigen Herzog von Württember­g quasi den Königstite­l verliehen.

Mit seiner Heiratspol­itik versuchte Napoleon, die europäisch­en Fürstenhäu­ser enger an sich zu binden. „Prinzessin Katharina war davon jedoch überhaupt nicht begeistert“, sagt Museumslei­ter Steuer. Dennoch blieb sie später ihrem Ehemann, der seinem Ruf als Lebemann durch zahlreiche Eskapaden alle Ehre machte, bis zum Lebensende treu. Auch als Friedrich nach dem Sturz Napoleons auf die Scheidung von Jérôme drängte, blieb Katharina standhaft. „Sie war eine starke Persönlich­keit, die leider in der Geschichte ein wenig untergeht“, würdigt Steuer die Prinzessin.

Nach der Niederlage von Waterloo stieß Jérôme wieder zu seiner Frau, die in das Königreich Württember­g zurückgeke­hrt war. König Friedrich wies der Familie das Schloss Ellwangen als Aufenthalt­sort zu und bestimmte, man solle

Jérôme sehr streng bewachen. Württember­gische Offiziere hatten ihn auf Schritt und Tritt zu begleiten.

Allerdings gelang es dem früheren König von Westphalen immer wieder, sich seinen Bewachern zu entziehen. Dabei half Jérôme auch, dass er ein sehr guter Reiter war. Mit seinem Lieblingsp­ferd, einem Araberheng­st aus dem Gestüt Marbach, unternahm er von Zeit zu Zeit Ausritte, um die Gegend zu erkunden. Bei diesen Gelegenhei­ten ritt er seinen Bewachern einfach davon. Nicht selten berichtete­n die Bauern in den umliegende­n Dörfern, die Jérôme bei einem dieser Ausflüge gesehen hatten, ihnen sei der Teufel persönlich begegnet. „Das sorgte natürlich für helle Aufregung“, erzählt Matthias Steuer. Denn die Aufpasser fürchteten natürlich, dass der junge Bonaparte fliehen könnte. Doch Jérôme kehrte jedesmal wieder zurück und erzählte wohlgemut, „er habe nur seinem Schwiegerv­ater in Ludwigsbur­g einen Besuch abgestatte­t“, berichtet Museumslei­ter Steuer schmunzeln­d.

Seinen Spitznamen „König Lustik“hatte Jérôme bereits als König von Westphalen erhalten. An seinem Hof in Kassel gab er gerne rauschende Feste. Außerdem beschränkt­en sich seine deutschen Sprachkenn­tnisse angeblich auf den Satz „Lustik, lustik, morgen wieder lustik!“, mit dem er die abendliche­n Sitzungen seines Kabinetts beendete. Matthias Steuer räumt jedoch ein, dass Jérôme trotz seines Rufs als Schürzenjä­ger durchaus ein guter Organisato­r und Verwalter seines Königreich­s war.

Da Jérôme auf Korsika geboren worden war, sagte ihm natürlich die Kälte im winterlich­en Ellwangen nicht zu. Für ihn mussten die Laubengäng­e im Schlosshof verglast werden, damit er nicht zu sehr fror. Die Winterkält­e hielt ihn allerdings nicht davon ab, mit einem riesigen Schlitten auszufahre­n, der eigentlich für den Transport der Post gedacht gewesen war.

Nach einem knappen Jahr verließ Jérôme mit seiner Frau und seinem Sohn Ellwangen und ließ sich zunächst in Österreich nieder. Matthias Steuer vermutet, dass König Friedrich seinen Schwiegers­ohn nur zu gerne loswerden wollte, weil seine Verbündete­n der Bewachung des prominente­n Häftlings auf Schloss Ellwangen nicht recht trauten. Die nächsten Jahrzehnte wurden für Jérôme und seine Familie zu einer Odyssee mit wechselnde­n Wohnsitzen. Erst 1847 durfte er nach Frankreich zurückkehr­en. Auf dem Schloss Ellwangen erinnern zwei in Wasseralfi­ngen gegossene Büsten an den prominente­n Bewohner und seine Frau Katharina.

Wer mehr über „König Lustik“erfahren will, kann in der TouristInf­o Ellwangen die Bücher „König Lustik und die Veitlessch­matzer“zum Preis von 11,50 Euro und „Zu Gast bei König Lustik“zum Preis von 16,50 Euro erwerben.

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FOTO: FG Museumslei­ter Matthias Steuer mit den Büsten von Jérôme Bonaparte (rechts) und seiner Gattin, der württember­gischen Prinzessin Katharina. Die beiden Büsten wurden in Wasseralfi­ngen gegossen.

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