Ein bisschen Glück für gequälte Dickhäuter
In Thailand ist ein elefantenfreundlicher Tourismus auf dem Vormarsch – Neue Camps bieten den gefangenen, grauen Riesen ein besseres Leben
Den Rüssel hat Thong Inn in den roten staubigen Sand gesteckt. Man merkt es dem Elefantenbullen an, dass er zögert. Doch dann ist der Wunsch nach einem Staubbad größer, und der 2,2 Tonnen schwere Koloss reißt den Rüssel mutig mit voller Wucht nach oben. So „ergießt“sich der warme weiche Sand auf seinen Rücken. Früher hat er dafür harte Schläge einstecken müssen. Ein Sandbad zu nehmen – ein wichtiges Verhalten für Elefanten, um die sensible Haut gegen Parasiten und die brennende Sonne zu schützen – wurde in Gefangenschaft sofort bestraft. Schließlich sollten die reitenden Touristen auf dem Elefantenrücken nicht schmutzig werden.
In Asien leben heute mehr Elefanten in Gefangenschaft als in Freiheit. Von den 41 000 Tieren sind 21 000 im Besitz von Menschen oder Unternehmen. Rund ein Fünftel der asiatischen Elefantenpopulation befindet sich in Thailand: Hier leben 4500 Tiere frei in Nationalparks und 3773 in Gefangenschaft. Letztere werden unter anderem als Arbeitstiere in der Holzindustrie zum Ziehen von Baumstämmen oder aber in der Tourismusbranche als Reittiere für Urlauber genutzt.
Elefantenreiten war über Jahrzehnte eine gute Einnahmequelle für die Besitzer der sanften grauen Riesen. Für viele Touristen war es „das“Highlight ihrer Reise. Doch mittlerweile wenden sich zahlreiche Urlauber von diesem „Ferien-Vergnügen“ab, seitdem vor allem in sozialen Medien bekannt wurde, welchen Qualen die Tiere im Vorfeld ausgesetzt werden, um ihren Willen zu brechen und sie für das Reiten und für Kunststückchen gefügig zu machen. Deshalb geht man in Thailand neue Wege: weg von der Tierquälerei hin zu einem elefantenfreundlicheren Tourismus. „Die TUI Care Foundation und die Tierschutzorganisation World Animal Protection arbeiten in einem gemeinsamen Projekt daran, den Schutz der in Thailand in Gefangenschaft lebenden Elefanten nachhaltig zu verbessern“, erklärt Elise Allart, Executive Director der TUI Care Foundation.
Kein einfacher Weg für die bereits bestehenden Elefanten-Camps, aber auch „ein langer Weg für die über Jahre gequälten Elefanten“, weiß Jack Highwood. Highwood hat nach dem Bau eines Schutzzentrums für Elefanten in Kambodscha 2007 das Schutzzentrum „Elephant Valley Thailand“in Chiang Rai im Norden Thailands ins Leben gerufen und beherbergt nun sechs aus traditionellen Reitcamps gerettete Elefanten auf dem 15 Hektar großen Gelände: „Elefanten sind wilde Kreaturen und nicht geschaffen für ein Leben in Gefangenschaft – und um solch intelligente Wesen dominieren zu können, benötigt man ein großes Maß an Gewalt“, weiß er. Umso schlimmer seien die Schäden, die die Tiere davontrügen. „Ich rede dabei neben den körperlichen vor allem von seelischen Schäden“, erklärt er. „Elefantenrücken sind nicht dafür gemacht,
Menschen zu tragen; hinzu kommt die falsche Ernährung. So kam Thong Inn beispielsweise extrem unterernährt zu uns, und seine Muskeln waren durch das ständige Anketten verkümmert. Viel schlimmer aber sind die Schäden, die sich bei den friedlichen Kolossen in die Seele gefressen haben und sie schwerst traumatisiert zurücklassen.“
Das Ausleben normaler Verhaltensweisen, soziale Kontakte zu ihren Artgenossen und natürliche Bewegung wurden über Jahre und Jahrzehnte zwanghaft unterbunden. „Auswildern kann man die Tiere nicht mehr, denn sie wären nicht überlebensfähig. So haben wir Elephant Valley aufgebaut, um Elefanten rehabilitieren zu können“, erläutert der 36-Jährige. Kein einfaches Unterfangen – einige Tiere trauen sich nicht, auch nur einen Schritt zu gehen. Ihre natürlichen Verhaltensweisen liegen unter Angst und Panik versteckt. Sie sind innerlich so zerstört worden, dass sie emotionale
Schutzschilder aufgebaut haben. „Wir haben also einen Elefanten gesucht, der sich immer noch normal verhält, und in der 42-jährigen Mo Dee gefunden“, freut sich Jack. Die erfahrene Elefantenkuh ist die Matriarchin der Gruppe und fungiert als Vorbild für die anderen, die sich ihre natürlichen Verhaltensweisen abgucken. Sie lehrt sie zu spüren, was sie wirklich brauchen – ob ein Schlammbad,
eine Staubdusche oder das Schubbern an einem Baum. So setzt sich eine wahre Kettenreaktion von natürlichen Verhaltensweisen in Gang, die zuvor unterdrückt wurden. Zudem beginnen die Elefanten wieder, miteinander durch Laute im Infraschallbereich, also mit niederfrequenten Tönen, dumpfem Grollen oder Trompeten zu kommunizieren, nachdem sie jahrelang stumm gewesen waren.
Thomas Ellerbeck, Vorsitzender des Kuratoriums der TUI Care Foundation, erläutert: „In der Tourismusbranche vollzieht sich ein positiver Wandel, der den Schutz der Elefanten stärkt. Zugleich verzeichnen wir ein zunehmendes Interesse der Gäste am Artenschutz. Dieses Beispiel zeigt, wie der Tourismus eine treibende Kraft für positiven Wandel vor Ort sein kann.“
Wenn Touristen zum Elephant Valley Thailand kommen, erleben sie Elefanten, die nun nach einem Rehabilitationsprozess wirklich Elefanten
Elefanten sind wilde Kreaturen und nicht geschaffen für ein Leben in Gefangenschaft.
Jack Highwood, Gründer des Schutzzentrums „Elephant Valley Thailand“in Chiang Rai im Norden Thailands
sind. Es geht hierbei allein um die Beobachtung von diesen hoch sozialen Tieren, ohne sie zu stören oder in ihr Leben einzugreifen. „Wir haben den Tieren die eigene Unabhängigkeit, ihre natürlichen Verhaltensweisen und ihre Würde wiedergegeben“, sagt Highwood. Das Projekt funktioniert – auch finanziell. „Es ist ein erfolgreiches Modell, das andere Elefanten-Camps kopieren und selbst umsetzen können.
Diesem Beispiel folgt das Elefanten-Camp „Happy Elephant Valley“in der Nähe der 130 000-EinwohnerStadt Chiang Mai. Das Camp, das Srithon Tanaseth vor 15 Jahren als Elefanten-Reitcamp eröffnet und Sohn Supakorn Tanaseth übernommen hat, hat bereits vor fünf Jahren eine Veränderung durchlaufen „Das Waschen war das neue Reiten, nachdem die Touristen soviel Kritik daran geäußert hatten“, erinnert sich der 34Jährige. Doch dann gab es 2018 einen Unfall, als Touristen einen Elefanten gewaschen haben „Wir mussten das Camp vorübergehend schließen und haben überlegt, wie wir weitermachen können.“
Eine Konferenz über einen Tourismus zum Wohle der Elefanten in Bangkok brachte die Lösung, und die Tui Care Foundation greift dem Familienunternehmen mit seinen sechs Elefanten und ihren Pflegern, den sechs Mahouts, finanziell unter die Arme. Es wurde eine Aussichtsplattform gebaut und ein Schlammloch ausgehoben. Zusätzlich wurde ein umzäuntes Nachtcamp installiert. Das natürliche Verhalten der Tiere steht im Fokus. Um zu verstehen, was das bedeutet, besuchte Supakorn Tanaseth und sein Team im Vorfeld das Elephant Valley von Jack Highwood. „Wir haben viel gelernt und freuen uns nun auf viele Touristen“, schaut er optimistisch in die Zukunft.
„Mittlerweile konnten wir 350 in Gefangenschaft lebenden Elefanten ein besseres Leben ermöglichen“, erklärt Francis Kearey, Leiterin der Kommunikation von World Animal Protection. „245 Reiseunternehmen haben bereits unterschrieben, dass sie keinerlei Elefantenreiten oder Elefantenshows mehr in ihren Reisepaketen anbieten und bewerben werden, unter anderem auch der deutsche Reisekonzern DER Touristik und auch einige chinesische Reiseveranstalter, was uns sehr freut“, fügt sie abschließend hinzu.
Informationen im Internet: www.tuicarefoundation.com