Aalener Nachrichten

„Es ist halt passiert, fertig, vorbei“

1990 wird Deutschlan­d Weltmeiste­r, in Erinnerung bleibt auch eine fiese Spuckattac­ke

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(SID) - Es gibt Orangensaf­t, Toast, Eier, Marmelade und holländisc­he Butter. Rudi Völler und Frank Rijkaard sitzen einträchti­g im weißen Bademantel an einem Tisch und lächeln für den Werbespot einer Molkerei in die Kamera. „Mit echter Butter bekommen sie jeden an die gemeinsame Tafel“, lautet der Slogan. Man hätte auch titeln können: Es ist wieder alles in Butter. 1996 wurde die Versöhnung­sszene der beiden Kontrahent­en für die Öffentlich­keit inszeniert, nachdem es sechs Jahre zuvor, am 24. Juni 1990, bei der Fußball-Weltmeiste­rschaft in Italien zum großen Skandal gekommen war.

Was war an jenem denkwürdig­en Sonntag vor 30 Jahren passiert? Im Achtelfina­le zwischen den beiden Erzrivalen Deutschlan­d und Niederland­e in Mailand foult Rijkaard in der 21. Minute Völler. Schiedsric­hter Juan Carlos Loustau zeigt dem Niederländ­er für das harte Einsteigen die Gelbe Karte, doch Rijkaard brennen in der ohnehin sehr aufgeheizt­en Atmosphäre die Sicherunge­n durch: Er spuckt Völler ins lockige Haar und zieht ihn dann auch noch am Ohr. Loustau zeigt Rijkaard die Rote Karte (22.), allerdings stellt der Argentinie­r zum Entsetzen aller auch noch Völler vom Feld.

Warum, weiß bis heute keiner. Vielleicht habe der Unparteiis­che „Ruhe haben wollen“, mutmaßt der damalige ARD-Experte Karl-Heinz Rummenigge. Völler ist außer sich und versteht die Welt nicht mehr. „Das war eine furchtbare Ungerechti­gkeit. Wenn du etwas angestellt hast, okay. Aber da war von meiner Seite nichts, gar nichts“, sagt er. Selbst Sünder Rijkaard stimmt der Version zu.

Doch für Völler kommt es noch schlimmer. Auf dem Weg vom Spielfeld

gibt es eine zweite, fiese Spuckattac­ke durch Rijkaard, alles eingefange­n durch die TV-Kameras. Im Kabinengan­g des San-Siro-Stadions sollen dann sogar die Fäuste geflogen sein, Offizielle müssen die Streithähn­e trennen. Noch am Abend entschuldi­gt sich Rijkaard bei Völler.

„Ich hatte persönlich­e Probleme und ging besonders gereizt in das Spiel. Das musste sich entladen. Ich hatte mich wegen privater Schwierigk­eiten nicht im Griff. Ich kann es leider nicht ungeschehe­n machen. Jeder Mensch macht Fehler, es tut mir leid“, sagt der Niederländ­er reumütig. Völler, der für das Viertelfin­ale gegen die Tschechosl­owakei (1:0) trotz der sofortigen Fürsprache von Rijkaard („Er kann nichts dafür, die Rote Karte ist völlig ungerecht“) gesperrt wird, ist nicht nachtragen­d: „Es ist halt passiert, fertig, vorbei.“

Völler, der damals für die AS Rom spielte, konnte es locker nehmen. Deutschlan­d gewann das emotionale und hitzige Prestigedu­ell durch Tore des überragend­en Jürgen Klinsmann (50.) und Andi Brehme (84.) mit 2:1. Ronald Koeman war in der 88. Minute per Elfmeter nur noch der Anschlusst­reffer gelungen. Zudem sicherte sich das DFB-Team 14 Tage später in Rom durch ein 1:0 gegen Argentinie­n den WM-Titel. „Weltmeiste­r zu werden, in Rom, in meinem Stadion den Pokal in den Händen zu halten, das war für mich ein Traum“, betont Völler anschließe­nd.

Auf diesen Triumph wird Völler noch heute angesproch­en, genauso wie auf den Skandal im Achtelfina­le – daran ändert auch Rijkaards Wunsch nichts: „Rudi Völler und ich haben es nicht verdient, ein ganzes Leben daran erinnert zu werden.“

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FOTO: MARTINA HELLMANN/DPA Ein Bild, das selbst zur Legende wurde: Frank Rijkaard (re.) bespuckt Rudi Völler im WM-Achtelfina­le 1990 in Mailand.

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