Tönnies muss zahlen
Das Problem ist längst erkannt und auch der hartnäckigste Billigfleisch-Käufer wird einräumen, dass es weder in Ordnung ist, wie die Tiere gehalten werden noch wie die Menschen beschäftigt sind, die die Tiere zerlegen. Beide Problemfelder sind längst ausreichend abgesteckt. Sie sind vermessen, beackert, umgepflügt und gewalzt worden. Was geschehen muss, liegt schon ewig auf der Hand, und doch sind die Widerstände aus den Mastbetrieben und der Fleischindustrie lange Zeit hoch gewesen. Auch die Einzelhandelskonzerne verfolgen ihre Interessen – und schätzen die absurd niedrigen Kilopreise als Lockmittel für ihre Kunden.
Der Corona-Massenbefall beim Fleischindustriellen Clemens Tönnies dürfte, nein, muss diese Position nun endlich unhaltbar machen. Die Pandemie scheint hier wie ein Brennglas zu wirken, das die Probleme so überdeutlich zeichnet, dass keiner sie mehr übersehen kann: Die Zustände in der Fleischproduktion verletzen unsere gesellschaftlichen Werte von Anstand, Fairness und von Moral. Wenn die Werkverträge zu solchen Zuständen führen, müssen sie abgeschafft werden. Wenn den Zuständen in den Ställen und Zerlegehallen über den Marktpreis nicht beizukommen ist, muss es eben eine Abgabe geben, die zur Einhaltung des Tierwohls eingesetzt wird.
Die Behörden in Land und Region müssen endlich genau prüfen und die unhaltbaren Zustände abstellen. Tönnies steht zudem in der Pflicht, das wieder zu richten, was sein Billigheimer-System von Sub- und Subsubunternehmern angerichtet hat. Es mag vielleicht rein rechtlich unmöglich sein, ihm die Rechnung für den Großeinsatz und die Tests in Gütersloh aufzubrummen. Doch das ist letztlich egal. Will Tönnies nicht fortan als schamloser Ausbeuter gelten, muss er der Stadt eine finanzielle Kompensation zukommen lassen. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter hat recht, wenn er den Unternehmer dazu auffordert, diese Leistung aus dem Privatvermögen zu erbringen. Ein Witz wäre es – und zwar ein äußerst schlechter –, sollte Tönnies die gesetzlich verordneten, steigenden Fleischpreise dafür nutzen.