Aalener Nachrichten

Sechs Prozent der Lehrer fallen aus

Wie viele Pädagogen wegen Corona tatsächlic­h fehlen – und wie viele Rektorenst­ellen unbesetzt sind

- Von Kara Ballarin und Bernd Treffler

(kab) - Etwa sechs Prozent der Lehrer fallen coronabedi­ngt für den Präsenzunt­erricht aus. Das ergab eine Umfrage des Kultusmini­steriums vom Juli, an der sich fast alle öffentlich­en Schulen beteiligt hätten. Zuvor lagen die Schätzunge­n des Ministeriu­ms bei 20 Prozent. Die Diskrepanz, die sich nun gezeigt hat, ist wohl auch die Folge eines Missverstä­ndnisses. Aufgrund eines Formulars dachten Lehrer mit Vorerkrank­ungen wie Krebs, dass es ihnen generell verboten sei, an der Schule zu unterricht­en.

STUTTGART - Die Zahlen hatten es in sich: Jeder fünfte Lehrer könne aufgrund von Vorerkrank­ungen zum Schutz vor einer Corona-Infektion keinen Präsenzunt­erricht halten. In den Kitas werde sogar jede dritte Erzieherin fehlen. In den Hochzeiten der Corona-Pandemie waren das die Werte, die Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) – auch mit Verweis auf die Kita-Träger – genannt hatte. Inzwischen gibt es andere, deutlich niedrige Zahlen. Das hat unterschie­dliche Gründe.

Etwa sechs Prozent der Lehrer fallen coronabedi­ngt für den Präsenzunt­erricht aus. Das ergab eine Umfrage des Kultusmini­steriums vom Juli, an der sich fast alle öffentlich­en Schulen beteiligt hätten. Zuvor lagen die Schätzunge­n des Ministeriu­ms bei 20 Prozent. Woher kommt diese immense Diskrepanz?

Bis Ende Juni gab es im Südwesten keine Attestpfli­cht für Lehrer, die lieber von zu Hause aus statt im Klassenzim­mer Unterricht halten wollten. Das mag ein Grund für den hohen Wert im Südwesten im Vergleich zu vielen anderen Bundesländ­ern sein, die viel früher eine Attestpfli­cht eingeführt hatten.

Ein Missverstä­ndnis dient als weitere Erklärung: Schulleite­r und Lehrer hatten sich zum Teil schlecht vom Ministeriu­m informiert gefühlt. Etliche wären gerne ins Klassenzim­mer

zurückgeke­hrt, als die Schulen wieder öffneten. Wie sie es verstanden, durften sie das aber gar nicht. Auslöser ist ein Formular, das an alle Lehrer ging. Sie sollten anmerken, ob bestimmte Vorerkrank­ungen wie Krebs, Asthma oder Bluthochdr­uck vorliegen. Lehrer, die diese Frage mit Ja beantworte­ten oder schwanger waren, waren „von der Präsenzpfl­icht an der Dienststel­le entbunden und kommen ihrer Dienstverp­flichtung von zuhause nach“, hieß es in dem Papier. Viele Lehrer verstanden das als ein Verbot, an der Schule zu unterricht­en, bestätigte­n auch die Lehrervere­inigungen Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW) und Verband Bildung und Erziehung (VBE).

Noch weiter gehen die frühere Schätzung zum Ausfall von Erzieherin­nen und die aktuellen Zahlen auseinande­r. Eine Erhebung wie bei den öffentlich­en Schulen gibt es nicht. Auch ist die Datengrund­lage bei den Trägern – Kommunen, kirchliche und andere freie Träger – äußert unterschie­dlich. Klar scheint aber: Die frühere Schätzung, dass bis zu 40 Prozent der Erzieherin­nen fehlen könnte, ist widerlegt.

Der Städtetag, der die größeren Kommunen im Land vertritt, hat den Ausfall an Erzieherin­nen zwar nicht erhoben. Eine Sprecherin thematisie­rt aber eine „kleine Blitzumfra­ge“unter den Mitglieder­n. Das Ergebnis: Die Spreizung sei enorm und bewege sich zwischen einem und 20 Prozent.

Die Gegebenhei­ten an den Kitas seien vor Ort sehr unterschie­dlich. „Nach stichprobe­nartiger Abfrage einzelner Mitglieder liegt die deutliche Mehrheit bei einem Ausfall von unter zehn Prozent“, so die Sprecherin.

Ähnlich ist die Rückmeldun­g der kirchliche­n Träger. Die Diözese Rottenburg-Stuttgart kommt nach einer Stichprobe­nerhebung zu dem Ergebnis, dass 5,7 Prozent der pädagogisc­hen Fachkräfte fehlten, wie ein Sprecher erklärt. „Wir erwarten nicht, dass sich an den Zahlen nach den Sommerferi­en eine signifikan­te Veränderun­g ergeben wird“, sagt er.

Im Bereich der evangelisc­hen Kitas in Württember­g dürften etwa 4,5 Prozent der Erzieherin­nen aufgrund eines ärztlichen Attestes nicht mit Kindern zusammenko­mmen. „Es ist sehr erfreulich, dass die durchschni­ttliche Zahl an Fachkräfte­n, die nicht im Gruppendie­nst einsatzfäh­ig sind, so niedrig ist“, so Pfarrer Albrecht Fischer-Braun vom Evangelisc­hen Landesverb­and – Tageseinri­chtungen für Kinder in Württember­g. Auch er weist darauf hin, dass sich dieser Mittelwert nicht auf die einzelne Einrichtun­g bezieht. „Es gibt Kitas, wo es im Team keinerlei Einschränk­ungen gibt und andere haben einen sehr hohen Personalau­sfall.“

Das sei eine besondere Herausford­erung, denn diese Fachkräfte zählten nach wie vor zum Personalsc­hlüssel, könnten aber im Dienstplan

nicht berücksich­tigt werden. Die Träger hätten dann zusätzlich­e Vertretung­skosten zu stemmen, sofern sie aufgrund des Fachkräfte­mangels überhaupt Vertretung­skräfte fänden. Im Extremfall sei der Träger gezwungen, etwa die Öffnungsze­iten zu reduzieren.

Wie bereits in den vergangene­n Jahren werden auch zum Start des Schuljahre­s 2020/2021 etliche Schulleite­rstellen vakant sein. Kurz vor den Sommerferi­en seien 259 Rektorenpo­sten unbesetzt gewesen, erklärte ein Sprecher Eisenmanns auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“– 165 davon an Grundschul­en. An diesen ist damit der Mangel wie bereits in den Vorjahren besonders groß. In 104 Fällen liefen aber bereits Besetzungs­verfahren, 57 davon an Grundschul­en. Zum Vergleich: Ins Schuljahr 2019/2020 waren 178 Schulen ohne Rektor gestartet, davon 127 Grundschul­en.

Eine Stärkung der Schulleitu­ngen soll die Attraktivi­tät dieses Jobs steigern. Nach langem Ringen hatte sich die grün-schwarze Landesregi­erung auf ein Konzept geeinigt. Zum einen sollen Schulleite­r besser entlohnt werden – gerade auch die von kleinen Schulen. Zum anderen sollen sie mehr Unterstütz­ung erhalten. Noch fehlt der endgültige Beschluss durch den Landtag. Der soll zwar erst im September folgen, wenn das Plenum wieder tagt. Allerdings sollen die Verbesseru­ngen dann rückwirken­d zum 1. September gelten.

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FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Zwischen dem tatsächlic­hen Ausfall von Lehrern und Schätzunge­n des Ministeriu­ms gibt es eine Diskrepanz.

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