Liebe Ignoranz
Zur Glosse „Kein Mohren mehr und keine Möhre“(20.6.):
Ob man die lange Tradition der Namensgebung „Mohren“und der dazugehörigen stereotypischen Silhouette als erhaltungswürdig oder nicht sehen will, mag womöglich streitbar sein. Zumal, wenn man solche Umstände als eine Art Mahnmal für deren grauenhafte Herkunft aus Zeiten der kolonialen Sklaverei sehen würde, sowie auch für damit verbundene Völkermorde und für den rassistischen Gebrauch des Begriffs in den darauffolgenden Jahrhunderten. Jedenfalls scheint der Begriff de facto als solches wohl kaum in Erscheinung zu treten, wenn auf der Titelseite einer Zeitung dessen Tragweite ins Lächerliche gezogen wird. Wie sollte es auch anders sein zu einer Zeit, in der die Nachfahren der damals malträtierten Menschen noch immer für gleiche Rechte kämpfen müssen und wie in meinem Bekanntenkreis mehrmals jährlich in teils absurdesten Situationen von der Polizei kontrolliert werden, wie beispielsweise beim Frühsport. Und nebenbei bemerkt leben wir noch heute in einer westlichen Welt, die die damalige Ausbeutung ferner Länder im Grunde nicht abgeschafft hat, sondern in der perfiden Form eines modernen Kapitalismus fortsetzt. Man denkt nicht gerne an die bisweilen blutige Herkunft unserer Rohstoffe beim täglichen Tritt aufs Gaspedal, beim stündlichen Blick aufs Smartphone. Und genauso denkt wohl keiner daran, wieviel Negatives ein Begriff in sich tragen kann beim Spaziergang in der Mohrenstraße. Oder beim Verfassen eines Zeitungskommentars darüber.
Jakob Aschauer, Achberg