Streit um Reisen in Corona-Risikogebiete
CDU-Wirtschaftsrat fordert generelles Verbot – Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut weist Vorstoß als „unverhältnismäßig“zurück
- Die Infektionen mit dem Coronavirus steigen in Deutschland seit Tagen wieder – und bei vielen Unternehmen wächst die Angst vor einem zweiten Lockdown. Der CDU-Wirtschaftsrat fordert deswegen eine generelles Verbot von Reisen in Corona-Risikogebiete für alle Bundesbürger. Das „Reiserecht“darf nicht höher bewertet werden als die Rechte von Millionen von Deutschen, denen ein erneuter Lockdown drohen könnte, sagte der Generalsekretär des Wirtschaftsrats, Wolfgang Steiger, der „Bild“. Deshalb müssen nach Meinung Steigers Reisen in Risikogebiete „konsequenterweise“untersagt werden.
Einen erneuten Lockdown mit Betriebs- und Schulschließungen werde sich Deutschland „nur unter erheblichsten Schwierigkeiten nochmal leisten können“, warnte Steiger. „Das muss allen klar sein. Deshalb erwarte ich von der Politik mehr vorausschauendes Handeln als jetzt bei der schon lange erwartbaren Rückreisewelle aus den Ferien“, sagte Steiger weiter.
Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) lehnt den Vorstoß des Wirtschaftsrats ab. „Die Gefahr einer zweiten Welle ist real, und ihre wirtschaftlichen Folgen mag man sich gar nicht vorstellen. Deshalb erfüllen einen viele Dinge, die gerade laufen, mit einem gewissen Unbehagen. Jede und jeder muss wissen, welches Risiko eben nicht nur für die betreffende Person, sondern für uns alle eingegangen wird, wenn Reisen in ausgewiesene Corona-Risikogebiete erfolgen. Ein grundsätzliches Verbot halte ich aber in der jetzigen Situation für unverhältnismäßig“, sagte Hoffmeister-Kraut der „Schwäbischen Zeitung“. Klar müsse sein, dass „Rückkehrer, die infiziert sind, hier niemanden anstecken dürfen. Deshalb die verpflichtende Quarantäne, die nur dann entfällt, wenn ein Corona-Test gemacht wird und das Ergebnis negativ ist“, erklärte Hoffmeister-Kraut weiter. „Verbote können nur die Ultima Ratio sein. Vorsicht und Rücksichtnahme sind weiterhin das Gebot der Stunde.“
Auch Wolfgang Grenke, Präsident des baden-württembergischen Industrieund Handelskammertages, hält nicht von einem generellen Verbot. „Wir müssen jetzt das Beste aus der Situation machen und dabei die Grundprinzipien Abstand, Hygiene, Alltagsmasken beherzigen und bei Geschäftsreisen auf Sicht fahren. Ein Regelungs- und Verbotsdschungel sollte vermieden werden“, sagte Grenke der „Schwäbischen Zeitung“.
Für die international hochvernetzten baden-württembergischen Unternehmen komme es nach Meinung von Grenke in den nächsten Monaten sehr darauf an, wie es den Ländern weltweit gelingt, trotz Pandemie ihre Wirtschaftsleistung wieder hochzufahren und unter den gegebenen Umständen erfolgreich mit der Corona-Situation umzugehen.
„Das ist für viele eine existenzielle Frage. Aufgrund von Grenzschließungen und Quarantänemaßnahmen können Betriebe ihre Manager oder Schlüsselpersonal wie Techniker und Vertriebsmitarbeiter kaum zu Kunden und Lieferanten schicken – obwohl der persönliche Kontakt vor Ort trotz Digitalisierungsschub häufig unerlässlich ist“, erläutert Grenke. Das sei ein großes Problem für Geschäftsanbahnungen, Montagen oder Reparaturen wie auch Lieferketten und Geschäftsprozesse, die häufig noch durch Auswirkungen der Lockdowns beeinträchtigt sind. Erneute Reiseverbote oder Grenzschließungen hält Grenke für „mehr als kontraproduktiv“.
Reisende aus Corona-Risikogebieten müssen sich von diesem Samstag an bei der Rückkehr nach Deutschland auf das Virus testen lassen – außer, sie haben schon ein frisches negatives Ergebnis dabei. Welche Länder als Risikogebiete gelten, geht aus einer Liste des RobertKoch-Instituts hervor – aktuell stehen darauf etwa 130 der weltweit knapp 200 Staaten von Ägypten über Russland bis zu den USA.