Aalener Nachrichten

Quietschbu­nte Sommersaus­e

Philipp Moschitz inszeniert Marivaux’ „Das Spiel von Liebe und Zufall“auf der Großen Treppe in Schwäbisch Hall

- Von Ansgar König

- „Alles anders“: Das Spielzeitm­otto der Freilichts­piele Schwäbisch Hall lässt erahnen, was die Theaterleu­te in Corona-Zeiten so umtreibt. Nur 400 statt 1600 Sitzplätze stehen zur Verfügung, man legt Wert auf reglementi­erte Zugänge, Mundschutz und Abstand. Und hat dennoch Spaß dabei. Regisseur Philipp Moschitz hat nun Pierre Carlet de Marivaux’ wohl bekanntest­e Komödie „Das Spiel von Liebe und Zufall“als quietschbu­nte Sommersaus­e auf die Große Treppe gestellt. Ein Sommernach­tsvergnüge­n mit Drang zu Slapstick und Albernheit­en.

Ein Großteil der Sitze ist abgeklebt, das Bild, das sich den Schauspiel­ern von der Treppe aus bietet, ist ein ungewohnte­s. „Für die Einhaltung der Pandemie-Vorschrift­en ist kaum eine Bühne und kaum ein Zuschauerr­aum geeigneter als die Große Treppe vor Sankt Michael“, sagt Dramaturg Franz Burkhard. Der auch gesteht, dass es schwierig war, geeignete Stücke zu finden. Denn auch auf der Bühne gilt das Abstandsge­bot.

Mit „Das Spiel von Liebe und Zufall“von Pierre Carlet der Maviraux haben die Haller Theaterleu­te ein Stück gefunden, das sich im weitesten Sinn mit Abstand und Nähe beschäftig­t. „Wir erfinden das Theater neu“, hat Intendant Christian Doll die Lage in einem Interview umrissen.

Aber es ist natürlich nicht alles anders. Die Komödie von 1730 bedient sich eines klassische­n Settings, von Sigrid Behrens in zeitgemäße Worte gesetzt („Nun haben wir den Salat“). Papa Orgon (mit stets erhobenem Zeigefinge­r: Dirk Weiler) und sein Sohn Mario (Martin Maecker irgendwo zwischen Indianer und Pharao) wollen Tochter Silvia (mit starker Stimme: Martina Lechner) mit Edelmann Dorante (Patrick Nellessen) verheirate­n. Drum prüfe, wer sich ewig bindet: Silvia tauscht beim Kennenlern­en ihre Rolle mit Zofe Lisette (Alice Hanimyan), aber Dorante hat dieselbe Idee und schickt Diener Harlekin (Nathanaël Lienhard) in seinem Namen vor. Verwechslu­ngen, Verwirrung­en. Doch das Happy End naht unausweich­lich, schließlic­h finden sich die Paare – so will es das Gesetz der Komödie.

Auf großes Drumrum verzichtet der 35-jährige Regisseur Philipp Moschitz. Nur sechs gelbe Podeste verteilt auf der Großen Treppe – der Rest ist Bühne pur. Für Geräusche – manchmal nah an der Nervgrenze – sorgen Gummihuhn, Kaffeetass­e und leere Flaschen. Als sich Mario und Dorante mal so ganz unter Männern bei einem Bier unterhalte­n, ist der Rest der Truppe damit beschäftig­t, die passenden Geräusche zu liefern. Für Musik (Leitung: Heiko Lippmann) sorgen die Spieler selbst, schön sechsstimm­ig, von Bachs „Willst du dein Herz mir schenken“ zum Auftakt über „Is this the real life? Is this just fantasy?“aus Queens „Bohemian Rhapsody“, Rihannas „We found love in a hopeless place“bis zum in diesem Zusammenha­ng unvermeidl­ichen „All you need ist love“von den Beatles. Eine Auswahl so bunt wie das Stück.

Moschitz macht aus der Komödie ein Fest fürs Auge. Knallbunte Kostüme und Perücken (Ausstattun­g: Cornelia Brey). Für den notwendige­n Abstand zwischen den Akteuren sorgt ein eineinhalb Meter langes Gummibague­tte. Und wenn sich die Liebenden mal zu nah auf die Pelle rücken, wirft der Chor lautstark einen „Abstand!“-Ruf dazwischen. Ja, kaum zu glauben, aber sogar eine Liebesszen­e ist so machbar. Und den finalen Schlusskus­s, den müssen sich die beiden Liebespaar­e durch eine Plastikfol­ie gegenseiti­g auf die Lippen drücken. Irgendwie ist halt doch alles anders.

Weitere Stücke auf der Freilichtb­ühne in Schwäbisch Hall, Große Treppe: „Jedermann“, „Don Camillo und Peppone“(beides Wiederaufn­ahmen); Parkbühne am Neuen Globe: „Eine Sommernach­t“, „Der Zinnsoldat und die Papiertänz­erin“, „Alma und das Genie“, „Two Girls and a Boy“(Premiere 19. August). Außenbühne am Neuen Globe: „Ich mach dann mal Musical!“(20. und 21. August). Informatio­nen: www.freilichts­piele-hall.de

 ?? FOTO: UFUK ARSLAN/FREILICHTS­PIELE ?? Knallbunt und auch ein wenig albern: Marivaux’ Komödie „Das Spiel von Liebe und Zufall“auf der Großen Treppe in Schwäbisch Hall mit (von links) Dirk Weiler als Herr Orgon, Alice Hanimyan als Lisette, Martin Maecker als Mario und Natanaël Lienhard als Harlekin.
FOTO: UFUK ARSLAN/FREILICHTS­PIELE Knallbunt und auch ein wenig albern: Marivaux’ Komödie „Das Spiel von Liebe und Zufall“auf der Großen Treppe in Schwäbisch Hall mit (von links) Dirk Weiler als Herr Orgon, Alice Hanimyan als Lisette, Martin Maecker als Mario und Natanaël Lienhard als Harlekin.

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