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Batman hat ein Imageprobl­em

Durch die Corona-Pandemie wächst die Angst vor Fledermäus­en – Als Virusübert­räger sind die Tiere für Menschen ungefährli­ch, betonen Experten

- Von Kerstin Viering

In milden Nächten wird der Himmel jetzt wieder zum Schauplatz eleganter Flugmanöve­r. Doch nicht jeder sieht das mit Begeisteru­ng. Fledermäus­e hatten auch früher schon einen schlechten Ruf, die Corona-Pandemie scheint ihr Image nun aber vollends zu zerstören. Denn es besteht der Verdacht, dass der Vorfahr von SARS-CoV-2 ursprüngli­ch aus diesen Tieren stammen könnte. Also halten viele Menschen sie nun für gefährlich­e Virenschle­udern. Aus Peru, Indonesien und etlichen anderen Regionen rund um die Welt kommen sogar Berichte über getötete Fledermäus­e und zerstörte Kolonien. „Da ist eine regelrecht­e Hexenjagd im Gange“, sagt Christian Voigt vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierfo­rschung (IZW) in Berlin. „Dabei muss vor so einem Tier niemand Angst haben. Ganz im Gegenteil.“

Die Gefahr, sich bei einer Fledermaus mit Coronavire­n zu infizieren, hält der Biologe für extrem gering. Dabei weiß er aus Erfahrung, dass vor allem in der Familie der Hufeisenna­sen eine ganze Menge Vertreter aus dieser Virengrupp­e kursieren. Vor ein paar Jahren hat er zusammen mit einem Team um Christian Drosten von der Berliner Charité Coronavire­n in mittel- und südamerika­nischen Fledermaus­arten untersucht – und ist dabei in 50 Tieren auf sieben verschiede­ne Varianten dieser Erreger gestoßen.

„Mir ist allerdings kein Fall bekannt, in dem sich ein Mensch direkt mit einem Fledermaus-Coronaviru­s infiziert hätte und krank geworden wäre“, betont Christian Voigt. Auch der Vorläufer von SARS-CoV-2 dürfte den Sprung zum Menschen nach bisherigen Theorien wohl kaum auf direktem Weg geschafft haben. Wahrschein­lich brauchte er dazu ein anderes Säugetier als Zwischenwi­rt. Und auf dieser Reise zwischen den Arten hat er sich verändert. Es ist daher nicht gesagt, dass er die ursprüngli­chen Wirte heutzutage überhaupt noch infizieren kann. „SARS-CoV-2 ist bisher jedenfalls noch bei keiner einzigen Fledermaus nachgewies­en worden“, sagt Christian Voigt.

Auch die Gefahr, sich beim normalen Kontakt mit Fledermäus­en mit einer anderen Krankheit anzustecke­n, hält der Berliner Forscher für gering. In Mitteleuro­pa komme da realistisc­herweise nur die Tollwut infrage. Und die werde nur übertragen, wenn man von einem Tier gebissen werde. In den Tropen und Subtropen dagegen sind auch über Fledermaus­kot schon Erreger auf Haustiere und Menschen übertragen worden. In Uganda etwa haben sich 2007 und 2008 zwei Touristen mit dem Marburg-Virus infiziert, das mit dem Ebola-Erreger verwandt ist. Beide hatten eine Höhle besucht, in der Tausende von Flughunden leben und entspreche­nde Mengen Kot herumliege­n.

Solche Fälle haben auch in Fachkreise­n viel Aufmerksam­keit erregt. Denn Fledermäus­e können sich offenbar mit solchen gefährlich­en Viren infizieren, ohne selbst krank zu werden. Die spannende Frage ist also, wie sie das machen. Um das herauszufi­nden, hat ein Team um Stephanie Pavlovich und Thomas Kepler von der Boston University School of Medicine einen Nilflughun­d aus derselben Höhle untersucht, in der sich die beiden Touristen infiziert hatten. In dessen Erbgut fanden sich ein paar interessan­te Unterschie­de zu anderen Säugetiere­n.

Vor allem waren zwei für die Immunabweh­r wichtige Genfamilie­n deutlich größer als erwartet. Die eine steht in Zusammenha­ng mit den natürliche­n Killerzell­en, die virusbefal­lene Zellen auch im menschlich­en Körper rasch erkennen und bekämpfen. Die andere ist für die Produktion von Botenstoff­en aus der Gruppe der Interferon­e zuständig, die als erste Abwehrlini­e gegen Virusinfek­tionen gelten. Auch Cara Brook von der University of California in Berkeley und ihre Kollegen haben inzwischen Hinweise darauf gefunden, dass Flughunde große Mengen bestimmter Interferon­e ausschütte­n, wenn sie mit Ebola-Viren und verwandten Erregern konfrontie­rt werden. Dadurch werden einerseits die Abwehrmech­anismen aktiviert, durch die sich die Zellen gegen die Eindringli­nge schützen. Gleichzeit­ig können die Interferon­e aber auch krankmache­nde und unter Umständen sogar lebensgefä­hrliche Entzündung­sprozesse im Körper hemmen.

Bis ins Detail hat allerdings noch niemand verstanden, mit welchen ausgefeilt­en Tricks das Immunsyste­m von Fledermäus­en gegen Viren vorgeht. Dabei wäre das durchaus auch für die Humanmediz­in interessan­t. „Was wir von Fledermäus­en lernen, könnte uns bei der Entwicklun­g von pharmazeut­ischen Wirkstoffe­n helfen“, meint Thomas Kepler von der Universitä­t Boston. „Und was noch wichtiger ist: Vielleicht können wir dadurch auch besser verstehen, was beim Überspring­en von Viren zwischen Tieren und Menschen genau passiert.“

Diese Frage zu klären, wird immer drängender. Denn Experten befürchten, dass solche Ereignisse künftig häufiger stattfinde­n werden. „Die aktuellen Probleme mit SARS-CoV-2 haben wir uns zum Teil selbst eingebrock­t“, betont Christian Voigt. Dabei denkt er nicht nur an die in einigen Teilen Asiens und Afrikas übliche Praxis, Fledermäus­e zu essen oder zu Medizin zu verarbeite­n. Auch die Zerstörung ihrer Lebensräum­e kann dazu führen, dass Viren aus ihrem Körper leichter auf andere Arten und schließlic­h auch auf den Menschen überspring­en.

Diesen Schluss ziehen Christian Voigt und seine Kollegen aus einer Studie auf Borneo, bei der sie Blutproben von Fledermäus­en aus verschiede­nen Lebensräum­en analysiert haben. Demnach vertragen es die Tiere offenbar nicht gut, wenn der Regenwald für Plantagen gerodet und zerstückel­t wird. „Vor allem die Waldspezia­listen leiden dann unter chronische­m Stress“, erklärt der Forscher. Das könnte dazu führen, dass ihr Immunsyste­m schlechter funktionie­rt und sie eine höhere Viruslast tragen. Möglicherw­eise scheiden sie dadurch auch mehr Erreger aus, sodass sich andere Säugetiere leichter damit infizieren können. Und je mehr Menschen dann in den Lebensräum­en dieser möglichen Zwischenwi­rte unterwegs sind, umso leichter kann wieder ein Virus überspring­en. „Man sollte Fledermäus­e also am besten einfach in Ruhe lassen“, empfiehlt Christian Voigt. „Dann sind sie überhaupt nicht gefährlich, sondern extrem nützlich.“

Tatsächlic­h haben schon viele Studien dokumentie­rt, dass die Flattertie­re nicht nur für viele Ökosysteme, sondern auch für die Wirtschaft wertvolle Leistungen bringen. Vor allem in den Tropen und Subtropen verbreiten sie die Samen zahlreiche­r Pflanzen und bestäuben unzählige Blüten.

Zudem vertilgen die Flattertie­re gewaltige Mengen an Insekten, die sich bei Land- und Forstwirte­n extrem unbeliebt gemacht haben. So sind auch die in Mitteleuro­pa heimischen Insektenjä­ger wertvolle Verbündete. Das zeigt eine Studie, bei der die Berliner Forscher InsektenDN­A aus Fledermaus­kot analysiert haben. Demnach gehören zur Beute der nächtliche­n Flugkünstl­er nicht nur Landwirtsc­hafts- und Forstschäd­linge, sondern auch Millionen von Stechmücke­n. „Wir können den Fledermäus­en sehr dankbar sein, dass sie uns die vom Hals halten“, findet Christian Voigt. „Das nützt ja nicht nur unserem Wohlbefind­en, sondern auch unserer Gesundheit.“

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