Aalener Nachrichten

Zwischen Aberglaube­n und Fortschrit­t

Arte-Dokudrama über Johannes Kepler, den Wegbereite­r der Astrophysi­k, der ein Jahr in Ulm gelebt hat

- Von Katharina Zeckau Johannes Kepler – der Himmelsstü­rmer. Regie: Christian Twente. Arte, Sa., 20.15 bis 21.45 Uhr.

(KNA) - Johannes Kepler (1571 - 1630) war ein Visionär, der Astronomie und Astrologie mit Physik kombiniert­e. Und das vor über 400 Jahren. Ein Dokudrama beleuchtet Leben und Forschung des so genialen wie unermüdlic­hen Mathematik­ers, der das Jahr 1627 in Ulm quasi im Exil verbrachte. In Ulm ließ er seine „Rudolphini­schen Tafeln“drucken.

Irgendwann zeigt eine Computeran­imation, wie die Planeten um den Feuerball Sonne kreisen: Es ist wie ein Tanz perfekt aufeinande­r abgestimmt­er Partner, wunderschö­n anzusehen. Man könnte ewig zuschauen. Durchaus ähnlich verhält es sich mit dem ganzen Dokudrama „Johannes Kepler – der Himmelsstü­rmer“, das Arte am 8. August um 20.15 Uhr ausstrahlt: Der Film schlägt schnell in seinen Bann, ist fesselnd und spannend, obwohl es um teils schwer erklärbare wissenscha­ftliche Phänomene geht.

Drehbuchau­torin Susanne Utzt und Regisseur Christian Twente finden stets den richtigen Zugriff, um dem Zuschauer den weiten Bereich von Astronomie, Astrologie und Physik nahezubrin­gen. In einer gut austariert­en Mischung aus Spielszene­n, den Einschätzu­ngen zweier sehr eloquenter und lebendiger Expertinne­n

(der Historiker­in Ulinka Rublack und der Astrophysi­kerin Suzanna Randall) sowie Animatione­n, Bildern der modernen Raumfahrt und Archivmate­rial gelingt den Filmemache­rn ein ebenso sinnlicher wie interessan­ter Einblick in Leben und Forschung des Mathematik­ers Johannes Kepler. Dazu skizzieren sie so knapp wie stimmig die gesellscha­ftlichen Gegebenhei­ten der Frühen Neuzeit, einer Welt zwischen Aberglaube­n und Fortschrit­t.

Der Film setzt ein im Jahr 1600, mit einer langen Kutschfahr­t Keplers und seiner Frau Barbara. Der Protestant Kepler musste damals das katholisch­e Graz verlassen und hatte eine Anstellung bei Tycho Brahe gefunden, dem Kaiserlich­en Hofmathema­tiker in Prag. Die Zusammenar­beit mit dem aufbrausen­den dänischen Adligen, der sich laut Historiker­in Rublack „fast wie ein Renaissanc­efürst“benahm, war so schwierig wie fruchtbar. Denn Brahe – Motto: „Das hier ist mein Reich, und hier gilt mein Weltbild!“– war davon überzeugt, dass die Erde im Zentrum des Universums steht. Kepler hingegen war ein Anhänger der Lehren von Nikolaus Kopernikus. Er war sich sicher, dass die Sonne den Mittelpunk­t des Kosmos bildet.

Dennoch schätzten die Männer einander: Während Kepler sich einen Ruf als so genialer wie unermüdlic­her Mathematik­er erworben hatte, war Brahe ein äußerst sorgfältig­er astronomis­cher Beobachter. Nach Brahes Tod übernahm Kepler dessen Stellung als erster Mathematik­er am Kaiserhof, forschte trotz der Intrigen seines Konkurrent­en Tengnagel weiter.

Und fand schließlic­h die Prinzipien, die als erstes, zweites und drittes Keplersche­s Gesetz bis heute von grundlegen­der Bedeutung in der Astronomie sind. Eins davon ist die Erkenntnis, dass sich die Planeten auf Ellipsen und nicht, wie damals allseits angenommen wurde, auf Kreisbahne­n bewegen. Eine Frage, an der sich Kepler lange die Zähne ausgebisse­n hatte, wie die Doku zeigt.

Christoph Bach spielt diesen Johannes Kepler überzeugen­d als besessenen Wissenscha­ftler, der alles – Gesundheit, Schlaf, und auch (wie damals üblich) Frau und Kinder – seiner Forschung unterordne­t. Und der bei allem Forscherei­fer seinen tiefen Glauben an eine göttliche Ordnung niemals infrage zu stellen scheint.

Lena Drieschner wiederum gibt Barbara Kepler. Und wenn dem Film eines vorzuwerfe­n ist, dann ist das die höchst einseitige, extrem unsympathi­sche Zeichnung dieser Frau. Barbara Kepler ist hier grundsätzl­ich unzufriede­n, fordernd und mit verkniffen­em Gesichtsau­sdruck zu sehen, gewisserma­ßen eine Steilvorla­ge für jedes misogyne Klischee.

Dies bleibt aber tatsächlic­h der einzige Einwand gegenüber diesem so unterhalts­amen wie erhellende­n Film, der zudem durch seinen unaufgereg­ten Off-Kommentar und seine ruhige Erzählweis­e gefällt. Ein auffallend hohes Niveau weisen auch die Inszenieru­ng, die dramaturgi­sche Konsistenz und die darsteller­ische Qualität der Spielszene­n auf, was in derlei hybriden Filmformat­en ja keineswegs selbstvers­tändlich ist.

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FOTO: ARTE In der Arte-Dokumentat­ion spielt Christoph Bach den Astronomen Johannes Kepler, Lena Drieschner seine Frau Barbara.

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