SPD-Spitze positioniert sich
Parteichefs halten Koalition mit Linkspartei für möglich
(dpa) - Die SPD-Spitze um Saskia Esken und Norbert WalterBorjans schließt eine Koalition mit der Linkspartei nach der Bundestagswahl nicht aus. Und Esken denkt auch über ein Bündnis unter grüner Kanzlerschaft nach. „Da geht es nicht um Eitelkeit. Es geht darum, gute Politik für die Menschen im Land zu machen, und die SPD ist bereit dazu, in so eine Verantwortung zu gehen“, sagte Esken im ARD-„Sommerinterview“. Ihrer Auffassung nach braucht es dafür ein progressives Bündnis – so wäre eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei „möglich und denkbar“.
Zuvor hatte sich Walter-Borjans grundsätzlich offen für Gespräche mit der Linkspartei nach der Bundestagswahl im kommenden Jahr gezeigt. Die SPD wolle die führende Kraft in einem Regierungsbündnis werden, das den gesellschaftlichen Zusammenhalt in den Mittelpunkt stellt. „Die Große Koalition ist dafür keine Grundlage.“
- Als Diplom-Volkswirt kennt sich Norbert Walter-Borjans mit Zahlen aus und als ehemaliger Finanzminister weiß der SPD-Chef auch, wie man sie kreativ auslegt. Und so verkündete er am Wochenende, ein Linksbündnis mit den Grünen und den Linken nach der Bundestagswahl 2021 nicht mehr auszuschließen.
Walter-Borjans dürfte bewusst sein, dass einem solchen Bündnis derzeit die Mehrheit fehlen würde. Man käme zwar laut jüngsten Umfragen auf 41 Prozent. Das reicht nicht, doch das kann noch werden, wenn die Zustimmung zu Merkels Corona-Politik sinkt, die Arbeitslosigkeit steigt oder sich die Union im Streit über den CDU-Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten zerlegt. Soweit also der Ökonom. Der Parteichef sagte der Funke Mediengruppe aber darüber hinaus, dass er seine Partei in diesem Regierungsbündnis als „führende Kraft“verorte. Dazu aber müsste die SPD stärker werden als die Grünen, die seit Monaten stabil über den Sozialdemokraten liegen – auch in Zeiten, wo die SPD und insbesondere Finanzminister Olaf Scholz viel Lob für ihre Corona-Politik einheimsen. Andere Töne gab es da am Sonntag von Saskia Esken. Sie schloss nicht aus, in ein Bündnis unter einer grünen Kanzlerschaft einzutreten. „Da geht es nicht um Eitelkeit. Es geht darum, gute Politik für die Menschen im Land zu machen, und die SPD ist bereit dazu, in so eine Verantwortung zu gehen.“Doch nicht Walter-Borjans und auch nicht seine Co-Vorsitzende Saskia Esken waren es, die an diesem Wochenende den Versuch eingeleitet haben, zumindest mit personeller Klarheit das Feld von hinten aufzurollen. Zuerst plädierte Niedersachsens Ministerpräsident Stefan Weil und kurz danach sein Vertrauter, SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil, dafür, den Kanzlerkandidaten der SPD schon nach der Sommerpause auszurufen. „Im Spätsommer werden wir über den Kanzlerkandidaten entscheiden, und dann ist die SPD als erste aller Parteien startklar“, sagte Klingbeil dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Und ja, Vize-Kanzler Scholz führe das Land zusammen mit Kanzlerin Angela Merkel erfolgreich durch die Corona-Krise. Jedoch hätten die Parteivorsitzenden Walter-Borjans und Esken das Vorschlagsrecht für den Kanzlerkandidaten der SPD.
Die Frage ist nur, ob die beiden Vorsitzenden ihre Favoritin oder ihren Favoriten tatsächlich noch selbstständig bestimmen können, oder ob ihnen letztlich nichts anderes übrig bleibt, als Scholz auf das Schild zu heben, gegen den und seine Mitbewerberin Klara Geywitz sie sich bei der Wahl zum Parteivorsitz noch durchgesetzt hatten. Denn in den knapp neun Monaten an der SPD-Spitze haben sie keine Begeisterung entfachen können. Sogar das Verhältnis zu ihrem mächtigsten Unterstützer, Juso-Chef Kevin Kühnert, ist laut einem Bericht des „Spiegels“inzwischen abgekühlt. Umso enger arbeite Kühnert nun mit Generalsekretär Klingbeil zusammen, der als Macher in der Parteizentrale gilt. Der Weg zur führenden Kraft in einem Linksbündnis ist jedenfalls noch weit.