Aalener Nachrichten

Die Wut vieler Libanesen ist groß

Helfer bergen weitere Opfer in Beirut – Hisbollah weist Verantwort­ung zurück

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(dpa) - In einem Rennen gegen die Zeit haben Rettungshe­lfer am Freitag nach Überlebend­en der Explosion in der libanesisc­hen Hauptstadt Beirut gesucht. Drei Tage nach der Katastroph­e bargen sie weitere Opfer aus den Trümmern. Die Zahl der Toten stieg auf 154, wie das libanesisc­he Gesundheit­sministeri­um mitteilte. Rund 5000 Menschen wurden verletzt. Die Zahl der Toten könnte allerdings weiter steigen, weil noch viele Schwerverl­etzte auf der Intensivst­ation um ihr Leben kämpfen. Hilfsorgan­isationen warnen, die Kliniken seien überlastet.

Die Helfer in Beirut kommen nur langsam voran. Kräne und Bulldozer versuchten, große Trümmertei­le zu räumen. Das libanesisc­he Rote Kreuz schätzt, dass noch rund 100 Menschen vermisst werden. Dabei soll es sich vor allem um Hafenarbei­ter handeln. Angesichts der massiven Zerstörung gebe es Zweifel, noch Überlebend­e zu finden, sagte ein Helfer. „Aber wir haben noch immer Hoffnung.“Internatio­nale Teams waren an der Suche beteiligt, darunter auch das Technische Hilfswerk (THW). Ein Krisenunte­rstützungs­team der Bundeswehr sollte am Freitag in Libanons Hauptstadt eintreffen.

Deutsche Rettungshe­lfer zeigten sich vom Ausmaß der Zerstörung in Beirut schockiert. „Das Einsatzgeb­iet ist wirklich riesig“, sagte die THW-Sprecherin Georgia Pfleiderer am Telefon. Die Schäden seien immens. „Was hier an Gebäuden stand, das waren ja richtige Hochregall­ager und Großgebäud­e, die liegen alle in Trümmern. Das ist wirklich eine Dimension, die ist echt atemberaub­end.“Ihr bisher fünfter THW-Einsatz im Ausland sei „vom Ausmaß des Schadens das Größte, was ich bisher gesehen habe“.

Infolge der Explosion wurden auch rund 80 000 Kinder obdachlos wie die Sprecherin des UN-Kinderhilf­swerks Unicef, Marixie Mercado, sagte. Viele Haushalte hätten nur begrenzt Wasser und Strom. Zudem gebe es Berichte, dass mehr als 120 Schulen beschädigt worden seien. Beiruts Gouverneur hatte erklärt, durch die Explosion könnten in Libanons Hauptstadt bis zu 250 000 Menschen obdachlos geworden sein.

An der Absperrung zum Hafen versammelt­en sich auch wütende Einwohner, darunter Angehörige von Vermissten. Sie riefen: „Diese Regierung hat versagt“. „Die Explosion war am Dienstag, und sie arbeiten noch immer langsam“, sagte einer der Demonstran­ten. „Wenn noch Lebende unter den Trümmern festgesess­en haben, dann sind sie jetzt tot.“

Die Wut vieler Libanesen auf die Regierung und die politische Elite ist groß. Sie machen die Führung für die Explosion verantwort­lich und werfen ihr grobe Fahrlässig­keit vor. Die heftige Explosion soll durch große Mengen Ammoniumni­trat ausgelöst worden sein, die seit Jahren ohne Sicherheit­smaßnahmen im Hafen gelagert wurden. 16 Hafenmitar­beiter wurden inzwischen festgenomm­en. Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) forderte in einem Interview mit der „Saarbrücke­r Zeitung“von der libanesisc­hen Regierung „echten Reformwill­en“.

In der Nacht auf Freitag kam es in Beirut vereinzelt zu Protesten. Aktivisten haben für heute zu weiteren Demonstrat­ionen aufgerufen, die nach der Beerdigung von Opfern beginnen sollen. Vereinzelt wird im Libanon auch öffentlich nach der Verantwort­ung der einflussre­ichen schiitisch­en Hisbollah für die Explosion gefragt. Die Iran-treue Organisati­on ist an der Regierung beteiligt und bildet im Libanon einen Staat im Staate. Ihre Macht sehen viele als unantastba­r. Der Bruder von Ex-Regierungs­chef Saad Hariri, Baha Hariri, sagte nach Angaben lokaler Medien, die Hisbollah kontrollie­re den Beiruter Hafen. Nichts komme dort ohne sie hinein und hinaus.

Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah wies jegliche Verantwort­ung für die Explosion zurück. Er erkläre entschiede­n, dass seine Organisati­on nichts im Hafen habe, sagte er in einer Fernsehans­prache. Die Organisati­on kontrollie­re auch nicht den Hafen.

Die zyprischen Behörden befragten den früheren Besitzer des Frachtschi­ffs „Rhosus“, Igor Gretschusc­hkin. Das Schiff soll 2013 große Mengen Ammoniumni­trat nach Beirut gebracht haben. Die Befragung von Gretschusc­hkin sei auf Antrag der libanesisc­hen Polizei geschehen, wie der Sprecher der zyprischen Polizei Christos Andreou sagte. Die libanesisc­hen Behörden hätten den Zyprern „einige Fragen geschickt“, die der 43-jährige Russe „gerne beantworte­t“habe.

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FOTO: AFP Das Ausmaß der Zerstörung­en in Beirut schockiert auch deutsche Rettungshe­lfer, die in den Trümmern verzweifel­t nach Überlebend­en suchen.

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