VfB-Präsident Vogt plädiert für Gehaltsobergrenze
VfB-Präsident Claus Vogt über das Wirtschaften in der Corona-Krise und finanzielle Gerechtigkeit
(zak) - Claus Vogt, der Präsident des Bundesliga-Aufsteigers VfB Stuttgart, spricht sich für die Einführung einer Gehaltsobergrenze im Profifußball aus. „Ein Salary Cap könnte ein Mittel sein, die hohen Gehaltsund Beraterkosten einzudämmen. Es wäre den Versuch wert, ihn einzuführen“, sagte Vogt (Foto: dpa) im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. „Wenn wir es in Deutschland nicht schaffen, wer dann?“Vogt sieht auch die Verteilung der Fernsehgelder kritisch.
STUTTGART - Seit Dezember 2019 ist der gebürtige Nürtinger Claus Vogt, Facility-Management-Unternehmer, der Präsident des VfB Stuttgart – ein ehrenamtlicher übrigens, ohne Aufwandsentschädigung. Im Interview mit Jürgen Schattmann spricht der 50jährige Vater dreier Kinder über die sportlichen und finanziellen Aussichten des Aufsteigers und seine Ansichten über eine gerechte Fußballwelt.
Herr Vogt, wie geht es dem VfB? Man hört, bald könnte es Frauenfußballerinnen in Stuttgart geben?
Wir sind nach wie vor glücklich und erleichtert über den Aufstieg. So ein langer Kampf und die Sorgen durch den Coronavirus gehen ja auch an die Nerven. Wir freuen uns auf die 1. Liga und es ist unser Ziel, dass der VfB bald auch im Frauen- und Mädchenfußball aktiv ist. Wir haben Tausende weibliche Fans und große Nachfrage, da geht es auch um Gleichberechtigung. Wir haben nicht vor, im Frauenfußball großes Geld zu investieren, wir sehen das eher als weiteres Breitensportangebot. Vielleicht tun wir uns auch mit einem anderen Club zusammen, wir beraten derzeit darüber.
VfB-Idol Guido Buchwald sagte im Mai, ohne fünf starke Zugänge sei der VfB in Liga eins nicht konkurrenzfähig.
Ich glaube durchaus, dass wir mit dem jetzigen Team und unseren Verstärkungen konkurrenzfähig sind. Ich vertraue der sportlichen Führung und glaube an das Potenzial unserer jungen Spieler. Sicher träumt man immer von mehr, aber wir haben eben jetzt auch aufgrund der Corona-Krise nicht die Möglichkeit, noch mehr zu investieren – und sind damit nicht allein. Der halben Liga geht es ähnlich – eben allen außer Bayern, Dortmund und den Clubs mit Konzernanbindung. Wir haben mehr gemacht als viele andere, haben Waldemar Anton und Konstantinos Mavropanos geholt, zwei starke Verteidiger, Waturo Endo, Gregor Kobel und Pascal Stenzel fest verpflichtet, Eric Thommy ist zurück. Wir wollen möglichst Distanz zu den Abstiegsplätzen halten, als Verein die Nerven bewahren, und wenn uns das gelingt, werde ich Mitte 2021 garantiert zu einem großen Fest einladen.
Sie haben bei der KfW einen Kredit über 10 bis 15 Millionen Euro beantragt. Von der Politik gab es dafür teilweise Kritik, weil Sie als Fußballclub Millionäre beschäftigen würden und erst mal dort sparen sollten. Zunächst mal ist es ein Kredit und keine Schenkung. Wenn wir ihn bekommen sollten, zahlen wir ihn mit Zinsen zurück. Er ist noch nicht genehmigt und befindet sich noch im Bearbeitungsprozess. Wir haben ihn im April gestellt, auch um unsere Verantwortung und Fürsorgepflicht für all unsere 250 Mitarbeiter wahrzunehmen und für sie Sorge zu tragen. Es ist unseder re Verpflichtung, alle Möglichkeiten zu prüfen, um den Fortbestand des Vereins zu sichern, so, wie es andere mittelständische Unternehmen und auch andere Clubs tun. Hätten wir das nicht gemacht und massive Probleme bekommen, hätten andere gesagt: Wir könnt ihr diese Möglichkeit nicht nutzen? Letztlich ist es auch so: Es gibt Leute, die sonnen sich gerne im Fußball, wenn es gut läuft und etwas zu feiern gibt. Wenn nicht, neigt mancher dann wohl zum Populismus. Einsparungen im Kader haben wir längst vorgenommen, Kurzarbeit war und ist leiauch nötig. Wenn wir nicht unternehmensseitig direkt ein umfassendes Einsparprogramm beschlossen hätten und vor der Pandemie nicht wirtschaftlich gesund gewesen wären, hätten wir überhaupt nicht die Voraussetzungen erfüllt, diesen Antrag stellen zu können.
Beim 70 Millionen Euro teuren Stadionausbau für die EM 2024 erhielten Sie einen Kredit von der Stadt, rückzahlbar bis 2032. Ein großer Schritt für den Verein?
Wir haben mit unserem einzigartigen
Dach und unserer Kurve eines der schönsten Stadien der Liga, aber manches, etwa die Haupttribüne von 1973, ist nicht mehr zeitgemäß, technisch völlig veraltet und zu klein: Schiedsrichterkabinen, Platz für die Teambusse, Presseräume, Toiletten, Sicherheitstechnik und vieles andere. Die Investition ist für Verein, Stadt, Region, für alle Menschen hier, auch Konzertbesucher, ein Gewinn – und viele Maßnahmen sind laut UEFA-Vorgaben auch zwingend nötig. Nur so können wir 2024 EM-Standort sein und weiter Länderspiele austragen. Die Auslastung war ja immer da beim VfB, wir hatten auch in der 2. Liga mehr als 50 000 Zuschauer im Schnitt.
Womit Sie zu den Top 12 auf der Welt gehören. Mit wie vielen Zuschauern kalkuliert der VfB, sollten die Stadien wieder geöffnet werden? Und wer darf dann ins Stadion?
Wir führen momentan Gespräche mit Ämtern, Politik und DFL, aber – da bitte ich um Verständnis – machen unsere Überlegungen erst öffentlich, wenn sie sattelfest sind. Eines ist klar: Bei niedrigen Zuschauerzahlen sind Aufwand und Kosten höher als die Einnahmen. Erst wenn wir 15 000 und mehr Fans ins Stadion lassen können, machen wir Gewinn.
Eigentlich müssten Sie mit dem Worst Case kalkulieren, mit null Zuschauern. Dann würden dem VfB geschätzt 30 Millionen Euro fehlen. Wir kalkulieren mit mehreren Szenarien, aber so defensiv wie möglich, so wie seit März eigentlich immer, als wir nicht wussten, ob wir überhaupt wieder spielen dürfen. Und von Fall zu Fall gäbe und gibt es neue Einsparmaßnahmen, das ist klar.
Jetzt, wo das Geld für die Branche erstmals seit Jahren knapp wird, kritisieren viele, dass es nicht gleichmäßig verteilt wird. Sie waren Chef des FC PlayFair!, was sagen Sie? Gerecht und im Sinne des sportlichen Wettbewerbs wäre es, würde jeder gleich viel erhalten, alle Bundesligisten. Und zwar nicht nur, was die Verteilung nationaler und internationaler TV-Einnahmen betrifft. Auch von den Prämien aus den Europacup-Wettbewerben sollten eigentlich alle partizipieren. So aber befinden wir uns in einem sportlichen Wettbewerb, der immer ungleicher wird, weil er zum wirtschaftlichen Wettbewerb verkommt. Auf der einen Seite Großvereine, die neben ihren enormen Sponsoringeinnahmen auch noch mehr TV-Gelder bekommen, die national schon dominant sind und durch internationale Spiele und Erfolge noch dominanter werden. Und auf der anderen Seite der Rest. So wird es für viele andere Clubs in den großen Ligen immer schwieriger, konkurrenzfähig zu bleiben. Spannung im Titelkampf gibt es so kaum noch, es sind seit Jahren immer die gleichen, die Meister werden: Bayern,
Juventus, Paris. Wir haben beim FC PlayFair! 2017 eine Studie durchgeführt (www.fcplayfair.org/studie), in der 85 Prozent von 20 000 Befragten sagten, dass es im Fußball für viele Beteiligte vor allem darum gehe, möglichst schnell viel Geld zu verdienen. Das war erschreckend, die jetzigen Überlegungen hätten früher erfolgen können. Auch die Clubs mit direkter oder indirekter Konzernanbindungsspielen eine Sonderrolle: Dass RB Leipzig von seinem Sponsor 100 Millionen Euro quasi ohne Gegenleistung bekommen kann, ist schon erstaunlich und nicht im Sinne der Stärkung des sportlichen Wettbewerbs.
Ist der Salary Cap die Lösung?
Ein Salary Cap könnte ein Mittel sein, die hohen Gehalts- und Beraterkosten einzudämmen. Es wäre den Versuch wert, ihn einzuführen. Wenn wir es in Deutschland nicht schaffen, wer dann? Alles so zu lassen, wie es ist, ist keine Alternative. Und wenn der Fußball darauf wartet, dass von der UEFA etwas kommt, ist das wohl wenig zielführend. Beim VfB haben wir intern darüber diskutiert. Unser Ziel ist es, zur Zukunft des Fußballs ein Positionspapier zu erarbeiten.
Eine Veräußerung der verbleibenden AG-Anteile an einen zweiten Investor wäre eine Chance für den VfB, zu mehr Geld zu kommen, 13 Prozent für 60 Millionen Euro. Der Zeitpunkt für Verhandlungen dürfte denkbar schlecht sein, oder?
Der optimale Zeitpunkt wäre ein guter Tabellenplatz in der 1. Liga mit viel sportlicher Qualität und hohen Spielerwerten, das ergäbe die optimale Bewertung. Wenn Sie derzeit mit Unternehmern aus der Region sprechen, hören Sie immer das Gleiche: Wir müssen sparen, haben Kurzarbeit, Gehaltskürzungen oder müssen Mitarbeiter entlassen, einen Einstieg beim VfB könnten wir derzeit nicht darstellen und kommunizieren.
Gut für den VfB ist, dass von den Aund B-Junioren wieder Erfolgsmeldungen kommen und Talente wie Lilian Egloff oder Luca Mack.
Unser Kader ist der viertjüngste der Liga, und wir wollen den eigenen Nachwuchs auch in der Mannschaft sehen. Gute Spieler ausbilden und sie möglichst lange halten, wobei auch das am Ende meist keine sportliche, sondern eine wirtschaftliche Frage ist, wenn andere Teams 20-Jährigen das Dreifache bieten. Unser Anspruch bleibt, mit der Kraft der eigenen Jugend eines Tages wieder international zu spielen. Wir haben mit Thomas Krücken einen Topmann als Nachwuchschef installiert, die Qualität unserer Ausbildung ist nach wie vor hoch. Wir haben jede Woche ein Monitoring, welche Spieler in den Profiligen beim VfB ausgebildet wurden, in dieser Statistik sind wir national weiter mit führend. Das macht uns Mut.