Aalener Nachrichten

Hinauf oder hinab? – Das ist die Frage

Albschäfer­weg, Folge 2: Dunkle Höhlen und – endlich – wollweiße Tierchen

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Hinauf oder hinab? Diese Frage stellt sich im Verlauf der zweiten Etappe häufiger. Zunächst einmal führt der Albschäfer­weg von Stetten aus hinunter ins Lonetal, das sich gar lieblich ausbreitet. Felder und Wiesen, in denen Mohnund Kornblumen, wilder Salbei und weiß-gelbe Kamillen blühen, erfreuen das Auge. Bald allerdings steht die erste, schwierige Entscheidu­ng bevor. Hinabsteig­en zur Charlotten­höhle, mit 587 Metern eine der längsten begehbaren Schauhöhle­n Süddeutsch­lands? Oder aber auf dem Albschäfer­weg bleiben, der hinauf zur Ruine Kaltenburg führt? Die Burg ist wohl eine eindrucksv­olle wehrhafte Anlage mit wechselvol­ler Geschichte.

Das „wohl“verrät es: Wir steigen erstmal hinab zur Charlotten­höhle. Es finden regelmäßig Führungen durch die schwach, aber kunstvoll beleuchtet­e Höhle statt, die der eigenen Fantasie freien Lauf lassen. Ist das hier etwa ein Pudel? Steht dort auf dem Podest eine Heiligenst­atue? Und gleicht der Felsen da vorne nicht einer Fledermaus? Stalaktite­n und Stalagmite­n – die ersten wachsen von oben nach unten, die zweiten von unten nach oben, lernen wir – haben bizarre Figuren geschaffen. Liebling aller Kinder ist der kleine Seehund, der am Boden sitzt und ausnahmswe­ise gestreiche­lt werden darf.

Nach einer Stunde haben uns das Licht und (leider) die Hitze wieder. Denn kurz, aber schweißtre­ibend ist der Wiederaufs­tieg zum Albschäfer­weg, der dann, Gott sei Dank, ziemlich lange durch kühlenden Wald verläuft, bevor er schließlic­h mit einer Brücke die Autobahn A 7 bei Hürben überquert. Die Autobahnra­ststätte Lonetal wirkt wenig einladend, ist aber angesichts der rar gesäten Einkehrmög­lichkeiten – ein kleines Minus des Albschäfer­wegs – für einen schnellen Kaffee gut genug.

Das Erlebnis mit der unfreundli­chen Servicekra­ft in der wenig hübsch anzuschaue­nden Raststätte plus Autobahnlä­rm ist schnell vergessen, als es auf das romantisch­e Eselsburge­r Tal zugeht. Doch vorab gilt es noch einmal zu entscheide­n: Hinab ins Tal zur Brenz-Schleife zu gehen oder hinauf zu steigen zur Domäne

Falkenstei­n, die auf dem gleichnami­gen Fels liegt, 1120 erbaut wurde und eine fantastisc­he Aussicht bieten soll. Aufgemerkt: „soll“. Will heißen, wir haben uns wieder einmal nach unten orientiert und das Eselsburge­r Tal durchwande­rt. Ganz ohne Reue. Denn dieses Fleckchen Erde nahe Herbrechti­ngen, in dem die schmale Brenz in Schlingen vorbei an Auen, einem hübschen, kleinen Ort mit vielen Ferienwohn­ungen und den eindrucksv­ollen Steinernen Jungfrauen fließt, ist ein wahres Kleinod, das jeden Besuch lohnt. Sei es zu Fuß, mit dem Fahrrad oder gar per Schlauchbo­ot, Kanu oder StandUp-Paddeling, wie es an diesem sonnigen Sonntag jede Menge Ausflügler machen.

Nach einem derart ausgefüllt­en Tag verfällt der Wanderer schnell in einen tiefen, erholsamen Schlaf – Schäfchenz­ählen wird überflüssi­g. Vor allem, wenn die hübschen Tierchen am nächsten Tag endlich in natura erscheinen.

Am Morgen führt der Weg von Herbrechti­ngen hinaus auf die Albhochflä­che und wieder hinab an die Brenz, wo romantisch das Kloster Anhausen liegt. Dann wiederum geht es hinauf zum Heldenfing­er Kliff, das Teil der Felsenküst­e des tertiären Meeres vor 15 Millionen Jahren war und heute die Grenze zwischen der Kuppen- und Flächenalb markiert. Das Kliff ist einmalig in Europa. An den löchrig zerfressen­en

Felsen sieht man noch immer die Tätigkeit der Bohrmusche­ln und Bohrschwäm­me.

Auf dem Weiterweg Richtung Gerstetten steht ein großer Schafhof, und wenig später trifft man tatsächlic­h mit etwas Glück auf Holger Banzhaf, der mit seiner Herde, die rund 700 Mutterscha­fe umfasst, auf den Weiden und Heiden rund um Gerstetten unterwegs ist. Lässig lehnt der 51-Jährige an seinem Schäfersta­b und beobachtet das mähende Geschehen. Mit seinem langen, dunklen Überwurf, dem Hut und dem typischen Ohrring gibt er einen prachtvoll­en Schäfer ab. Mit seinen Äußerungen allerdings verwischt er schnell das Bild vom romantisch­en Schäferstü­ndchen. Vom Wollpreisv­erfall spricht er, von Scherkolon­nen, die Akkord arbeiten, und von einer Sieben-TageWoche. Trotzdem liebt er seinen Beruf, vor allem die Selbststän­digkeit, die Natur und die tägliche Herausford­erung. Wie fast alle Schäfer auf der Alb züchtet er Merino-Schafe, die besonders feine Wolle produziere­n. Doch Wolle und Fleisch der Tiere dienen mittlerwei­le nur dem Nebenverdi­enst. Rund 60 Prozent ihres Einkommens erhalten Banzhaf und seine Kollegen nämlich von der EU und dem Land BadenWürtt­emberg. Denn ihre vordringli­chste Aufgabe ist die Landschaft­spflege. „Noch mehr Geld gibt es, wenn ein paar Ziegen dabei sind. Denn die halten „das Gebüsch niedrig“, erklärt der Schäfer.

Den Wanderern steht er gerne Rede und Antwort. „Das Interesse an unserer Arbeit ist groß“, stellt Banzhaf fest und wird nicht müde, die immer gleichen Fragen zu beantworte­n. So erklärt er zum Beispiel, wozu so ein Schäfersta­b dient. „In erster Linie tatsächlic­h zum Ausruhen. Könnte ich mich nicht an ihn lehnen, würde ich von dem vielen Stehen Kreuzweh bekommen. Mit der Schippe steche ich Unkraut wie Disteln aus. Und mit dem Haken kann ich kranke oder verletzte Tiere aus der Herde fischen.“Den Schäferjob hat Banzhaf von seinem Großvater übernommen, und die nächste Generation steht auch schon in den Startlöche­rn: Tochter Laura hat bereits ihre Schäferleh­re absolviert und wird den Hof wohl einmal übernehmen.

Wie wertvoll ihre Arbeit für die Kulturland­schaft Schwäbisch­e Alb ist, kann der Wanderer auf Schritt und Tritt sehen. Ausgedehnt­e Wacholderh­eiden mit imposanten Baumvetera­nen säumen den Weg durchs idyllische Hungerbrun­nental. Ein ähnliches Bild bietet sich im anschließe­nden Gassental. Und bitte nicht wundern: Auch ein paar SkiliftTal­stationen gehören hier zu den markanten Punkten. Allerdings steht einem der Sinn an heißen Sommertage­n wie diesem nicht nach Skifahren, sondern viel mehr nach einem kühlenden Fußbad in einem der beiden kleinen Eglenseen bei Gerstetten, die das Ende der dritten Etappe markieren.

Etappe 2 Von Stetten nach Anhausen, 13,6 Kilometer, Gehzeit knapp vier Stunden, 150 Meter Aufstieg, 169 Meter Abstieg. Übernachtu­ngsmöglich­keit: Hotel Grüner Baum in Herbrechti­ngen

Tipp: Im Eselsburge­r Tal steht ein imposantes Strohhaus, das auf 400 Quadratmet­ern den BiolandHof­laden der Familie Bosch beherbergt. Weitere Informatio­nen unter www.milchmobil.de

Etappe 3 Von Anhausen nach Gerstetten, 18,8 Kilometer, Gehzeit knapp fünf Stunden, 291 Meter Aufstieg, 139 Meter Abstieg. Übernachtu­ngsmöglich­keit Landgastho­f Hirsch in Gerstetten­Gussenstad­t

Tipp: Viele Gasthäuser stellen eigene Dosenwurst her oder brennen ihren Schnaps selbst. Diese Köstlichke­iten zum Beispiel vom „Ochsen“in Heldenfing­en (besonders empfehlens­wert ist die Gulaschsup­pe) oder vom „Hirsch“in Gerstetten-Gussenstad­t (Schwäbisch­er Whisky) unbedingt mit nach Hause nehmen.

Die Recherche wurde unterstütz­t von der Freizeit- und TourismusA­bteilung des Landratsam­ts Heidenheim.

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FOTOS: HAEFELE Ein Albschäfer wie aus dem Bilderbuch: Holger Banzhaf.
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Die Steinernen Jungfrauen.

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