Ideologiefrei bewerten
Bei der Gentechnik auf Äckern sind sich Bürger und Politik einig: Die übergroße Mehrheit lehnt genveränderten Mais oder genveränderte Tomaten ab. Zu ungewiss scheinen die Folgen der Experimente. Doch es bedarf einer neuen Bewertung. Dafür gibt es gute Gründe. Hunderte renommierter Wissenschaftler betonen die Chancen der neuen Gentechnik, selbst der Deutsche Ethikrat lehnt Eingriffe ins menschliche Erbgut damit nicht grundsätzlich ab. Die Wissenschaft führt die nötigen Debatten ernsthaft: So haben große deutsche Forschungsgesellschaften differenzierte Positionen zu Fragen und ethischen Hürden erarbeitet.
Nun ist es an der Politik, ihre Schlüsse daraus zu ziehen. Die Grenzen sind klar und müssen es bleiben: Niemand will Designer-Babys, niemand will einen gentechnisch optimierten Menschen. Doch jenseits davon bleiben schwierige Abwägungen zu treffen zwischen Gefahr und Chance. Das ist Aufgabe der Politik. Viele Politiker scheuen jedoch die Debatte. Zu komplex das Thema, zu unbeliebt beim Wähler. Auch deswegen hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann Freilandversuche im Südwesten gestoppt – es naht im März 2021 eine Landtagswahl.
Doch gerade die Grünen sollten beweisen, dass sie eine Partei sind, die der Wissenschaft vertraut. Nicht blindlings und unkritisch, aber ergebnisoffen und auf Grundlage der Fakten. Schließlich berufen sie sich zu Recht auf die Experten, wenn es etwa um den Klimawandel geht. Da passt es nicht ins Bild, Gentechnik in der Landwirtschaft rundheraus abzulehnen und Forschung durch Auflagen nahezu unmöglich zu machen.
Es ist zudem besser, die Forschung an staatlichen Institutionen zu fördern, als sie allein der Wirtschaft zu überlassen. Dass es heute nicht genug Alternativen zu chemischem Pflanzenschutz gibt, liegt auch daran, dass zu lange zu wenig öffentliches Geld in die Forschung floss. Die Pestizidhersteller forschen zwar, aber Geld für Alternativen geben sie ungern aus. Das Beispiel zeigt: Die Potenziale und Risiken einer neuen Technologie dürfen nicht unerforscht bleiben, weil es nicht zur Ideologie passt oder Wähler vergraulen könnte.