Oma Beimer
Marie-Luise Marjan, in der „Lindenstraße“die TV-Mutter der Nation, wird 80 Jahre alt
KÖLN (dpa/AFP) - Als Mutter Beimer aus der „Lindenstraße“kennt sie wohl fast jeder: Die Rolle der treu sorgenden Helga, die sie mehr als 34 Jahre lang gespielt hatte, hat Marie-Luise Marjan bundesweit bekannt gemacht. Am 29. März lief die letzte, die 1758. Folge der ARD-Dauerserie; letzter Drehtag war der 20. Dezember 2019. Das Ende war lange vorher angekündigt – und für die Schauspieler dann doch in gewisser Weise abrupt: Das geplante Abschiedsfest musste ausfallen, unmittelbar vorher hatte der Corona-Lockdown begonnen. „Das ist wirklich sehr traurig. Wir konnten uns gar nicht alle richtig voneinander verabschieden“, sagt MarieLuise Marjan, die diesen Sonntag 80 Jahre alt wird.
Ganz abgeschlossen hat die Schauspielerin mit der „Lindenstraße“aber noch nicht. „Um mein Bett herum stehen immer noch Drehbücher, an der Wand hängen noch die Stablisten“, erzählt sie. „Eigentlich merke ich erst jetzt, mit ein paar Monaten Abstand, wie viel mir fehlt.“
Langweilig sei es ihr seitdem jedoch nicht geworden. „Ich genieße es, mir den Tag selbst einzuteilen und zu strukturieren“, sagt Marie-Luise Marjan. „Ich räume in der Wohnung auf, gehe spazieren und fahre gerne Rad“– zum Beispiel entlang des Rheins in Köln, wo sie überwiegend lebt. Während der Corona-Zeit habe ihr am meisten der regelmäßige Schwimmbadbesuch gefehlt: „Das Schwimmen habe ich sehr vermisst, weil ich normalerweise einmal pro Woche gehe.“
Ihr früherer „Lindenstraße“-Kollege Joachim Hermann Luger, der den Hans Beimer mimte, beschreibt Marie-Luise Marjan als „sehr aktive, lebenslustige Frau. Ich wünsche ihr von Herzen, dass sie noch lange so fit bleibt“, sagt der 79-Jährige, der 2018 aus der Serie ausgestiegen war und, so sagt er, auch heute noch guten Kontakt zu Marie-Luise Marjan hat. „Wir beide kennen uns schon unglaublich lange, haben schon lange vor den Anfängen der ,Lindenstraße‘ zusammen Theater gespielt.“Episode am Rande ist Marie-Luise Marjans Erinnerung an diese Auftritte: Sie fand, er habe immer viel jünger ausgesehen als sie. Für das gemeinsame Casting machte sie deshalb auf jung, erschien im Blümchenkleid – und schon war das Serientraumpaar der kommenden Jahre geboren.
Marie-Luise Marjan wollte schon als Kind Schauspielerin werden. Ihr Handwerk lernte sie nach dem Abitur und einer Ausbildung zur Sprechstundenhilfe Ende der 1950er-Jahre an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Hamburg. Danach arbeitete sie gut 20 Jahre am Theater (so unter anderem am Schauspielhaus Bochum in Inszenierungen von Peter Zadek, Hans Neuenfels oder Jürgen Flimm) und spielte in einer Reihe von TV-Filmen mit – hauptsächlich Mutterrollen, etwa als Elvira Rykalla in Wolfgang Petersens „Smog“. Der Streifen von 1973 gilt als Meisterwerk, doch Marie-Luise Marjan wird auf ewig mit der langlebigsten deutschen Seifenoper verbunden sein: Die Rolle der Helga Beimer, die sie seit 1985 spielte, war bereits ihre 25. als Mutter.
Aufgewachsen ist die in Essen geborene Marie-Luise Marjan bei Adoptiveltern in Hattingen an der Ruhr – „sehr bürgerlich“, wie sie sagt. „Man gab nie mehr aus, als man hatte. Das habe ich verinnerlicht.“Später lernte sie auch ihre leibliche Mutter kennen. Sie traf sie dreimal, eine Bindung entstand nie. Das Jugenderlebnis, erst spät – mit 16, von einer Mitschülerin – von ihrer Adoption erfahren zu haben, wirkte prägend: „Eine gewisse Distanz ist mir zueigen, ich bin ein vorsichtiger Mensch.“Selbst gründete Marie-Luise Marjan nie eine Familie, führte aber langjährige Beziehungen. Sie habe nie in ihrem Leben einen Heiratsantrag bekommen, sagte sie jüngst in einem Interview.
Erst 2007 erfuhr sie durch eine TVSendung, wer ihr leiblicher Vater war – und dass sie noch einen Halbbruder im Allgäu hat. „Ich habe einen engen Kontakt zu ihm. Einmal im Jahr machen wir ein großes Familientreffen in Würzburg, mit Weinprobe in der Residenz.“Sie hoffe, dass dieses liebgewordene Treffen trotz der CoronaKrise auch diesen Herbst stattfinden werde.
Eine für September geplante Amerika-Kreuzfahrt dagegen hat MarieLuise Marjan schweren Herzens abgesagt: „Dass man da womöglich irgendwo in Quarantäne muss, das ist mir zu riskant.“Insgesamt habe sie sich aber durch die Corona-Maßnahmen der vergangenen Monate nicht sonderlich eingeschränkt oder gar einsam gefühlt: „Ich habe einen großen, sehr guten Freundeskreis. Wir haben viel telefoniert.“
Die kinderlose Marie-Luise Marjan engagiert sich seit 30 Jahren für die Kinderhilfswerke Unicef und Plan International sowie für die Malteser. Für ihre ehrenamtliche Arbeit wurde sie unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
Beruflich lagen mögliche Engagements in den vergangenen Monaten wegen Corona brach. „Das macht aber nichts, ich möchte sowieso erst einmal Zeit für mich haben“, sagt Marie-Luise Marjan. Zur Ruhe setzen will sie sich aber nicht – auf jeden Fall möchte sie wieder Lesungen machen. Und: „Ich habe Angebote von mehrere Theatern, und auch beim Fernsehen ist etwas in Aussicht.“Der „Bild“Zeitung sagte Marie-Luise Marjan: „Wenn das Drehbuch stimmt, könnte ich mir einen Rosamunde-PilcherFilm vorstellen.“Spruchreif sei noch nichts, momentan sei eben auch wenig planbar – aber: „Schauspielerin ist man immer, bis zum Ende – das kann man nicht ablegen.“