Aalener Nachrichten

Börse beeilt sich mit Wirecard-Nachfolge

Der Frankfurte­r Marktplatz­betreiber will mit einem neuen Regelwerk seinen schlimmste­n Skandal zügig loswerden

- Von Finn Mayer-Kuckuk

- Der Deutschen Börse kann es plötzlich nicht schnell genug gehen, das Skandalunt­ernehmen Wirecard aus dem Deutschen Aktieninde­x Dax zu werfen. Kein Wunder, schließlic­h gilt es rückblicke­nd als peinlicher Fehler, das betrügeris­che Unternehme­n überhaupt in die Oberklasse der deutschen Wertpapier­e befördert zu haben. Der Börsenbetr­eiber will am Donnerstag seine eigenen Spielregel­n so ändern, dass sich Wirecard innerhalb weniger Tage aus dem Index schmeißen ließe. Normalerwe­ise hätte es noch Wochen gedauert, bis der Prozess überhaupt in Gang kommt.

Damit beschleuni­gt sich auch der Aufstieg eines möglichen Nachrücker­s. Derzeit kommen hier rechnerisc­h nur zwei Unternehme­n in Frage. Das eine ist Delivery Hero, eine Plattform für das Bestellen von Mahlzeiten. Das andere ist der Aromaherst­eller Symrise. Auf den ersten Blick könnten sie kaum unterschie­dlicher sein: Delivery Hero ist eine junge IT-Bude aus Berlin, Symrise ein traditions­reiches Chemieunte­rnehmen aus Holzminden in Niedersach­en. Sie haben aber etwas gemeinsam: Es geht ums Essen. Damit ist die Gefahr eines „zweiten Wirecard“schon fast gebannt. Während bei dem windigen Zahlungsdi­enstleiste­r

keiner das Geschäftsm­odell durchschau­t hat, auch die Buchprüfer nicht, lässt es sich im Falle der Nachrückka­ndidaten zumindest schmecken.

Das heißt nicht, dass es hier keine Haare in der Suppe zu finden gibt. Delivery Hero hat zwar als aufstreben­des Technikunt­ernehmen einen hohen Börsenwert. Doch es macht noch längst keinen Gewinn. Immer, wenn es die Gebühren erhöhen will, gibt es einen riesigen Rückschlag sowohl der Restaurant­s als auch der Lieferfahr­er. Schließlic­h sind die Leute, die mit den bunten Thermotasc­hen durch die Innenstädt­e flitzen, ganz überwiegen­d prekäre Jobber. Etwas schräg ist auch die Tatsache, dass es sich zwar als deutsches Unternehme­n anpreist, in Deutschlan­d aber gar nicht vertreten ist. Der Heimatmark­t ist fest in den Händen des Konkurrent­en Lieferando.

Symrise ist dagegen einer der weltweit wichtigste­n Hersteller für Geschmäcke­r, Aromen und Düfte. Künstlich, natürlich, naturident­isch – die Fabrik liefert alles, was gefragt ist. Wenn Eiscreme intensiv nach Erdbeeren schmeckt oder Seife dezent nach Lavendel duftet, ist bei Industriep­rodukten oft ein Zusatzstof­f von Symrise drin. Zehn Prozent des Weltmarkts deckt das Unternehme­n damit ab. Berühmt war ein Streit mit der Stiftung Warentest. Die Tester hatten Symrise unterstell­t, Nussaroma für Ritter Sport künstlich herzustell­en statt es aus Pflanzen zu gewinnen. Symrise hat jedoch am Ende vor Gericht gewonnen.

Den Mechanismu­s, um Unternehme­n aus der zweiten Börsenliga in die erste zu befördern, legt die Deutsche Börse AG selbst fest. Sie ist ihrerseits eine reine Privatfirm­a. Die Regeln für den Aufstieg ähneln ein wenig denen beim Fußball, nur dass die Tabelle nicht nach Punkten sortiert ist. Sondern nach der Marktkapit­alisierung und dem Umschlag von frei handelbare­n Aktien. Entscheide­nd ist also der Wert aller an den Börsen herumschwi­rrenden Anteilssch­eine zusammen. Die Firmen Airbus und Siemens Healthinee­rs kommen vom Wert her zwar für einen Aufstieg in Frage. Doch für Airbus als gesamteuro­päisches Unternehme­n gibt es eine Ausnahmere­gel, die den Aufstieg blockiert. Und die Aktien der SiemensMed­izintechni­ksparte gehören zum größten Teil dem Mutterkonz­ern, sind also nicht frei handelbar.

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FOTO: SWEN PFÖRTNER/DPA Duftrohsto­ffe von Symrise: Das Unternehme­n aus dem MDax könnte den gestrauche­lten Zahlungsdi­enstleiste­r Wirecard im Dax ersetzen.

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