Schäuble möchte wohl weitermachen
Seit fast 50 Jahren sitzt Wolfgang Schäuble im Parlament – Bei der nächsten Wahl will er noch einmal kandidieren
(dpa) - Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) will nach Informationen des Nachrichtenportals „The Pioneer“im kommenden Jahr erneut für die Bundestagswahl kandidieren. Der 77-Jährige fühle sich gesundheitlich fit für eine weitere Legislaturperiode, das Amt des Parlamentspräsidenten bereite ihm zudem Freude. In der CDU hieß es, wenn der Offenburger wieder kandidieren würde, wäre ihm viel Zustimmung sicher. Sollte der frühere Innenminister erneut in den Bundestag gewählt werden, wäre er 2022 dann 50 Jahre im Parlament. 1972 wurde er erstmals gewählt.
- Die Nachricht ist neu, doch überraschend ist sie für kaum jemand, der ihn kennt. Wolfgang Schäuble (CDU), Urgestein der deutschen Politik, will weitermachen. Er fühle sich fit für eine weitere Legislaturperiode, hieß es aus seinem Umfeld.
Und wenn Schäuble es will, dann wird er wohl auch wieder aufgestellt. Denn wer wollte einen Mann aus seiner Position kippen, der seit fast 50 Jahren im Parlament sitzt, der an der Seite Helmut Kohls die Wiedervereinigung einfädelte und der vor 30 Jahren im Wahlkampf für die CDU in Oppenau von einem geistig verwirrten Mann niedergeschossen wurde und seitdem im Rollstuhl sitzt.
Seine Leidenschaft für die Politik hat darunter nicht gelitten, im Gegenteil, sie hat ihm geholfen, sein Leben fortzusetzen. „Kann ein Krüppel Kanzler sein?“– mit dieser Frage kokettierte Schäuble 1998 in einem Interview, das großes Aufsehen erregte. Damals sagte er: „Ich bin nicht in der Lage, mich selber zu analysieren. Selbst wenn ich es wäre, würde ich nicht das Ergebnis vortragen.“
Doch auch wenn ihm eine Kanzlerschaft verwehrt blieb, weil Kohl 1998 selbst noch einmal antrat – aber gegen Gerhard Schröder verlor –, setzte Schäuble seine politische Karriere fort. Mit Höhen und Tiefen.
Der wortgewaltige Mann, der 1991 mit seiner Rede im Bundestag den Ausschlag dafür gegeben hat, dass Berlin und nicht Bonn deutsche Hauptstadt wurde, beerbte zunächst Helmut Kohl als CDU-Chef, musste dann aber während der Parteispendenaffäre sein Amt niederlegen. Er hatte die Spende über 100 000 Mark des Waffenhändlers Schreiber entgegengenommen, die nicht richtig verbucht wurde.
Das Verhältnis zu Helmut Kohl war zerrüttet, das zu Angela Merkel mitunter gespannt. Schließlich hatte sie ihn indirekt mit abserviert, als sie für einen Neuanfang ohne Kohl warb. Doch 2005 holte Merkel ihn als Innenminister in ihr erstes Kabinett, in ihrem zweiten und dritten war er dann von 2009 bis 2017 Bundesfinanzminister. Er setzte auf einen eisernen Sparkurs und die schwarze Null. Ein Erfolg, der der Corona- Krise jetzt zum Opfer fiel. Damit kann Schäuble jedoch leben, denn er warnt, wenn man in dieser Krise versage, sei das europäische Zeitalter zu Ende. Der Badener Schäuble denkt seit jeher europäisch und global, und so ist es kein Wunder, dass der gelernte Jurist auch wiederholt als möglicher Bundespräsident gehandelt wurde. Seit 2017 ist er nun protokollarisch der zweite Mann im Staat, als Bundestagspräsident kommt er gleich hinter dem Staatspräsidenten.
Der 77-Jährige übt dieses Amt geschliffen und seriös aus, auch wenn manche den Charme seines Vorgängers Norbert Lammert vermissen.
Auch Schäuble kann charmant sein, aber nur, wenn er es will.
Schäuble gilt als brillanter Analytiker, der messerscharf schlussfolgert und formuliert. Wenn ihn etwas ärgert, kann er sehr unwirsch werden. Ein öffentlicher Auftritt, in dem er als Finanzminister wegen einer Kleinigkeit seinen einstigen Sprecher Michael Offer herunterputzte, schockierte viele.
Der frühere, mittlerweile verstorbene SPD-Chef Hans-Jochen Vogel hat einmal gesagt, Schäuble sei über seine Behinderung hart geworden. Schäuble nahm ihm diese Bemerkung sehr übel, auch nachdem Vogel sich entschuldigt hatte.
In der Griechenlandkrise agierte Schäuble als Hardliner und musste viele Anfeindungen wegstecken, obwohl er immer für Europa gestritten hat. Doch Schäuble ist eisern, auch mit sich selbst. Als er 2010 ein Druckgeschwür hatte, bot er Kanzlerin Merkel seinen Rücktritt an. Die aber lehnte ab und bat ihn, sich zu erholen. Das ist gelungen. Selbst in der Corona-Krise leitet er die Bundestagssitzungen.
Als Bundestagspräsident hat er die Abgeordneten allerdings noch nicht auf eine Wahlrechtsreform einschwören können, es könnte allenfalls noch eine Notlösung gelingen.
In jüngster Zeit meldete sich Schäuble wiederholt zu Wort. Ob er seiner Partei in Klimafragen Nachholbedarf attestiert, für den Ausbau der europäischen Wirtschaftsunion eintritt oder zu politischen Abstandsregeln gegenüber Verschwörungstheoretikern warnt – der Bundestagspräsident mischt sich hörbar mehr ein.
Als er kürzlich Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) charakterisierte, als „klaren Kopf, als jemand, der gut kommunizieren und formulieren“könne und ihm den Willen zur Macht attestierte, sprach er vielleicht ein bisschen auch über sich selbst. Genauso überraschend, wie er sich vor dem letzten CDU-Parteitag vor fast zwei Jahren für Friedrich Merz als Parteivorsitzenden starkgemacht hatte, leitet er jetzt damit eine Wende ein, ein Ritterschlag für Spahn. Und er zeigt damit, dass er als politisches Schwergewicht weiterhin mitreden will.
Schäuble wird auf die Unterstützung aus seinem Wahlkreis Offenburg auch für seine 14. Nominierung zählen können. Schließlich hat er seit 1972 den Wahlkreis immer direkt gewonnen.